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DSB 2025, 149
Strassemeyer 

Vertrauen in die (Datenschutz-)Gerichtsbarkeit

Abbildung 1

Laurenz Strassemeyer Schriftleitung Datenschutz-Berater

Sehr geehrte Leserinnen und Leser,

Ende Mai entschied das OLG Köln im Eilverfahren, dass die DSGVO Meta ab dem 27. Mai nicht daran hindert, ihr Sprachmodell „LLa. M.A“ mit öffentlich zugänglichen Nutzerdaten aus Europa zu trainieren (Beschl. v. 23.5.2025 – 15 UKl. 2/25). Das Ergebnis wurde als Paukenschlag wahrgenommen: Große Leitmedien griffen das Thema auf, in sozialen Netzwerken – insbesondere auf LinkedIn – entbrannten teils heftige Debatten. Und das, obwohl weder die Beschlussgründe vorlagen noch eine endgültige Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Trainings gefallen war. Es ging allein um einen nicht erfolgreichen Eilantrag auf einstweilige Untersagung. Für Meta ist das ein bedeutender Etappensieg, aber eben auch nicht mehr.

Gerade deshalb überraschte mich die Wucht der Reaktionen auf Basis einer bloßen Pressemitteilung in einem Eilverfahren. Der Aufschrei fiel massiv aus. (Gegen-)Meinungen wurden mit absolutem Geltungsanspruch vertreten. Fundierte Auseinandersetzungen? Kaum vorhanden. Wie auch, ohne genaue Kenntnis der Details. Stattdessen sehr viel Polemik. Teilweise ging es so weit, dass das OLG Köln oder gar die (deutschen) Gerichte als Institutionen in Frage gestellt wurden. Es schien, als sei ein Eilverfahren ernsthaft der Moment, der es erlaube, der deutschen Gerichtsbarkeit das Vertrauen zu entziehen – verrückt.

Und hier möchte ich einen Kontrast setzen. Denn mein beruflicher Mai gab Anlass zu einer ganz anderen Erfahrung. In einem langjährigen Verfahren, das bereits den zivilrechtlichen Instanzenzug durchlaufen hat und parallel die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit denselben materiell rechtlichen Fragen beschäftigt, kam es nun zur mündlichen Verhandlung vor dem OVG. Nach gut drei Stunden verließ ich das Gericht mit tiefstem Respekt und vollem Vertrauen in die nationale (Datenschutz-)Gerichtsbarkeit. Man könnte dieses Gefühl leicht auf eine gewisse Unerfahrenheit meiner Person vor Gericht zurückführen. Und das mag sicher auch ein Teil der Wahrheit sein. Aber auch den übrigen auf unserer Seite anwesenden Anwälten – davon immerhin zwei mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung – war es nicht anders ergangen.

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht das Auskunftsrecht. Auf den ersten Blick könnte man meinen, da sei ja mittlerweile alles geklärt. Entsprechend wäre es ein leichtes gewesen, sich vorschnell für oder gegen die eine Seite auszusprechen. Doch genau das tat der Senat nicht. Er agierte souverän, mit einer Verhandlungsführung, die allen Beteiligten Raum ließ, und zugleich mit einer Fachlichkeit, die durch Liebe zum Detail sowie unzähligen Zitaten von Halbsätzen aus EuGH-Urteilen und Querverweisen auf EDSA-Beschlüsse beeindruckte – ein juristisches Niveau, wie man es sich wünscht, wenn es wirklich um die Sache geht. Diese dogmatische Tiefe und die Fähigkeit, Sachverhalte differenziert zu betrachten, habe ich in dieser Form selten in Diskussionen erlebt.

Warum ich das erzähle? Auch in diesem Fall erschien noch am selben Tag eine Pressemitteilung. Und prompt folgten Diskussionen. Laut, pauschal, substanzarm. Ohne Einblick in den Sachverhalt, ohne Kenntnis der rechtlich entscheidenden Aspekte.

Wer die Verhandlung miterlebt hat, hätte sich kaum zu solch unterkomplexen Aussagen hinreißen lassen wie „klingt unionsrechtswidrig“ oder „der EuGH wird das anders sehen“. Denn hätte das Gericht umgekehrt entschieden (was nach Verlassen des Gerichtssaals keineswegs ausgeschlossen war), dann wäre mein vorangegangene Statement über die Verfahrensführung und den Senat nicht anders ausgefallen. Entscheidend war nicht das Ergebnis, sondern die Art und Weise der Entscheidungsfindung. Wir waren uns am Folgetag einig: ein beeindruckend zusammengesetzter Senat. Ein Verfahren, das allein auf Basis des Niveaus das Vertrauen in deutsche Gerichte stärkt.

Die Diskussion in den sozialen Netzwerken zum Beschluss des OLG Köln wirkte dann auf mich wie ein Déjà-vu, freilich in einem deutlich größeren Ausmaß. Aber wenn man nur aus der Ferne urteilt oder sich pauschal ein anderes Ergebnis wünscht, ist es natürlich viel leichter und schneller gemacht, polemisch zu reagieren. Doch gerade in Zeiten wie diesen ist pauschales, pseudojuristisches Gerichtsbashing fehl am Platz (erst recht, von Juristen selbst). Kritik ist legitim, aber bitte fachlich fundiert, mit dem nötigen Maß an Geduld und ohne das laute Getöse.

Vielleicht hilft es schon, sich anfangs die Struktur eines Eilverfahrens bewusst zu machen: Es basiert auf summarischer Prüfung, ohne volle Beweisaufnahme, mit eingeschränktem Blick auf Tatsachen. Rechtsfragen werden zwar rechtstheoretisch ebenso tief geprüft wie im Hauptsacheverfahren, praktisch ist das in wenigen Tagen aber kaum zu leisten. Wer erwartet, dass ein Senat hunderte Seiten EuGH-Rechtsprechung und Akten vollends durchdringt und dann perfekt anwendet, verkennt den Rahmen. Und das ist auch okay. Aus meiner Sicht ist es letztlich gerade geboten, dass Gerichte in diesen Situationen in einer freiheitlichen Ordnung bei Untersagungen Zurückhaltung üben und in der Praxis hohe Hürden dafür setzen, statt vorschnell alles zu verbieten. Es bleibt schließlich noch immer das Hauptsacheverfahren. Und entlang der verschiedenen Rechtsmittel und Instanzen gilt dabei auch im Datenschutz, dass die Gerichtsbarkeit Vertrauen verdient. Sie trägt zu einem ausgewogenen und freiheitlich geprägten Rechtsgefüge bei. Ich persönlich habe jedenfalls nach diesem Mai weiterhin großes Vertrauen in die (Datenschutz-)Gerichtsbarkeit, selbst wenn ich mit einzelnen Entscheidungen auch mal hadere. Das heißt noch lange nicht, wie ein Cowboyjurist ganze Spruchkörper öffentlich herabzuwürdigen.

Und in diesem Sinne ende ich bewusst unterkomplex: Wenn Sie dieses Heft in den Händen halten, hat Meta vermutlich bereits mit dem Training ihres LLMs begonnen. Wenn Sie das nicht wollten, hätten Sie widersprechen können. Haben Sie das nicht getan, leben Sie dennoch in einem funktionierenden Rechtsstaat – mit starken Gerichten. Viel Spaß mit dieser Ausgabe, in der die Anforderungen des Datenschutzes an KI natürlich nicht unerwähnt bleiben (siehe S. 171 ff. zum neuen Prüfkatalog der BfDI).

Ihr

Laurenz Strassemeyer

 
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