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CB 2020, I
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CB 2020, Heft 09, Umschlagteil S. I (I)

VerSanG-E – Hamburg als besseres Vorbild?

„Eine zukunftsweisende Struktur, die nicht auf staatlichen Ge- oder Verboten beruht“

Abbildung 1

Das VerSanG-E als Teil des Gesetzespakets „zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft“ wurde bereits vielfach, umfangreich und zu Recht kritisiert. Dem wollen wir uns hier nicht anschließen, sondern fragen, ob es vielleicht besser geht. Dazu schauen wir auf die Freie und Hansestadt Hamburg, deren Wirtschaft sich selbst eine umfangreiche und effektive Compliance-Architektur gegeben hat. So finden wir hier jahrzehntealte, sogar jahrhundertealte NGOs die sich der Stärkung der Integrität der Wirtschaft verschrieben haben und dazu noch nicht einmal die Politik benötigen. Was genau haben sich da die Pfeffersäcke ausgedacht?

Fangen wir vorne an: Im Jahr 1517 wurde von Hamburger Kaufleuten die Versammlung eines ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg (VEEK e. V.) gegründet. Ziel war und ist es, die Ehrbarkeit unter Kaufleuten und werteorientiertes Handeln bei kaufmännischem Streben und die soziale Verantwortung zu stärken. Es gilt der Grundsatz: Anstand bildet die Grundlage für nachhaltigen Erfolg.

Ein wenig später, im Jahr 1925, wurde von namenhaften Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik – etwa dem Bürgermeister a. D. Dr. Petersen, dem Reichskanzler a. D. Dr. Cuno und dem Bankier Warburg – der Verein Pro Honore e. V. gegründet, um den unlauteren Wettbewerb, das Bestechungs- und Schmiergeldunwesen und sonstige der kaufmännischen Ehre widersprechende Unsitten zu bekämpfen. Dies aus der Wirtschaft für die Wirtschaft und ohne neue Gesetze oder Verwaltungsstrukturen zu schaffen.

Im Jahr 2003 wurde von der Handelskammer Hamburg, dem VEEK e. V. und Pro Honore e. V. die „Hamburger Hinweisstelle zum Schutz vor Korruption in der Wirtschaft“ gegründet. Hierbei handelt es sich um eine Hinweisgeberstelle, die aus der Wirtschaft und ohne Beteiligung staatlicher Strukturen ins Leben gerufen wurde und der gesamten Hamburger Wirtschaft zur Verfügung steht. Sie dient dem Schutz vor Wirtschaftskriminalität und ist als Institution der Wirtschaft so in Deutschland einmalig. Jeder, der begründete und nachvollziehbare Anhaltspunkte auf Straftaten oder unzulässige Geschäftspraktiken besitzt, kann sich an die Vertrauensstelle wenden.

Im Jahr 2013 wurde in Hamburg ein Korruptionsregister unter dem Titel „Gesetz zur Einrichtung eines Registers zum Schutz fairen Wettbewerbs“ geschaffen. Das Register steht Behörden bei der Vergabe von Aufträgen zur Verfügung, um sich über potenzielle Auftragnehmer informieren zu können. Bei schwerwiegenden Verfehlungen werden Vergabesperren verhängt. Zudem ist eine Regelung vorgesehen, nach der Maßnahmen zur Korruptionsvorsorge positive Wirkung haben. Insbesondere kann bei Unternehmen, die das Vorhandensein eines Compliance-Programms mittels eines Compliance-Zertifikates nachweisen, von der Registerabfrage abgesehen werden.

Seit 2014 können Unternehmen ihr Compliance-Managementsystem nach dem Hamburger Compliance Zertifikat1 zertifizieren lassen. Bei diesem von der Handelskammer Hamburg vergebenen Zertifikat handelt es sich nicht um Anregungen oder Hinweise, sondern um ein echtes Zertifikat, das auf Basis des Hamburger Compliance Standards nach einer Auditierung vergeben wird.

Schließlich widmet man sich auch der Justiz, also der Frage, wie mit Compliance-Verstößen umgegangen und ob die Wirtschaft von der Justiz ausreichend geschützt wird. So wird seit 2016 regelmäßig mit dem Norddeutschen Justizpanel die Zufriedenheit der mittelständischen Wirtschaft mit der Justiz untersucht. Die Umfrage aus dem Jahr 2019 zeigt, dass mittelständische Unternehmen erhebliche Fehlentwicklungen in der Justiz wahrnehmen, was konkrete Folgen für die wirtschaftliche Tätigkeit hat.

Sicherlich ist die Unternehmerschaft Hamburgs nicht frei von unredlichem Verhalten. Dennoch machen die hier dargestellten Institutionen deutlich, dass man es mit Gesetzestreue ernst nimmt und verstanden hat, dass dies im Interesse aller Wirtschaftsbeteiligten ist. Der ehrbare Kaufmann ist durchaus ein Maßstab, an dem sich Hamburger Kaufleute messen.

Hamburg verfügt über die ältesten NGOs im Bereich Compliance und hat zugleich eine ausgesprochen moderne und zukunftsweisende Struktur aufgebaut, die nicht auf staatlichen Ge- oder Verboten beruht, sondern das Selbstverständnis integrer Bürger und Kaufleute unterstützt. Eine Gedankenwelt, die manchem Politiker recht fern ist – vielleicht aber auch als Anregung dienen kann.

Dr. Malte Passarge ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in der Kanzlei HUTH DIETRICH HAHN Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB, Vorstand des Instituts für Compliance im Mittelstand (ICM) und Geschäftsführer von Pro Honore e. V. sowie Chefredakteur des Compliance-Beraters.

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Siehe hierzu CB 8/2020, VI und VII.

 
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