Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung
Dem Gesetzgeber scheint der von ihm erstrebte große Wurf gelungen zu sein
Der Bundestag hat nunmehr das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beschlossen (BGBl. 2017 II, S. 872). Dieses tritt am 01.07.2017 in Kraft und soll nicht nur die EU-Richtlinie 2014/42/EU in deutsches Recht umsetzen, sondern das gesamte Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung umfassend neu gestalten.
Begrifflich entfällt zukünftig die Unterscheidung zwischen Verfall und Einziehung. Geben wird es nur noch das einheitliche Rechtsinstitut der Einziehung, mit dessen Hilfe umfassend inkriminierte Vermögenswerte abgeschöpft werden können. Anders als nach aktueller Rechtslage soll eine solche Einziehung auch dann zulässig sein, wenn Ansprüche von Verletzten der Straftat bestehen. Dies erweitert den Anwendungsbereich der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung erheblich. Das bislang bestehende Ermessen hinsichtlich der Anordnung vorläufiger Sicherungsmaßnahmen wird beschränkt. Zudem ist die Anordnung eines erweiterten Verfalls nicht mehr nur bei bestimmten Straftatbeständen der organisierten Kriminalität, sondern bei jeder Straftat möglich. Bei Ermittlungsverfahren wegen gesondert aufgezählter Straftaten, insbesondere aus den Bereichen der organisierten Kriminalität und des Terrorismus, soll für eine selbständige Einziehung künftig der Nachweis einer individuellen rechtswidrigen Tat entbehrlich sein. Es genügt, wenn das Gericht aufgrund der Gesamtumstände die Überzeugung gewinnt, dass ein Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt.
Für die Bestimmung der einzuziehenden Taterträge ist ausdrücklich die Anwendung des sog. Bruttoprinzip vorgesehen. Dieses wird erstmals näher spezifiziert. Danach dürfen Aufwendungen zwar abgezogen werden, nicht aber spezifisch für die rechtswidrige Tat gemachte.
Die Staatsanwaltschaft – funktional der Rechtspfleger – soll nach Rechtskraft der Einziehungsentscheidung für die Verteilung des Eingezogenen an die Verletzten zuständig sein. Der Verletzte kann entweder einen zivilrechtlichen Titel vorlegen oder der zuständige Rechtspfleger prüft anhand des Ermittlungsergebnisses das Bestehen etwaiger Ansprüche. In Mangelfällen ist eine einheitliche Verteilung an alle Verletzten nach den Vorgaben der Insolvenzordnung vorgesehen. “Windhundrennen” sollen dadurch vermieden werden. Die Staatsanwaltschaft hat grundsätzlich einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen, wenn das arrestierte Vermögen zur Befriedigung aller Verletzten nicht ausreicht. In Mangelfällen sieht das Gesetz Ansprüche des Staates nunmehr als privilegiert an.
Die Neuregelung sieht sich teils erheblicher, im Kern nicht ganz unberechtigter Kritik ausgesetzt. Bemängelt wird nicht nur, der deutliche Mehraufwand für die Strafverfolgungsbehörden. Geäußert werden vielmehr auch rechtsstaatliche Bedenken. Das Gesetz verstoße mit seiner Neuregelung zur selbständigen Einziehung sowohl gegen den Grundsatz freier Beweiswürdigung als auch gegen die Unschuldsvermutung. Fraglich ist darüber hinaus, ob die rechtliche Prüfung durch einen Rechtspfleger im Rahmen der Vollstreckung den zivilrechtlich oft komplexen Rechtsfragen gerecht werden könne. Zudem ist eine Verteilung gesicherter Gelder erst nach Rechtskraft der strafrechtlichen Entscheidung vorgesehen. Dies lässt es zweifelhaft erscheinen, ob eines der Hauptziele der Neuregelung, die Herbeiführung einer Verfahrensbeschleunigung, überhaupt erreicht werden kann.
Trotz aller Kritik ist eine Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung begrüßenswert. Die Komplexität und Unübersichtlichkeit der bisherigen Regelung wird aufgelockert und die Position der Opfer von Straftaten deutlich gestärkt. Zu begrüßen ist v. a. die Konkretisierung des Bruttoprinzips. Hier war im Rahmen der Bestimmung des abzuschöpfenden “erlangten Etwas” bislang vieles umstritten. Zwar verbleiben auch insofern einzelne Zweifelsfragen, in vielerlei Hinsicht wird durch die Neufassung jedoch für Klarstellung gesorgt.
Dem Gesetzgeber scheint der von ihm erstrebte große Wurf gelungen zu sein.
AUTOREN
Dr. Martin Schorn, RA, ist Associated Partner, Dr. Maximilian Utz, LL.M. (Edinburgh), RA, ist Senior Associate im Münchner Büro der Noerr LLP. Sie beraten zu allen wirtschaftsstrafrechtlichen Fragestellungen, bei der Einführung, Unterhaltung und Prüfung von Compliance-Programmen sowie der Organisation und Durchführung von Internal Investigations. Zudem unterstützen sie durch Straftaten geschädigte Unternehmen bei der zivilrechtlichen Anspruchsdurchsetzung sowie deren strafprozessualer Vorbereitung und Sicherung.