Philipp Senff, RA
CEO/CFO Compliance, Whistleblower und Prävention in China
Interview mit Philipp Senff, Rechtsanwalt in Shanghai und Partner bei CMS China zu Prävention und Krisenmanagement von deutschen Unternehmen im China-Geschäft
I. Einleitung
Compliance und Risikomanagement hat in den letzten Jahren in China signifikant an Bedeutung gewonnen. Ein wesentlicher Treiber dieser Entwicklung ist die Anti-Korruptionskampagne der chinesischen Regierung. Zudem können sich für deutsche Unternehmen und Manager Haftungsrisiken mit Blick auf Non-Compliance in China auch aus dem deutschen Recht ergeben.
Die Anti-Korruptionskampagne der chinesischen Regierung wird von den Medien aufmerksam verfolgt. Regelmäßig wird über strenge Sanktionen des chinesischen Staates bei Compliance-Verstößen berichtet. Richtet sich die Anti-Korruptionskampagne nur gegen die Beamten im eigenen Land? Was bedeutet dies für deutsche Unternehmen in China?
Die Anti-Korruptionskampagne ist nicht limitiert auf bestimmte Berufsgruppen. Ziel ist, die Korruption im öffentlichen und privaten Sektor intensiv zu bekämpfen. Dies betrifft gleichermaßen chinesische wie auch ausländisch-investierte Unternehmen. Übliche ausländische Investitionsformen wie Joint Ventures und Wholly Foreign-owned Enterprises sind davon genauso betroffen. Zudem richtet sich die Anti-Korruptionskampagne gleichermaßen gegen chinesische wie auch ausländische Manager, die in Korruptionsvorgänge involviert sind.
Die Anti-Korruptionskampagne wird insbesondere auf der Grundlage des chinesischen Strafrechts umgesetzt. Gibt es Unterschiede zwischen dem deutschen und chinesischen Strafecht, die für deutsche Unternehmen mit China-Geschäft relevant sind? Können Sie uns ein Beispiel geben?
In China besteht – im Gegensatz zu Deutschland – ein Unternehmensstrafrecht. Unternehmen – auch die deutschen Tochtergesellschaften in China – können mit Blick auf Korruption strafrechtlich sanktioniert werden. Das involvierte Management auch. Dies führt zu der Herausforderung, dass Unternehmen gut argumentieren müssen, dass der Regelverstoß von wenigen Mitarbeitern kein Regelverstoß des Unternehmens ist. Unternehmen, egal ob chinesische oder ausländische Unternehmen, müssen daher zum Teil erhebliche Anstrengungen unternehmen, um diese rote Linie zu ziehen.
Welche Haftungsrisiken können durch Schmiergeldzahlungen in China ausgelöst werden?
Zentrale Haftungsrisiken sind für Unternehmen Geldstrafen und die Einziehung unrechtmäßig erzielter Einnahmen. Hinzu kommen industriespezifische Blacklistings, die zu einem faktischen Vertriebsverbot führen können. Schmiergeldabreden durch Scheinvereinbarungen werden nach chinesischem Vertragsrecht regelmäßig unwirksam sein. Kaufverträge, die im Zusammenhang mit Schmiergeldabreden abgeschlossen wurden, können im Einzelfall nach chinesischem Recht auch unwirksam sein. Jedoch wird hier die rechtliche Prüfung im Einzelfall maßgeblich sein.
Was heißt dies für die Praxis? Wie sieht das worst-case Szenario aus der Sicht des deutschen Verkäufers in China aus?
Worst-case bedeutet: Der Kaufvertrag ist unwirksam. Die Waren wurden bereits an den Käufer geliefert. Der Käufer weigert sich, diese zurückzugeben, bspw. weil diese bereits weiterverarbeitet oder weiterverkauft wurden. Der erzielte Kaufpreis wird vom chinesischen Staat eingezogen.
Welche weiteren Sanktionen können für Unternehmen in Betracht kommen?
Je nach Schwere des Vorwurfs könnte ggfs. die Geschäftslizenz der Tochtergesellschaft in China entzogen werden. Mit dem Entzug der Geschäftslizenz würde die Tochtergesellschaft ihren rechtlichen Status verlieren. Zweifellos eine sehr harte Sanktion.
Kommen wir zu den persönlichen Haftungsrisiken bei Schmiergeldzahlungen. Wie sehen die persönlichen Haftungsrisiken des deutschen CEO oder CFO in der Tochtergesellschaft in China aus?
Zentrale Haftungsrisiken für Manager sind Geld- und Freiheitsstrafen. Hinzu kommt das Risiko einer Manager-Sperre von bis zu 5 Jahren. Die Manager-Sperre bezieht sich auf die leitenden Managerpositionen. Zudem können Manager von der Tochtergesellschaft in China, aber auch unter bestimmten Voraussetzungen von der Muttergesellschaft
Gibt es in China D&O Versicherungen zum Schutz gegen persönliche Haftungsrisken?
China ist sog. “non-admitted country”. Dies bedeutet, dass eine lokale D&O Policy in China erforderlich ist. Dies wird in der Praxis von dem einen oder anderen Unternehmen noch übersehen, da nur mit ausländischen Master Cover D&O Versicherungen gearbeitet wird. Allein ein deutscher Master Cover würde jedoch im Versicherungsfall in China grundsätzliche keinen Deckungsschutz geben. Ein wichtiger Punkt für die To-Do-List für deutsche CEO's und CFO's in China.
Wir haben über die Haftungsrisiken nach chinesischem Recht gesprochen. Besteht das Risiko, dass das Management in Deutschland persönlich – für Compliance-Verstöße in China – haften könnte?
Compliance-Verstöße in China können bei der Unternehmensleitung in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen persönliche Haftungsrisiken auslösen. Die Unternehmensleitung in Deutschland könnte von der eigenen Gesellschaft – aus chinesischer Sicht ist dies die Muttergesellschaft in Deutschland – auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Für die Aktiengesellschaft in Deutschland gilt, dass der Vorstand ein Überwachungssystem für bestandsgefährdende Risiken der Gesellschaft einrichten muss. Diese Compliance-Pflicht ist nicht auf Deutschland begrenzt, sondern erfasst auch das Auslandsgeschäft der Gesellschaft und damit auch die Tochtergesellschaften in China. Vorstandsmitglieder, die diese Überwachungspflicht verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Ein Urteil des Landgerichts München I hat dies am 10. Dezember 2013 deutlich gemacht.
Was sind die zentralen Aussagen mit Blick auf Auslands-Compliance?
Das LG München I hat am 10. Dezember 2013 u. a. klargestellt: “Gerade das wiederholte Auftreten von Gesetzesverstößen oder zumindest gravierender Verdachtsmomente im Zusammenhang mit Korruptionsfällen im Ausland zeigt, dass das bisherige System nicht ausreicht. Dann aber ist es Aufgabe jedes einzelnen Vorstandsmitglieds und damit auch des Beklagten, im Rahmen seiner Überwachungspflicht darauf hinzuwirken, dass innerhalb des Vorstands ein funktionierendes Compliance-System beschlossen wird.” Nicht überraschend hat das Landgericht auch ausgeführt: “Demgemäß bedeuten grenzüberschreitende Schmiergeldzahlungen eine Gesetzesverletzung, die sich auch nicht aus der Erwägung heraus rechtfertigen läßt, anderenfalls seien wirtschaftliche Erfolge auf korruptiven Auslandsmärkten nicht mehr möglich.” Dem Urteil des Landgerichts liegt kein reiner China-Auslandsbezug zugrunde. Gleichwohl ist es aus rechtlicher Sicht mit Blick auf die Compliance-Pflichten der Unternehmensleitung in Deutschland unerheblich, in welchem Land Korruptionszahlungen gezahlt wurden. Dieses Urteil wird auch auf die Unternehmensleitung in der GmbH ausstrahlen, wobei die aktienrechtlichen Besonderheiten, die diesem Urteil zugrunde lagen, herausgenommen werden müssen. Das Urteil des Landgerichts München zeigt, dass es bereits im eigenen Interesse der Unternehmensleitung ist, die Anforderungen des deutschen Rechts an die eigenen Compliance-Pflichten bei Geschäftsaktivitäten im Ausland, etwa in China, zu identifizieren und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor Haftungsrisiken zu schützen.
Neben den Schadensersatzsrisiken bestehen strafrechtliche Haftungsrisiken nach deutschem Recht, wenn Schmiergeldzahlungen in China erfolgen. Weitere Haftungsrisiken kommen hinzu.
Welche Folgen hat dies für einen CEO/CFO in Deutschland?
Die Unternehmensleitung in Deutschland muss sich mit ihren persönlichen Sorgfaltspflichten nach deutschem Recht mit Blick auf das China-Geschäft vertraut machen. Unter anderem gehört dazu, dass bei der chinesischen Tochtergesellschaft ein wirksames Compliance Management System implementiert und deren wirksame Funktionsweise unabhängig kontrolliert wird. Wenn Compliance-Aufgaben an den Compliance Officer in der Tochtergesellschaft in China übertragen werden, müssen wirksame Gegenkontrollen stattfinden, die sicherstellen, dass die Compliance-Aufgaben auch tatsächlich umgesetzt wurden. Dies erfolgt üblicherweise über Compliance Audits und Business Reviews. Zudem muss Verdachtsfällen nachgegangen werden. Dies ist in der Praxis für Manager in Deutschland bereits aufgrund der fremden Sprache und Entfernung zu China eine enorme Herausforderung.
Was empfehlen Sie einem CEO/CFO in Deutschland mit Blick auf die Compliance-Risiken in China?
Aus meiner Sicht sind drei Überlegungen wichtig.
Erstens: Mit den persönlichen Compliance-Pflichten nach deutschem Recht mit Blick auf das Auslandsgeschäft vertraut machen. Denn Haftungsrisken können sich bereits nach deutschem Recht mit Blick auf Compliance-Verstöße im Ausland, etwa in China, ergeben. Zweitens: Mehr Transparenz im China-Geschäft schaffen durch externe Compliance Audits und Business Reviews – idealerweise jährlich. Dadurch können Risiken identifiziert werden, die ggfs. bisher unbekannt waren. Bleiben Risiken unbekannt, können diese kaum reduziert werden und können ein persönliches Haftungsrisiko darstellen. Wir sehen eine signifikante Zunahme an Compliance Audits und Business Reviews in China. Drittens: Vermeiden Sie den Compliance-Jetlag in China. Wird Compliance von den lokalen Mitarbeitern als unnötige Bürokratie wahrgenommen, könnte Compliance versagen. Zudem droht Ihnen die Innovationsbremse, da Mitarbeiter frustriert werden können. Die Compliance- und Risikomanagement Strategie für China muss daher gut vermittelt werden. Dies ist eine große Herausforderung in China.
Ist es gut, dass deutsche Vorschriften auch auf Compliance-Verstöße im Ausland Anwendung finden? Wie sieht man das in China?
Es besteht wohl ein genereller Trend, dass Compliance-Vorschriften – gerade mit Blick auf Auslandsbestechung – exterritorial anwendbar sind. Dies betrifft nicht nur den US-amerikanischen FCPA, UK-Bribery Act und zum Teil deutsches Recht. Auch die Anti-Korruptionskampagne in China hat dazu geführt, die Auslandsbestechung nach chinesischem Strafrecht zu sanktionieren. Die Bestechung von Beamten außerhalb von China ist strafbar.
Häufig im Einkauf und Vertrieb. Dies ist jedoch sicherlich nicht China-spezifisch, sondern weltweit festzustellen.
Können Sie uns einen typischen Compliance-Fall im Einkauf nennen?
Mitarbeiter im Einkauf der Tochtergesellschaft in China kaufen Produkte von einer Gesellschaft, die ihnen selbst gehört. Diese Scheingesellschaft wiederum erwirbt die Produkte vom tatsächlichen Hersteller. Dadurch werden eigene Margen für den Mitarbeiter auf Kosten des Unternehmens generiert.
Wie kann das passieren?
Gründe sind häufig Schwächen im lokalen Internal Controlling vor Ort. Hinzu kommt, dass vielleicht auf der Ebene der Muttergesellschaft in Deutschland kein wirksames Überwachungssystem besteht, dass auch die Risiken im Ausland im Blick hat.
Welchen Risiken werden dadurch ausgelöst?
Der Einkauf über Scheingesellschaften, die den Mitarbeitern gehören, erzeugt den Fake Supplier und Bad Supplier.
Was ist ein Fake Supplier?
Der Fake Supplier ist das zulieferende Unternehmen, dass dem Mitarbeiter gehört oder vom Mitarbeiter faktisch kontrolliert wird.
Was ist ein Bad Supplier?
Der Bad Supplier ist der Zulieferer, der Produkthaftungsrisiken auslöst. Denn die Zulieferer- und damit Produktauswahl findet nicht mehr im besten Interesse des Unternehmens, sondern im besten Interesse des Mitarbeiters statt.
Die Produktqualität ist ggfs. geringwertiger, als es der Einkauf tatsächlich ermöglichen kann. Damit kann sich für das einkaufende Unternehmen ein Produkthaftungsrisiko ergeben. Dies kann wiederum zu Schadensersatzansprüchen durch Kunden und Produktrückrufen durch den chinesischen Regulator führen. Das Thema Produkthaftung hat in den letzten Jahren in China signifikant an Bedeutung gewonnen. Hinzu kommt das Risiko von Geschäftseinbrüchen. Denn Unternehmen, die gegenüber ihren Kunden den Zertifizierungsnachweis über eine saubere ununterbrochene Lieferkette nicht erbringen können, können diese Kunden verlieren. Dieses Szenario ist jedoch nicht China-spezifisch, sondern besteht sicherlich weltweit.
Wie kann man diese Risiken präventiv in den Griff bekommen?
3 Punkte sind wichtig. Erstens: Es sollte im Unternehmen definiert werden, wie und nach welchen Kriterien in China eingekauft wird. Dabei sollte auch die Frage beantwortet werden, wer die finale Entscheidung über die Auswahl der Zulieferer trifft. Ich sehe gelegentlich in der Praxis, dass das Einkaufsteam die Kandidaten der Zulieferer vorschlägt und ein anderes Gremium diesen Vorschlag prüft und dann final entscheidet. Dies könnte ein gangbarer Weg der Prävention sein. Dieses Thema sollte idealerweise in einer Einkaufsrichtlinie dargestellt werden. Zweitens: Machen Sie sich intensiv mit den Preisen vertraut, da in diesen Szenarien das Preisniveau häufig nicht stimmt. Drittens: Business Partner Checks und rechtliche Supplier Audits regelmäßig durchführen. Dadurch kann das Risiko von Fake Suppliern reduziert werden. Ein Blick in das chinesische Handelsregister zeigt Ihnen, wer der Gesellschafter des Supplier ist und vieles mehr.
Bitte nennen Sie uns typische Compliance-Fälle im Vertrieb.
Compliance-Risiken im Vertrieb stehen häufig im Zusammenhang mit Schmiergeldzahlungen. Ein typisches Szenario ist, dass der Verkäufer seine Kunden “kauft”. Dabei werden Schmiergeldzahlungen an die Mitarbeiter des Kunden getarnt über Serviceverträge gezahlt. Der Verkäufer schließt dabei einen Vertrag mit dem Kunden über den Verkauf der Ware ab. Zudem schließt der Verkäufer einen Servicevertrag mit einer Servicegesellschaft ab. Die Leistungen unter dem Servicevertrag werden jedoch nicht erbracht. Gleichwohl zahlt der Verkäufer das Geld nach dem Servicevertrag an die Servicegesellschaft. Die Servicegesellschaft leitet das Geld an den Mitarbeiter des Kunden weiter. Denkbar ist auch, dass die Servicegesellschaft von dem Mitarbeiter des Kunden und vielleicht auch einem Mitarbeiter des Verkäufers gesteuert wird. Der Vertrieb über Scheingesellschaften ist ein Risiko, dass nicht nur in China, sondern weltweit besteht. Dies sollte man schon hinzufügen. In China wird jedoch gegen diese Vertriebsstrukturen durch den chinesischen Regulator sehr intensiv investigiert und die Unternehmen und Manager sanktioniert. Ein ausländisches Pharmaunternehmen wurde zu einer Geldstrafe von rund EUR 300 Millionen durch ein chinesisches Strafgericht verurteilt. Das Unternehmen war über zwischengeschaltete Reisebüros in signifikante Schmiergeldzahlungen in China involviert, um den Vertrieb anzukurbeln.
Eine klassische Dreiecksbeziehung, die über den Agenten läuft. Gibt es auch Compliance-Risiken im Vertrieb, ohne dass Agenten involviert sind?
Mitarbeiter im Vertrieb wirken darauf hin, dass die Tochtergesellschaft in China ihre Produkte an einen neuen Distributoren bewußt unter Preis verkauft und dieser Distributor dann die Produkte an die Endkunden weiterverkauft. Hier wären die Mitarbeiter direkt oder indirekt beim Distributor involviert und würden ihre eigene Marge zum Schaden der Tochtergesellschaft – d. h. ihres Arbeitgebers – generieren.
In China ist das persönliche Netzwerk noch immer wichtig für den geschäftlichen Erfolg. Daher meine Frage: Gibt es nach chinesischem Recht Wertgrenzen zu Geschenken und Einladungen?
Nach chinesischem Recht bestehen Wertgrenzen für die Strafverfolgung und Verurteilung von Korruption. Diese Wertgrenzen stellen jedoch nicht dar, wann ein Geschenk den Tatbestand der Korruption begründet und wann nicht. Diese Differenzierung wird in der Praxis gelegentlich übersehen. Wichtig ist, dass Strafverfolgungen und
Schützen Facilitation Payments vor Strafe?
Nein.
Wie werden Compliance-Verstöße in China aufgedeckt?
Compliance Audits spielen eine wichtige Rolle. Hinzu kommen die Internal Investigations, die wiederum durch Whistleblower ausgelöst werden.
Worauf müssen deutsche Unternehmen bei einer Internal Investigation in China achten?
Üblicherweise wird die Internal Investigation durch den Whistleblower ausgelöst. Dies erfolgt bspw. über anonymisierte E-Mails. Das betroffene Unternehmen muß sich dann mit einer Reihe komplizierter Themen befassen.
Wichtige Punkte sind insbesondere:
Muss die E-Mail des Whistleblowers beantwortet werden?
Gibt es Vorgaben zur Kommunikation mit dem Whistleblower?
Besteht die Pflicht, eine Internal Investigation durchzuführen?
Welche datenschutzrechtlichen Besonderheiten müssen beachtet werden?
Muss der Regelverstoß via Self-Reporting an die deutschen oder chinesischen Behörden gemeldet werden?
Besteht die Pflicht deutscher und chinesischer Mitarbeiter, die Internal Investigation zu unterstützen?
Müssen Geschäfte mit korrupten Geschäftspartnern beendet werden?
Unternehmen, die keine Kenntnisse über ihre Rechte und Pflichten haben und einfach mit der Internal Investigation loslegen, könnten die Situation sogar verschlimmbessern. Es ist daher wichtig, sich im Fall von Whistleblower Aktivitäten zunächst mit dem rechtlichen Rahmen vertraut zu machen, um persönliche Haftungsrisiken zu reduzieren. Im nächsten Schritt kann ein realitätstaugliches Krisenmanagement entwickelt werden. Deutsche Unternehmen sollten dabei auch das deutsche Recht im Blick haben.
Kommen wir zu den External Investigations. Worauf müssen deutsche Unternehmen in China bei behördlichen Untersuchungen achten?
Behördliche Untersuchungen lassen sich häufig strategisch in 3 Phasen unterteilen. Phase 1 ist der Besuch der chinesischen Beamten vor Ort. Phase 2 betrifft die Beschlagnahme von Unterlagen und die Durchführung von Interviews. Phase 3 stellt den Abschluß der behördlichen Untersuchung dar, die mit Sanktionen verbunden sein kann – aber nicht muß.
Sehen Sie Muster für den Anlaß von behördlichen Untersuchungen in China?
Es gibt sicherlich nicht ein Muster. Dies hängt damit zusammen, dass unterschiedliche Behörden unterschiedliche Investigationsziele verfolgen. Dies kann die Ermittlung von Korruptionsvorgängen sein. Hinzu kommen jedoch auch wettbewerbsrechtliche, steuerliche oder andere Themen wie bspw. Umwelt und Produktsicherheit. Klar ist, dass chinesische Behörden nun auch bei Verstößen gegen Umweltauflagen und Produktsicherheit strikter vorgehen. Also mehr Untersuchungen bei Umwelt und Produktsicherheit.
Was empfehlen Sie?
Es ist wichtig, sich präventiv mit diesem Thema zu befassen, um die Rechte und Pflichten der involvierten Parteien im Fall einer Untersuchung zu verstehen. Dadurch kann bereits sichergestellt werden, dass nicht weitere Haftungsrisiken während der Untersuchung ausgelöst werden. Krisenmanagementpläne können hier helfen.
Zu den Whistleblowern. Welchen Regelungen gibt es zu Whistleblowern in China?
Der chinesische Regulator hat sich mit diesem Thema auseinandergesetzt und entwickelt weiterhin Vorschriften, um Whistleblower zu schützen. Dabei geht es um die Vertraulichkeit des Hinweises, die körperliche Unversehrtheit und um den Schutz der Vermögenswerte des Hinweisgebers. Der chinesische Staat sieht unter bestimmten Voraussetzungen Belohnungen von Hinweisgebern von umgerechnet bis zu ca. EUR 85.000 vor. In Einzelfällen kann die Belohnung sogar höher ausfallen.
Welche Bedeutung hat Compliance mit Blick auf M&A in China?
Compliance hat mit Blick auf M&A signifikant an Bedeutung gewonnen. Due Diligence Prüfungen werden zunehmend durch Compliance-Checks ergänzt, um Haftungsrisiken von vornherein reduzieren zu können.
Ist Compliance eine Herausforderung bei Liquidationen von Tochtergesellschaften in China?
Ich empfehle, dass der Liquidation ein Risk Review vorgeschaltet wird, um vorab sicherzustellen, ob historische Compliance-Risiken die Liquidation erschweren könnten. Compliance-Verstöße, die vom chinesischen Regulator während der Liquidation identifiziert werden, können zu einer Dynamik führen, die für das Management in Deutschland kaum noch kontrollierbar ist.
Ein Risk Review – vor der avisierten Liquidation – kann frühzeitig mögliche Compliance-Risiken identifizieren. Der Risk Review enthält häufig bereits einen realistischen Maßnahmenplan zur Reduzierung der identifizierten Risiken und zum Umgang mit den chinesischen Behörden. Wichtige Prüfungsthemen im Rahmen des Risk Review sind Steuern, Zoll und Umwelt.
Wie sieht eine solide Präventionsstrategie für deutsche Unternehmen mit China-Geschäft aus?
Der Tone from the Top ist sehr wichtig. Hinzu kommen sollte auch ein Tone from the Middle. Denn die Vorbildfunktion durch die lokale Unternehmensführung in China könnte für den chinesischen Mitarbeiter häufig verbindlicher sein.
Präventiv sind auch Standardverträge gegenüber den Geschäftspartnern empfehlenswert. Falls keine Standardverträge durchgesetzt werden können, da die Verhandlungsposition schwach ist, können immerhin Verhandlungsrichtlinen (sog. Negotiation-Guidelines) weiterhelfen. Die Verhandlungsrichtlinie stellt dar, welche Punkte in der Verhandlung aufgegeben werden können und welche Punke möglichst nicht aufgegeben werden sollen (“Must Have”). Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass Mitarbeiter im Einkauf und Vertrieb gegenüber stärkeren Verhandlungspartnern nicht von vornherein alle Punkte aufgeben und sich zumindest auf die “Must Have's” konzentrieren.
Prävention bedeutet auch mehr Transparenz. Wie erfolgen Business Partner Checks in China?
Ja, der Business Partner Check schafft mehr Transparenz. Dabei wird geprüft, ob es das Unternehmen des Business Partners überhaupt gibt, wer dahinter steht und in welchen Geschäftsbereichen das Unternehmen tätig ist. Beispiel: Der Geschäftsbereich von Unternehmen in China, auch von deutschen Tochtergesellschaften mit Sitz in China, ist bei der chinesischen Administration of Industry and Commerce (AIC) registriert. Unternehmen, die außerhalb des registrierten Geschäftsbereichs tätig werden, stellen bereits ein red flag dar. Informationen zu Blacklistings, Sanktionen und weitere Themen kommen hinzu. In der Praxis wird auch geprüft, ob beim Business Partner Mitarbeiter aus dem eigenen Unternehmen involviert sind. Wichtig ist, dass der Business Partner Check compliant durchgeführt wird.
Welchen Trend sehen Sie beim chinesischen Regulator mit Blick auf Compliance in China?
China wird wahrscheinlich den bereits eingeschlagenen Weg weitergehen. Dies bedeutet auch, dass sich Compliance zunehmend auf weitere Rechtsgebiete erstrecken wird. Ich erwarte in der Praxis verstärkte regulatorische Aktivitäten zu den Themen Produktsicherheit und Umwelt.
II. Fazit
Compliance-Risiken im China-Geschäft können nicht nur zu Haftungsrisiken nach chinesischem Recht führen. Hinzu kommen Haftungsrisiken nach deutschem Recht. Dies betrifft insbesondere die persönlichen Haftungsrisiken der Unternehmensleitung in Deutschland. Haftungsrisiken können signifikant reduziert werden durch China-taugliche Maßnahmen der Transparenz, Prävention und durch ein robustes Krisenmanagement. Die Entwicklung und Durchsetzung dieser Maßnahmen muß auf das individuelle Risikoprofil des Unternehmens zugeschnitten sein.
Autor
Philipp Senff ist Rechtsanwalt, Partner und Leiter der Praxisgruppe Compliance bei CMS China. Herr Senff befasst sich seit vielen Jahren mit dem China-Geschäft und gehört zu den führenden Rechtsanwälten für Corporate, Compliance und Risikomanagement in China. Herr Senff ist Herausgeber des im Januar 2018 neu erschienenen Buches “Governance, Risk and Compliance Management in China - Practical Guidance for Executives” (Haufe Verlag, 2018; 520 Seiten). Das Buch wurde von einem Autorenteam von China- und Compliance-Experten unterstützt, u.a. von Stanford Law School, BASF, Commerzbank, Daimler, Jaguar Landrover und Sanofi.