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CB 2020, I
Johnson 
CB 2020, Heft 04, Umschlagteil S. I (I)

Appeasement in Compliance

„Nachgiebigkeit qualifiziert sich nicht als höchste Tugend.“

Abbildung 1

Nach weit verbreiteter Auffassung wird der Begriff „Appeasement“ – etymologisch abgeleitet von „to appease“ (im Deutschen: besänftigen, beschwichtigen, abmildern) – als negativ konnotiertes Synonym für eine Politik nachteilhafter Zugeständnisse, unangemessener Zurückhaltung sowie einem überobligatorischen Entgegenkommen gegenüber Aggressoren verstanden. Eine nachteilhafte Determination erfuhr insbesondere die Appeasement-Politik der britischen Regierung gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland.

Das evidente Scheitern einer neuerlichen Appeasement-Politik manifestiert sich derzeit exemplarisch anhand dem unterwürfigen Verhalten der europäischen Staatengemeinschaft innerhalb des heftig schwelenden Konflikts zwischen den USA und dem Iran: Im Frühjahr 2018 markierte der unilateral erklärte Ausstieg der USA aus der Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm (engl. Joint Comprehensive Plan of Action – nachfolgend: JCPOA) und ein hiermit kausal einhergehendes Wiederaufleben verschärfter Sanktionen gegen den Iran gleichermaßen geopolitische Eskalation als auch vorzeitiges Ende einer vermeintlichen Sternstunde internationaler Diplomatie zur nachhaltigen Beendigung des schwelenden Konflikts um das iranische Atomprogramm. Der einseitige Rückzug der USA als auch die reaktivierten US-amerikanischen Sanktionen qualifizierten sich als Vertragsbruch und mithin rechtswidrig – hinter der normativen Kraft des Faktischen mussten völkerrechtsdogmatische Prinzipien freilich zurücktreten.

Eine Reaktion der europäischen Vertragspartner fiel recht bescheiden aus: Die Aktualisierung der EU-Blocking-Verordnung als europäische Reaktion wurde noch nahezu im selben Atemzug durch die Bemühungen der sog. E3-Staaten (Deutschland, Frankreich und das Vereinigte Königreich) zugunsten eines Fortbestands des JCPOA unterminiert. Vor dem Hintergrund der reaktivierten US-amerikanischen Sanktionen sollte die eigens hierfür im Jahr 2019 gegründete Zweckgesellschaft INSTEX konzeptionell als Bypass für mit dem Iran handeltreibende EU-Wirtschaftsteilnehmer fungieren. Die Wogen des geopolitisch schweren Seegangs vermochte INSTEX aufgrund handwerklicher Unzulänglichkeiten erwartungswidrig indes nicht zu glätten – bei normativer Betrachtung perpetuierte die auf einen Ausgleich bedachte Zweckgesellschaft als zahnloser Papiertiger vielmehr eine extraterritoriale Wirkung der US-amerikanischen Sanktionen gegen den Iran und qualifizierte sich als inzidente Bankrotterklärung zum Nachteil der europäischen Staatengemeinschaft.

Vom transatlantischen Bündnispartner USA konnte dies nur als Zeichen von Schwäche sowie mithin konkludente Einwilligung zur Vornahme weiterer Schritte hinein in eine Eskalationsspirale interpretiert werden: Angesichts des amerikanischen Power Plays bei der Tötung des iranischen Generals Qasem Soleimani am 3. 1. 2020 erscheinen alternative Erklärungsmodelle kaum überzeugend – die zurückhaltenden Reaktionen der europäischen Staaten auf die gezielte Tötung von General Soleimani durch Drohnen reflektierte abermals nicht einmal ansatzweise deren wesensimmanente Völkerrechtswidrigkeit. Einer gewissen Ironie entbehrte es dabei freilich nicht, dass die Drohnenattacke zumindest durch einzelne – jedenfalls nach US-amerikanischer Lesart – sog. Schurkenstaaten öffentlich als „Staatsterrorismus“ bzw. „eklatante Verletzung wesentlicher Grundprinzipen des Völkerrechts“ scharf verurteilt wurde.

Auf globaler Ebene erscheint eine Appeasement-Politik untrennbar mit dem Stigma des Scheiterns bemakelt. Eine Politik unangemessener Zurückhaltung bleibt auch bei Compliance unwiderruflich dem Untergang geweiht. Analog zum Rechtsbewährungsprinzip gilt es daher vielmehr auf compliance-relevantes Fehlverhalten angemessen zu reagieren – eine Nachgiebigkeit qualifiziert sich nicht als höchste Tugend. Ein „Reagieren“ als wesentliches Element eines Compliance-Management-Systems (CMS) ist konzeptionell bereits im gemeinhin anerkannten Compliance-Regelkreis inkludiert – andernfalls mutieren sämtliche Bemühungen zur nachhaltigen Förderung bzw. Gewährleistung von rechts- und regelkonformem Verhalten zur Quadratur des Kreises. Eine Angemessenheit bei der Sanktionierung von compliance-relevantem Fehlverhalten ist freilich alternativlos: Das Kehren mit zu eisernem Besen konterkariert nicht allein nur die Akzeptanz von bzw. für Compliance innerhalb des Unternehmens, sondern dürfte regelmäßig auch vor einer etwaig bemühten Arbeitsgerichtsbarkeit ein jähes Ende finden.

RA David Johnson LL. M. (Stellenbosch) Compliance Officer (Univ.), Pinsent Masons Germany LLP, München.

 
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