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BB 2017, I
Tuengerthal 

Vorsicht für in Österreich aktive Werkunternehmer: 22 Mio. Euro Strafe für einen Werkvertrag

Abbildung 1

In einer Meldung der Wirtschaftskammer Steiermark (WKO) aus Graz vom 9.8.2017 wird mitgeteilt, dass einem österreichischen Unternehmen wegen Vergabe eines Montageauftrags an einen Auftragnehmer aus Kroatien eine 22-Mio.-Euro-Strafe ins Haus steht. Der Strafforderung sei ein Auftrag in einem anderen Unternehmen vorausgegangen, wo nach einer Kesselexplosion rasch ein Neuaufbau notwendig gewesen ist, um großen Schaden für die betroffene heimische Industrie abzuwenden. Als Generalunternehmer habe das betroffene Unternehmen die notwendigen Schweißerarbeiten per Werkvertrag an ein kroatisches Unternehmen übergeben. Im Bericht der WKO wird nachdrücklich kritisiert, dass dieser Werkvertrag in eine Arbeitskräfteüberlassung umgedeutet wurde und daraus ein derart absurdes Strafmaß in Höhe eines Vielfachen des Auftragswerts entstanden sei. Im Ergebnis werden im Bericht ernsthafte Zweifel an der EU-Konformität des österreichischen Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) geäußert.

Ohne dass dem Verfasser die genauen Hintergründe des Verfahrens bekannt sind, ist an dieser Stelle der WKO uneingeschränkt zuzustimmen, dass das österreichische AÜG in verschiedenen Passagen EU-widrig ist. Dazu hat in einer anderen Werkvertragsangelegenheit die Generalanwältin Eleanor Sharpston im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH (Rs. C-586/13) in ihren Schlussanträgen vom 15.1.2015 ungewöhnlich deutlich zu Lasten des österreichischen Staates Stellung genommen. Sie hat nachdrücklich kritisiert, dass es in diesem zunächst in Österreich durchgeführten Verfahren nicht zu einem Vorabentscheidungsersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) an den EuGH gekommen ist. In ihrer Bewertung hat sie das Ergebnis als “zutiefst bedauerlich” bezeichnet und darauf hingewiesen, dass eine Vorlage des VGH rechtzeitig zu dem erforderlichen Hinweis geführt hätte, die Sache zu Gunsten der tätig gewordenen Unternehmen zu entscheiden, “und der Bußgeldbescheid wäre aufgehoben worden”. Stattdessen habe das betroffene Unternehmen jetzt eine erhebliche Geldbuße zu zahlen, die nicht hätte verhängt werden dürfen, da das nach österreichischem Recht geltende Erfordernis einer Beschäftigungsbewilligung für die Arbeitskräfte des tätig gewordenen Unternehmens gegen Anlage 10 der Beitrittsakte von 2003 verstoßen würde.

Die Parallelität beider Fälle liegt darin, dass es jeweils aufgrund der (allein) österreichischen Rechts- und Verwaltungspraxis zu einer Nichtanerkennung des werkvertraglichen Rechtsverhältnisses und damit zu Belastungen der tätig gewordenen Unternehmen gekommen ist. In dem vom EuGH durch Urteil vom 18.6.2015 entschiedenen Fall in der Rs. C-586/13 wurde das Erfordernis der Beschäftigungsbewilligung von den österreichischen Behörden auf § 4 Abs. 2 Nr. 1 AÜG gestützt. Hier ist geregelt, dass Arbeitskräfteüberlassung insbesondere dann vorliegt, wenn die Arbeitskräfte ihre Arbeitsleistung “im Betrieb des Werkbestellers in Erfüllung von Werkverträgen erbringen, aber kein von den Produkten, Dienstleistungen und Zwischenergebnissen des Werkbestellers abweichendes, unterscheidbares . . . Werk herstellen oder an dessen Herstellung mitwirken”.

Im Ergebnis wird hierbei eine werkvertragliche Kooperation zwischen zwei Unternehmen zunächst als solche anerkannt, dann aber aus administrativen Gründen zur besseren Überprüfung und Einschränkung von Werkverträgen wieder aufgehoben, um das Ganze als illegale Arbeitnehmerüberlassung mit behördlichen Sanktionen belasten zu können. Der EuGH ist in seinem Urteil den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston gefolgt und hat eine werkvertragliche Abwicklung anerkannt und infolgedessen die Illegalität der Arbeitnehmerüberlassung abgelehnt.

Für die Praxis deutscher und anderer europäischer Werkunternehmen ist bei einem Tätigwerden in Österreich höchste Vorsicht geboten, solange das österreichischen AÜG noch nicht an das EU-Recht angeglichen ist.

Für den Fall, dass es zu einem Verfahren in Österreich kommt, sollten die betroffenen Unternehmen unbedingt zu erreichen versuchen, dass es zu einer Vorlage an den EuGH kommt. In diesem Zusammenhang sind bei Vorliegen von A1-Entsendebescheinigungen auch die Argumente zusätzlich in das Verfahren einzubringen, die sich nicht nur auf die sozialversicherungsrechtliche Statusbestätigung in der A1-Bescheinigung beziehen, sondern darüber hinaus auf die sich daraus ergebenden Grenzen für die Annahme einer Arbeitnehmerüberlassung.

Prof. Dr. Hansjürgen Tuengerthal ist Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit und Of counsel der Rechtsanwaltssocietät Prof. Dr. Tuengerthal/Andorfer/Greulich/Prochaska, Mannheim.

 
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