Verschärfte Anzeigepflicht für Steuergestaltungen auf EU-Ebene – Unternehmen und Beratern droht neue Haftungsfalle
Die EU-Mitgliedstaaten haben am 13.3.2018 die Vorschläge der Kommission für eine Richtlinie gebilligt, welche so genannte Intermediäre zur Offenlegung grenzüberschreitender potentiell aggressiver Steuergestaltungen zwingt. Die Richtlinie soll ab Juli 2020 gelten und lässt eine erhebliche Belastung befürchten. Die härtere Gangart war ursprünglich von der Kommission im Juni 2017 in einem ersten Entwurf angekündigt worden. Sie soll für alle gelten, die Gestaltungen mit bestimmten spezifischen Merkmalen konzipieren, fördern oder sonst mitwirken. Die Definition des Intermediärs ist weit gefasst und enthält eigentlich keine wesentliche Einschränkung.
Die geplante Richtlinie orientiert sich an bekannten und teilweise seit Jahren etablierten Systemen, beispielsweise dem britischen DOTAS-Regime, geht jedoch teilweise darüber hinaus. Sie ist Teil der Vorschläge der Kommission zur Bekämpfung der Steuervermeidung und zur Förderung der Steuertransparenz. Obwohl dies im Allgemeinen begrüßt wurde, ergeben sich aus den Vorschlägen verschiedene Probleme:
Niedrige Schwelle zur Offenlegungspflicht
Die Schwelle für die Offenlegung ist nicht sehr hoch. Eine Gestaltung muss eines der im Anhang zur Richtlinie aufgeführten Merkmale (Hallmarks) erfüllen. Einige dieser Merkmale wurden mit einem main-benefit-test eingeschränkt. Wenn der Steuerpflichtige üblicherweise einen Steuervorteil oder einen Hauptvorteil der Gestaltung erwarten darf, soll dieser Test erfüllt sein.
Die Verwendung von Merkmalen als Kriterium dafür, ob die Offenlegung erfolgen muss, ist kein neuer Ansatz; er wird seit über einem Jahrzehnt im britischen DOTAS-Regime verwendet. Die Erfahrung dort hat jedoch gezeigt, dass eindeutige Merkmale nötig sind, wann eine Offenlegung erfolgen muss. Dies beruht auf einer klaren Unterscheidung zwischen “normaler” Steuerplanung und Planung, die nach den Worten der Kommission “ein Risiko der Steuerumgehung oder -hinterziehung” darstellt.
Die im Anhang der Richtlinie aufgeführten Kennzeichen sind sehr weit. Während sie teilweise enger sind als ursprünglich angekündigt, wird es noch Raum für Diskussionen geben. Bislang lässt der Wortlaut der Richtlinie nicht immer eine Bestimmung des Regelungsgehalts zu. In Anbetracht des weiten Adressatenkreises ist eine Klarstellung notwendig.
Intermediäre tragen Last der Offenlegung
Die Verantwortung für die Offenlegung liegt primär beim Intermediär; es sei denn, der Intermediär ist aufgrund einer beruflichen Verschwiegenheitspflicht an der Offenlegung gehindert oder es ist kein Intermediär beteiligt. Im Ergebnis gibt es also keine wirkliche persönliche Einschränkung. Der Kreis der Meldepflichtigen umfasst unter anderem Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Finanzberater, Bankangestellte, Treuhänder oder auch Versicherungsvermittler. Die Diskussion, ob und inwieweit Steuerberater von der Meldepflicht befreit werden müssen, wird unter anderem in widerstreitenden Gutachten anerkannter Wissenschaftler geführt. Dies zeigt, dass die Frage wohl nicht leicht zu beantworten ist.
Interessant wird es auch, wenn überhaupt kein Intermediär beteiligt ist. Wird ein Steuerpflichtiger selbst kreativ und gestaltet seine steuerlichen Angelegenheiten in einer “merkmalerfüllenden Art”, so muss er selbst offenlegen. Unternehmen, insbesondere solche mit eigenen Steuerplanern, werden sich daher mit dem Inhalt der Richtlinie auseinandersetzen müssen.
Inhaltlich umfasst die Offenlegung eine Beschreibung des Modells, wobei es sich nicht um ein Modell zur mehrfachen Verwendung handeln muss. Die Beschreibung soll den Sachverhalt darstellen und die steuerliche Wirkung für alle betroffenen Jurisdiktionen erläutern. Ob man auch eine Auskunft vom Finanzamt erlangen kann, ob eine Offenlegung verpflichtend ist bzw. ob eine durchgeführte Offenlegung hinreichend ist, bleibt abzuwarten. Es ist allerdings eher davon auszugehen, dass man sich von Behördenseite zurückhalten wird; man gibt ja das Schwert des Vorwurfs der Nichterfüllung nur ungern aus der Hand. Die offengelegten Informationen werden automatisch zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht.
Strafen für Nichteinhaltung noch offen
Jeder einzelne Mitgliedstaat wird entscheiden, welche Sanktionen auf nationaler Ebene wegen Nichteinhaltung der Richtlinie oder aufgrund einzelstaatlicher Bestimmungen, die aufgrund der Richtlinie erlassen werden, verhängt werden. Daher sind Art und Umfang der Sanktionen in diesem Stadium nicht näher spezifiziert. Die Mitgliedstaaten müssen entscheiden, ob die Sanktionen über Geldstrafen hinausgehen. In den Niederlanden wurde diskutiert, dass ein Naming and Shaming-Ansatz verfolgt wird. Wenn dies eingeführt werden soll, ist es wichtig, dass geeignete Garantien vorhanden sind, um sicherzustellen, dass dies gerecht und nach einem gebührenden Verfahren angewandt wird. In Deutschland hat man vor circa zehn Jahren über eine Bußgeldsanktionierung nachgedacht.
Die Mitgliedstaaten werden nun prüfen müssen, wie die Vorschläge der Europäischen Kommission am besten in nationales Recht umgesetzt werden können. Es ist bemerkenswert, dass die OECD auch verpflichtende Offenlegungsvorschriften für Strukturen prüft, mit denen CRS-Anforderungen (Common Reporting Standard) umgangen und “undurchsichtige Offshore-Vereinbarungen” verwendet werden sollen. Es bleibt auch abzuwarten, ob die Offenlegungspflicht wirklich auf grenzüberschreitende Strukturen beschränkt bleibt. Deutschland hat schon in vergangenen Initiativen über nationale Regelungen nachgedacht, die kein grenzüberschreitendes Element voraussetzten.
Dipl.-Kfm. Tino Duttiné, StB, ist Partner in der Steuerrechtspraxis im Frankfurter Büro von Norton Rose Fulbright. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Beratung von Unternehmen in allen Fragen des deutschen und internationalen Steuerrechts. Sein besonderer Fokus liegt dabei auf projektorientierter Steuerplanung, Beratung bei M&A-Transaktionen, der Optimierung von Konzernsteuern sowie bei strukturierten Finanzierungen und Immobilienakquisitionen.