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Manhart 

Rentenanpassung und Inflation: Zeit zu handeln!

Abbildung 1

Auch Gesellschafter haben ein Recht: Ein Recht auf eine angemessene Eigenkapitalrendite!

“Die Teuerungsrate geht zurück” – so ließ es sich in den letzten Wochen nicht nur bei Zeit online, sondern auch in vielen anderen Medien vernehmen. Und tatsächlich: Nach den Jahren der Hochinflation 2022 und 2023 – diese hatte 2022 in Deutschland einen Höchstwert seit der Wiedervereinigung erreicht – hatte sich zuletzt zunehmende Beruhigung in der Inflationsdiskussion eingestellt. Bis März war der Monatsinflationswert im Vergleich zum Vorjahreswert seit 2021 stetig auf bis zu 2,2 Prozent gesunken. Im Bereich der betrieblichen Altersversorgung wird die hohe Inflation der letzten Jahre für viele Arbeitgeber aber vermutlich erst in diesem, ggf. sogar erst im kommenden Jahr zuschlagen. Und zwar mit einer kräftigen Mehrbelastung. 16,4 Prozent beträgt der Anpassungsbedarf im Mai 2024, bezogen auf die zurückliegende drei-Jahres-Periode. 16,4 Prozent mehr Cashflow-Belastung in der Rentenauszahlung und korrespondierende Effekte in der Rückstellung – nicht nur durch die aktuelle Anpassung, sondern auch die langwirkende Erhöhung von langfristigen Gehaltstrends in der Verpflichtungsbewertung.

Während diese Erhöhung daher für Betriebsrentner den sicherlich lang ersehnten “Schluck aus der Pulle” darstellen wird, könnte es den einen oder anderen Arbeitgeber “ausgepresst wie eine Zitrone” zurücklassen. Arbeitgeber sollten daher die ihnen gegebenen rechtlichen Möglichkeiten gerade jetzt nutzen, um sich vor ggf. existenzbedrohenden Zusatzbelastungen in ohnehin schweren Zeiten zu schützen. Möglichkeiten gibt es hierzu verschiedene:

In der konkreten Anpassungsprüfung kann der Arbeitgeber nachprüfen, ob in der Vergangenheit überobligatorische Rentenanpassungen gewährt worden sind – solche können dann zum anstehenden Anpassungstermin verrechnet werden.

Der Arbeitgeber kann zudem die nach § 16 Abs. 2 BetrAVG gegebene Möglichkeit nutzen und den Anpassungsbedarf alternativ zu der VPI-Methode, also nach der Kaufkraftentwicklung, an der Entwicklung der Netto-Entgelte vergleichbarer Arbeitnehmergruppen messen. Die Umstellung des Prüfungsmodus ist hier jederzeit möglich – allerdings ist die Prüfung für jeden einzelnen Versorgungsberechtigten immer ab Rentenbeginn durchzuführen, was zu Nachweisschwierigkeiten führen kann. Die in der Regel nachgelagerte und geglättete entgelt-tarifpolitische Entwicklung kann zu einer nochmaligen Glättung von Spitzen in der Rentendynamisierung führen.

Die wichtigste, aber sehr sorgfältig zu dokumentierende “Verteidigungsmöglichkeit” ist die Abwägung des Anpassungsbedarfs der Betriebsrentner mit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft. Das BAG erkennt an, dass Rentenanpassungen für Betriebsrentner nicht aus der Unternehmenssubstanz bezahlt werden sollen. Kann eine Rentenanpassung prognostisch nicht aus zukünftigen Erträgen bezahlt werden, darf der Arbeitgeber die Rentenanpassung unterlassen. Zusätzlich zum Substanzschutz spricht die ständige Rechtsprechung werbenden Unternehmen bzw. deren Gesellschaftern für die Übernahme des unternehmerischen Risikos eine angemessene Eigenkapitalrendite zu. Droht daher in dem kommenden Rentenprüfungszeitraum von in der Regel drei Jahren unter Berücksichtigung der Gewährung der fraglichen Rentenanpassungen eine Unterbilanz oder kann dann keine angemessene Eigenkapitalverzinsung gewährt werden, darf die Rentenanpassung unterbleiben.

Die hierzu erforderliche Betrachtung ist auf modifizierter HGB-Basis durchzuführen. Ausgangspunkt ist das im Jahresabschluss festgestellte Ergebnis der Gesellschaft. Betriebswirtschaftlich erforderliche Korrekturen sind vorzunehmen. Das Bundesarbeitsgericht meint hiermit insbesondere, dass außerordentliche Erträge und Verluste, einmalige wirtschaftliche Sondereffekte und Scheingewinne sowie überhöhte Abschreibungen aus dem Jahresergebnis herauszurechnen sind. Auf der bereinigten Ist-Grundlage ist sodann eine integrierte Planungsrechnung für die kommende Prüfperiode aufzustellen.

Wichtig ist bei einer entsprechenden Aussetzung der Rentenanpassung die schriftliche und begründete Mitteilung an die Versorgungsberechtigten. Nur so erlangt der Arbeitgeber durch die unwiderlegliche Vermutung des § 16 Abs. 4 S. 2 BetrAVG rechtliche Sicherheit zu seiner Rentenanpassungsentscheidung. Greift der Arbeitnehmer diese nicht in der gesetzlich festgelegten Frist von drei Monaten an, gilt die Rentenanpassung unwiderleglich als zu Recht unterblieben.

Bei mittel- bis langfristiger strategischer Planung des Arbeitgebers bestehen weitere Möglichkeiten, die Auswirkungen von Inflationsrisiken auf Betriebsrentenverpflichtungen zu begrenzen: Umstellung von Rentenzusagen in Kapital- und Ratensysteme, Nutzung nicht anpassungsverpflichteter Durchführungswege (vgl. § 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG), Umstellung auf eine jährliche 1-%-Anpassung im Rahmen des rechtlich Erlaubten für Anwärter und – ggf. und in engen Grenzen – kollektivrechtlich für Betriebsrentner.

Abschließend: Das Recht der Betriebsrentner auf eine Rentenanpassung soll hier nicht im Grundsatz negiert werden. Der Rentenanpassungsprüfungsanspruch des BetrAVG hat einen guten Grund und die Betriebsrentner hieran ein berechtigtes Interesse. Rechte und berechtigte Interessen haben aber eben nicht nur Betriebsrentner, sondern gerade auch die das Versorgungsrisiko tragenden Arbeitgeber und die dahinterstehenden Gesellschafter.

Jörn Manhart, RA/Counsel, ist Mitglied der Praxisgruppe Arbeitsrecht bei DLA Piper UK LLP. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Beratung von Arbeitgebern, Versorgungseinrichtungen und Produktanbietern in betriebsrentenrechtlichen Fragestellungen gerade auch unter Berücksichtigung von bilanziellen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen.

 
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