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BB 2020, I
Pelke 

Irland und Apple vs. EU-Kommission

Abbildung 1

Nach mehreren Jahren der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Europäischen (EU) Kommission und Irland sowie dem US-Konzern Apple vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) konnte sich die Kommission nicht durchsetzen.

Die von der EU-Kommission als unzulässige staatliche Beihilfe angesehene Steuervereinbarung von Apple in Irland aus den Jahren 1991 und 2007 stellt – entgegen der Auffassung der Kommission – keine ungerechtfertigte staatliche Beihilfe dar, so die Entscheidung des Gerichts (Urt. v. 15.7.2020 –T-778/16 und T-892/16).

Dem Rechtsstreit zugrunde lag ein Beschluss der Kommission aus August 2016. Mit dem Beschluss forderte die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die in dem Rechtsstreit involvierten Apple-Gesellschaften, die Apple Sales International und Apple Operations Europe, auf, einen durch Irland gegenüber den Gesellschaften durch zwei Steuervorbescheide in den Jahren 1991 und 2007 gewährten Steuervorteil auszugleichen. Die EU-Kommission sah den gewährten Vorteil als verbotene Beihilfen im Sinne des Art. 107 Abs. 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) an und Irland müsse daher von den Gesellschaften Körperschaftsteuer in Höhe von rund 13 Milliarden Euro nachfordern.

Das EuG hat den Klagen von Irland sowie der vorgenannten Gesellschaften des Apple-Konzerns gegen den Beschluss der Europäischen Kommission stattgegeben. Das Gericht erklärte den Beschluss der Kommission für nichtig. Grund dafür ist nach dem EuG vor allem, dass es der Kommission nicht gelungen ist, rechtlich zur Überzeugung des Gerichts nachzuweisen, dass eine unzulässige staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV vorliegt. Nach Auffassung des Gerichts hat die Kommission in ihrem Beschluss nicht hinreichend dargelegt, dass die in Rede stehenden Apple- Gesellschaften einen selektiven Vorteil im Sinne dieser Vorschrift von den irischen Steuerbehörden erhalten haben. Nach dem Gericht verfängt die Argumentation der Kommission nicht, dass die im Streit stehenden gewerblichen Einkünfte, die der Apple-Konzern durch Produktverkäufe außerhalb Nord- und Südamerikas erzielt habe, den Niederlassungen der beiden klagenden Gesellschaften zugeordnet werden müssten. Für diese Annahme hätte die EU-Kommission nach dem EuG vielmehr belegen müssen, dass diese Einkünfte der Wertschöpfung entsprachen, die durch die Aktivitäten in den irischen Gesellschaften generiert wurde und nicht Werte darstellten, die vor allem in den USA geschaffen und dort versteuert wurden. Dies gelang der Kommission nicht.

Auch der weitere Vortrag der Kommission, nach dem die irischen Steuerbehörden nicht das gesamte Geschäft der Apple-Töchter hinreichend analysiert, sondern sich nicht sachgerecht auf Angaben von Apple gestützt hätten, um entscheiden zu können, welcher Anteil der Gewinne wo versteuert werden sollte, überzeugte das Gericht bei der Entscheidungsfindung nicht.

Nach dem EuG hat die Kommission überdies nicht ausreichend dargelegt, dass die Steuervorbescheide methodische Fehler aufgewiesen haben, die ursächlich dafür gewesen wären, dass in Irland zu geringe Einkünfte zu versteuern gewesen seien. Die Ausführungen der Kommission, dass die Steuervorbescheide deswegen selektiv gewesen seien, weil sie nicht nach objektiven, für jeden Steuerzahler geltenden Maßstäben erteilt wurden, sondern ausschließlich nach dem Ermessen der irischen Steuerverwaltung, seien ebenfalls nicht zur Überzeugung des Gerichts bewiesen.

Nach Ansicht des Gerichts reichen die von der Kommission in dem Streit aufgeführten Mängel daher insgesamt nicht aus, um das Vorliegen eines Vorteils im Sinne von Art. 107 Abs. 1 AEUV darzulegen.

Auch politisch ist die Entscheidung ein harter Schlag für die EU-Kommission. Nicht nur, dass es bei dem Streit um sehr viel Geld geht. Darüber hinaus muss die Kommission und dieser voran die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager eine empfindliche Niederlage in ihren jahrelangen Streitigkeiten mit einzelnen Mitgliedsländern um Steuerkonditionen für Unternehmen hinnehmen. Die Kommissarin hebt nach einer Pressemitteilung vom 15.7.2020 zu dem Rechtsstreit nochmals besonders hervor, dass alle Unternehmen einen gerechten Steuerbeitrag leisten sollen. Wenn die Mitgliedstaaten bestimmten multinationalen Unternehmen Steuervorteile gewähren, die ihren Konkurrenten nicht zur Verfügung stehen, schade dies dem fairen Wettbewerb in der EU. Dadurch würden insbesondere der öffentlichen Hand und der Allgemeinheit Mittel für dringend benötigte Investitionen – deren Notwendigkeit in Krisenzeiten noch akuter ist – entzogen. Die Kommission hob in diesem Zusammenhang bereits zu früheren Urteilen über die steuerliche Behandlung von Fiat in Luxemburg und Starbucks in den Niederlanden hervor, dass die Mitgliedstaaten zwar die ausschließliche Zuständigkeit für den Erlass ihrer Gesetze zur direkten Besteuerung haben, dabei aber das EU-Recht einschließlich der Vorschriften über staatliche Beihilfen beachtet werden müssen. Gerade letztes war Grundlage und wohl von besonderem Interesse für die EU-Kommission in dem Verfahren gegen Irland und Apple.

Das Gericht ließ sich von der Argumentation und der Würdigung der Kommission nicht überzeugen. Man muss dem EuG zusprechen, dass es die Größe hatte, das europäische Beihilferecht nicht als steuerliches Harmonisierungsmittel anzusehen und einzusetzen, da es dies schlicht nicht ist. Es ist nicht Aufgabe des Beihilferechts, die direkten Steuern in Europa zu harmonisieren und etwaig angenommene “Steuerverschonungen” über das Beihilferecht “auszugleichen”.

Die Entscheidung dürfte jedoch nicht den Abschluss des Rechtsstreites darstellen. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Streit in nächster Instanz vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergeht und es bleibt abzuwarten, ob die Auffassung des EuG und dessen Entscheidung bestätigt werden.

Dr. Christian Pelke, LL.M., RA/FAStR/FAHaGesR, bei Spieker Arens Leiner GbR Rechtsanwälte und Notare, Bielefeld, sowie Dozent an der FHDW Fachhochschule der Wirtschaft gGmbH für Wirtschafts- und Steuerrecht, Rechnungswesen und Controlling.

 
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