Im Blickpunkt
Vor steuerlich abzugsfähigen Verlusten gruselt es dem Steuergesetzgeber, seien sie auch noch so betriebswirtschaftlich begründet, wie die vielfältigen Verlustabzugsbeschränkungen in zahlreichen steuerlichen Vorschriften beweisen. Auch die Diskussion im Rahmen der Corona-Hilfsprogramme, die Verlustverrechnung großzügiger zu gestalten, bestätigt diesen Befund. Umso erstaunlicher ist es, dass im Jahressteuergesetz 2021 die seit diesem Jahr geltende begrenzte steuerliche Abzugsfähigkeit von Totalverlusten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen wegen Verlusten aus Termingeschäften eine Änderung erfahren soll. Obwohl der Bundesrat diese Einschränkung für verfassungswidrig hält und die Abschaffung bereits im Oktober forderte, hatte diese im Finanzausschuss keine Chance, wie der Änderungsantrag der Großen Koalition zum Jahressteuergesetz 2021 zeigt. Lediglich die Grenze der Abzugsfähigkeit von 10 000 Euro wird auf 20 000 Euro angehoben. Dass diese Regelung zu fragwürdigen Ergebnissen führt, zeigt das folgende Beispiel: Ein Anleger erzielt einen Gewinn von 25 000 Euro und erleidet einen Verlust von 50 000 Euro. Nach dem Gesetzesstand 2019 fällt keine Abgeltungsteuer an. Die Neuregelung führt wegen der Verlustverrechnungsbeschränkung von 20 000 Euro zu 5 000 Euro positiven Einkünften, die wiederum 1 250 Euro Abgeltungssteuer nach sich ziehen. Der verbleibende Verlust von 30 000 Euro wird auf das nächste Jahr vorgetragen. Korrespondierende Behandlung von Gewinnen und Verlusten sieht anders aus!
Prof. Dr. Michael Stahlschmidt, Ressortleiter Steuerrecht