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BB 2022, 2483
 

Im Blickpunkt

Abbildung 15

Das LAG Mecklenburg-Vorpommern entschied jüngst zu dem interessanten Umstand der Sittenwidrigkeit einer Arbeitsvergütung innerhalb eines Wirtschaftsgebiets (Urteil v. 26.7.2022 – 5 Sa 284/21). Die Klägerin forderte von der Beklagten weitere Lohnzahlungen. Zur Begründung berief sie sich auf die Sittenwidrigkeit ihres Stundenlohns angesichts der im Wirtschaftsgebiet üblichen Vergütung. Das ArbG und nunmehr auch das LAG sahen das anders. Danach hat die Klägerin keinen Anspruch aus §§ 612 Abs. 2, 138 BGB auf Zahlung der Differenz zu dem Tariflohn. Die (konkludente) Lohnabrede der Parteien ist nicht unwirksam. Das erforderliche auffällige Missverhältnis besteht, wenn es einem Kundigen, ggf. nach Aufklärung des Sachverhalts, ohne weiteres ins Auge springt. Erreicht die Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in dem Wirtschaftszweig üblicherweise gezahlten Tarifentgelts, liegt eine ganz erhebliche, ohne weiteres ins Auge fallende und regelmäßig nicht mehr hinnehmbare Abweichung vor, für die es einer spezifischen Rechtfertigung bedarf. Dasselbe gilt, wenn bei fehlender Maßgeblichkeit der Tarifentgelte die vereinbarte Vergütung mehr als ein Drittel unter dem Lohnniveau, das sich für die auszuübende Tätigkeit in der Wirtschaftsregion gebildet hat, bleibt. Von der Üblichkeit der Tarifvergütung kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehr als 50 % der Arbeitgeber eines Wirtschaftsgebiets tarifgebunden sind oder wenn die organisierten Arbeitgeber mehr als 50 % der Arbeitnehmer eines Wirtschaftsgebiets beschäftigen. Wirtschaftsgebiet ist bei ortsgebunden tätigen Unternehmen regelmäßig der räumliche Bereich, in dem die Betriebsstätte liegt und aus dem der wesentliche Teil des Personals stammt, was die Kammer für den vorliegenden Sachverhalt anschaulich weiter ausführt. In subjektiver Hinsicht verlangt es einer Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen. Dies war jeweils vorliegend nicht gegeben.

Prof. Dr. Christian Pelke, Ressortleiter Arbeitsrecht

 
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