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BB 2021, I
Stiegler 

Erwacht die qualifizierte elektronische Signatur aus dem Dornröschenschlaf?

Abbildung 1

Gemäß § 126a Abs. 1 BGB kann die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, sofern der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügt und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versieht. Formale Bedingung ist daher die sog. qualifizierte elektronische Signatur. Hierbei handelt es sich nach Art. 3 Nr. 12 eIDAS-Verordnung um eine fortgeschrittene elektronische Signatur, die zum einen von einer qualifizierten elektronischen Signaturerstellungseinheit erstellt wurde und zum anderen auf einem elektronischen Signaturzertifikat beruht. Insofern erfordert die Verwendung einer qualifizierten elektronischen Signatur sowohl einen hohen technischen als auch organisatorischen Aufwand. Aufgrund dieser strengen Voraussetzungen führt § 126a BGB und damit die qualifizierte elektronische Signatur in der Praxis eher ein Schattendasein. Anwendung erlangt die qualifizierte elektronische Signatur weitgehend nur im Rahmen des besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA), bei elektronischen Beglaubigungen nach § 39a BeurkG sowie bei der Erstellung elektronischer Rechnungen gemäß § 14 Abs. 3 UStG. Selbst in Bezug auf eine geldwäscherechtlich verpflichtende Identitätsprüfung des Vertragspartners spielt die alternative Möglichkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GwG nur eine untergeordnete Rolle.

Dies könnte sich allerdings schon in naher Zukunft durch das bis Sommer 2021 zu erlassende Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie (DiRUG) spürbar ändern. Am 10. Februar 2021 stellte die Bundesregierung hierzu den entsprechenden Gesetzesentwurf vor. Darin wird im Grundsatz in zweierlei Hinsicht die qualifizierte elektronische Signatur hervorgehoben.

Zum einen soll § 12 HGB geändert werden. Gemäß einem neuen § 12 Abs. 1 S. 2 HGB-E soll die öffentliche Beglaubigung mittels Videokommunikation gemäß § 40a BeurkG-E u. a. für Handelsregisteranmeldungen von Kapitalgesellschaften durch deren vertretungsberechtigte Personen möglich sein. Der diesbezüglich neu einzufügende § 40a Abs. 1 BeurkG-E sieht dabei explizit die Zulässigkeit einer öffentlichen Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur durch eine(n) Notar*in vor. Anders als die Online-Beurkundung einer GmbH-Gründung, die ebenfalls durch das DiRUG ermöglicht werden soll, wird in der Begründung zum DiRUG explizit klargestellt, dass die Anmeldung im Online-Verfahren mittels Beglaubigung einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 HGB-E i.V. m. § 40a Abs. 1 BeurkG-E neben der Anmeldung zur erstmaligen Eintragung des jeweiligen Rechtsträgers auch sämtliche weiteren Folgeanmeldungen für diesen Rechtsträger umfasst, d. h. beispielsweise auch Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen oder Umwandlungsmaßnahmen (Begr. RegE DiRUG, S. 109). Dies würde vor allem dann eine spürbare Erleichterung für die betroffenen Geschäftsführer und Vorstände bedeuten, wenn, wie in der Begründung zum Regierungsentwurf angekündigt, “zeitnah” eine Erweiterung der Online-Beurkundung mittels qualifizierter elektronischer Signatur auch auf spätere beurkundungspflichtige Vorgänge vorgeschlagen werden könnte (Begr. RegE DiRUG, S. 95).

Zum anderen soll generell mit einer Neufassung des § 129 BGB die öffentliche Beglaubigung von Erklärungen in elektronischer Form ermöglicht werden. Gegenwärtig sind solche elektronischen Erklärungen nur möglich, wenn zunächst eine schriftliche Erklärung öffentlich beglaubigt wird, sodann eine öffentlich beglaubigte elektronische Abschrift der Erklärung erstellt und bei dem zuständigen Registergericht eingereicht wird (Begr. RegE DiRUG, S. 174). Die öffentliche Beglaubigung einer elektronischen Signatur durch den Notar erfüllt bisher nicht die Formerfordernisse des bestehenden § 129 BGB. Dies soll sich durch die weitgehende Gleichstellung der beglaubigten qualifizierten elektronischen Signatur mit der beglaubigten Unterschrift in einem neuen § 129 Abs. 1 BGB-E und den neuen §§ 39a, 40a BeurkG-E ändern (Begr. RegE DiRUG, S. 145). Mit § 129 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB-E soll insofern ermöglicht werden, dass das Formerfordernis der öffentlichen Beglaubigung auch durch elektronische Dokumente erfüllt werden kann, wobei die Erklärung in elektronischer Form nach § 126a BGB abgegeben und die qualifizierte elektronische Signatur des Erklärenden von einem/einer Notar*in beglaubigt werden muss. Folglich soll es zwingend einer qualifizierten elektronischen Signatur bedürfen, um sich den Gang zum/zur Notar*in durch eine öffentliche Beglaubigung in elektronischer Form zu ersparen.

In der Praxis bieten die einschlägigen Dienstleister elektronischer Signaturservices derzeit nur vereinzelt auch die Möglichkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur an, was auch daran liegt, dass die entsprechenden Anbieter zwingend einen hinreichenden Qualifikationsstatus von der Bundesnetzagentur verliehen bekommen haben müssen. Dementsprechend sind auch die Kosten für eine qualifizierte elektronische Signatur selbst im Abonnement für den Endkunden durchaus hoch. Da jedoch gerade während der Corona-Pandemie die Sensibilität für physischen Kontakt zu Dritten gestiegen und der Gang zum/zur Notar*in stets mit – im unternehmerischen Bereich naturgemäß knapp bemessener – Zeit verbunden ist, kann die durch das DiRUG entstehende Möglichkeit der öffentlichen Beglaubigung in elektronischer Form mittels einer qualifizierten elektronischen Signatur deren Attraktivität trotz der damit verbundenen Kosten erheblich steigern.

Dr. Sascha Stiegler, LL.M., ist Legal Counsel in Berlin und Lehrbeauftragter für Privatrecht, Gesellschaftsrecht und Arbeitsrecht an der HWR in Berlin sowie der Handwerkskammer in Berlin. Er ist zudem Mitherausgeber des Handbuchs zum Gesellschaftsrecht in Europa und Autor zahlreicher Fachpublikationen zu wirtschaftsrechtlichen Themen.

 
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