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BB 2023, I
Mayer/Jenne 

Digitalisierungsschub – Die virtuelle Versammlung erreicht den Verein

Abbildung 1

Abbildung 2

Hybride Versammlungen dürften bei Vereinen in Zukunft zum Regelfall werden.

Die Corona-Pandemie hat nicht nur unsere Gesellschaft, sondern auch das Gesellschaftsrecht “durchgeschüttelt”. Insbesondere die (Haupt-) Versammlungspraxis von Aktiengesellschaften hatte gleich in der ersten “Corona-Welle” einen umfassenden Digitalisierungsschub erfahren. Das Grundmodell des Aktionärstreffens – die Präsenzversammlung – war faktisch unmöglich geworden. Der Gesetzgeber reagierte rasch und erleichterte im Frühjahr 2020 nicht nur die “Hybridversammlung”, sondern ermöglichte auch die (rein) virtuelle Hauptversammlung – ein aktienrechtliches Novum. Die virtuelle Hauptversammlung hat sich in der Praxis bewährt und folgerichtig auch ihren Weg in das AktG gefunden (vgl. zu den Neuregelungen Mayer/Jenne/Miller, BB 2022, 2946 ff.). Während die virtuelle Hauptversammlung von Beginn an sowohl medial als auch durch eine “Flut” an wissenschaftlichen Beiträgen begleitet wurde, fand die ebenfalls ermöglichte virtuelle Mitgliederversammlung von Vereinen vergleichsweise wenig Beachtung. Auch der Gesetzgeber schenkte dem Grundtypus des Körperschaftsrechts nicht die gleiche Aufmerksamkeit und Priorität. Mehr oder minder stillschweigend liefen die Corona-bedingten Übergangsregelungen für Vereine ohne entsprechende Neuregelungen am 31.8.2022 aus. Erst knapp ein halbes Jahr später hat der Bundestag – ausgehend von einer Initiative des Bundesrates – einen Gesetzesentwurf beschlossen, wonach § 32 BGB um einen neuen Abs. 2 zu virtuellen und hybriden Mitgliederversammlungen ergänzt werden soll. Der Bundesrat hat am 3.3.2023 grünes Licht gegeben. Die neue Regelung ist nach der Veröffentlichung im BGBl. I 2023, 72 am 21.3.2023 in Kraft getreten.

Nach § 32 Abs. 2 BGB n. F. kann der Vorstand (bzw. ein für die Einberufung zuständiges Gremium sowie hierzu gerichtlich ermächtigte Mitglieder) bei der Einberufung vorsehen, dass Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen und ihre Mitgliederrechte ausüben können. Damit sind hybride Versammlungen bei Vereinen – anders als bei der AG – von Gesetzes wegen auch ohne entsprechende Verankerung in der Satzung möglich.

Nicht ganz so einfach ist es bei der rein virtuellen Variante: Die Entscheidung darüber liegt nicht beim Vorstand bzw. dem Einberufenden, sondern bei den Vereinsmitgliedern selbst. Sie können beschließen, künftige Versammlungen auch als (rein) virtuelle Mitgliederversammlungen abzuhalten. In diesem Fall können Mitglieder nicht in Präsenz, sondern ausschließlich im Wege der elektronischen Kommunikation teilnehmen bzw. ihre Mitgliedschaftsrechte ausüben. Der Beschluss über die Einberufung einer virtuellen Versammlung bzw. über die generelle Ermächtigung (in der Regel des Vorstands) muss entweder – außerhalb einer Mitgliederversammlung – einstimmig gefasst werden; im Rahmen einer Mitgliederversammlung, die dann aber noch in Präsenz oder hybrid stattfinden muss, genügt hierfür die einfache Mehrheit. Eine Ermächtigung kann nur für zukünftig stattfindende Versammlungen getroffen werden, nicht hingegen für die Versammlung, in der dieser Beschluss gefasst wird.

Der Begriff der elektronischen Kommunikation umfasst sowohl bei der virtuellen als auch bei der hybriden Versammlung nicht nur die Bild- und Tonübertragung im Wege einer Videokonferenz, sondern beispielsweise auch die Teilnahme per Telefon, Chat oder Abstimmungen per E-Mail. Die konkrete Ausgestaltung des für den Verein jeweils geeigneten elektronischen Kommunikationsmittels überlässt der Gesetzgeber dem Einberufenden, regelmäßig also dem Vorstand. Sie ist – logischerweise – bereits im Rahmen der Einberufung anzugeben. Dabei sind vor allem hinreichend genaue Angaben darüber zu machen, welches elektronische Kommunikationsmittel genutzt wird und wie die Rechtsausübung dabei konkret erfolgen kann. Dadurch wird sichergestellt, dass die Mitglieder genügend Zeit haben, um sich auf die digitale Ausübung ihrer Mitgliedsrechte vorzubereiten.

Dass der Gesetzgeber nunmehr auch im Vereinsrecht explizite Regelungen zu hybriden und virtuellen Mitgliederversammlungen einführt, ist konsequent und zu begrüßen. Gerade für große Vereine mit überregional verteilten Mitgliedern stellt die Neuregelung eine deutliche Erleichterung dar. Ebenso konsequent ist es inhaltlich, hinsichtlich der Voraussetzungen zur Einberufung einer hybriden einerseits und einer virtuellen Versammlung andererseits zu differenzieren. Während die Teilnahmemöglichkeiten im hybriden Format lediglich erweitert werden, wirken rein virtuelle Versammlungen für Mitglieder – besonders wenn sie nicht über die erforderliche technische Ausstattung oder entsprechendes Know-how verfügen – beschränkend. Es ist daher richtig, die rein virtuelle Option grundsätzlich zur Disposition der Mitglieder zu stellen. Letztlich bleibt es den Vereinen unbenommen, die Zulässigkeit hybrider und virtueller Versammlungen in der Satzung zu verankern und insbesondere deren Modalitäten vorzugeben oder aber diese Möglichkeiten generell auszuschließen. In jedem Fall ist Vereinen, die sich für eine hybride oder rein virtuelle Versammlung entscheiden, nach den während der Pandemie gesammelten, teilweise leidvollen Erfahrungen aber dringend anzuraten, die digitale Durchführung nicht auf die leichte Schulter zu nehmen, sondern professionell vorzubereiten.

Dr. Barbara Mayer, RAin/FAinHaGesR, ist Partnerin bei ADVANT Beiten. Sie ist u. a. Herausgeberin eines Handbuchs zur Aktiengesellschaft sowie eines Kommentars zur SE und berät Unternehmen und große Vereine zu allen Fragen des Gesellschafts- und Vereinsrechts sowie im Rahmen von M&A-Transaktionen.

Dr. Moritz Jenne, RA, ist Partner bei ADVANT Beiten. Er berät Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsleiter in den Bereichen Gesellschaftsrecht, Prozessführung und Compliance und ist Autor zahlreicher einschlägiger Fachpublikationen.

 
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