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BB 2024, I
Stahlschmidt 

Die Grundsteuer in NRW – ein Problemfall

Abbildung 1

Grundsteuer – keine zeitgemäße Finanzierung

Als Reaktion auf das Urteil des BVerfG vom 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 mit dem die Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt wurde, hat der Bundesgesetzgeber ein Gesetz zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts auf den Weg gebracht, mit dem das sog. Bundesmodell eingeführt wurde. Zudem wurde eine Länderöffnungsklausel geschaffen, die es den Bundesländern ermöglichte vom Bundesmodell abweichende Regelungen für die Grundsteuer zu treffen. Von dieser Länderöffnungsklausel hat NRW keinen Gebrauch gemacht und das Bundesmodell umgesetzt. Das Bundesmodell ist mit den Attributen an den Start gegangen, dass mit ihm eine “verfassungskonforme, rechtssichere und zeitgemäße Fortentwicklung der Grundsteuer möglich sei. Ferner werde den Kommunen mit der nach diesem Modell durchgeführten Bewertung eine verlässliche Einnahmequelle zur Verfügung stehen. Nicht beabsichtigt sei “eine strukturelle Erhöhung des Grundsteueraufkommens”. Dies wird allgemein als Aufkommensneutralität bezeichnet.

Die Grundsteuerwerte wurden ermittelt und die Grundsteuermessbescheide erlassen. Relativ zügig regte sich Widerstand gegen die Neubewertung, weil sich (wohl unbeabsichtigt) merkwürdige Entwicklungen zeigten. Im Amtsdeutsch heißt es: “Die Ergebnisse der Grundsteuermessbetragsfestsetzungen auf den 1.1.2025 haben gezeigt, dass die auf die verschiedenen Grundstücksarten entfallenden Messbetragsvolumina unter Berücksichtigung der im Bundesmodell grundsätzlich angestrebten Aufkommensneutralität der Grundsteuer von Kommune zu Kommune in unterschiedlichem Umfang zum gesamten Grundsteuermessbetragsvolumen beitragen.” (Drs. 18/9242 v. 14.5.2024, NRW). Tatsächlich läuft es darauf hinaus, dass Gewerbeimmobilien und neue Wohnimmobilien im Vergleich zum alten Grundsteuermessbetrag einen tendentiell niedrigeren Grundsteuermessbetrag nach Bundesmodell erhalten, während alte und ältere Wohnimmobilien eher einen höheren Grundsteuermessbetrag erhalten. Ein Beispiel (tatsächliche Festsetzung) soll dies verdeutlichen:

Wohngebäude gebaut 1848 Messbetrag alt: 18,08 Euro – Messbetrag neu: 28,74 Euro

Wohngebäude gebaut 1981 Messbetrag alt: 56,36 Euro – Messbetrag neu: 63,86 Euro

Wohngebäude gebaut 2010 Messbetrag alt: 249,48 Euro – Messbetrag neu: 133,33 Euro

Die Landesregierung von NRW möchte nun diese Unwucht “einer optionalen Festlegung differenzierender Hebesätze im Rahmen des Grundvermögens bei der Grundsteuer” beseitigen. Diese gesplitteten Hebesätze sollen dazu beitragen, dass Wohnen nicht noch teurer wird. Die Finanzverwaltung NRW hat nun diese gesplitteten Hebesätze pro Gemeinde unter dem Gesichtspunkt der Aufkommensneutralität bekannt gegeben. Das Beispiel weiterentwickelt auf den Standort Düsseldorf, führt zu folgendem Ergebnis:

Messbetrag alt: 368; Messbetrag neu differenziert Wohngrundstück: 298

Wohngebäude gebaut 1848 Grundsteuer alt: 66,53 Euro – Grundsteuer neu: 85,64 Euro

Wohngebäude gebaut 1981 Grundsteuer alt: 207,40 Euro – Grundsteuer neu: 167,95 Euro

Wohngebäude gebaut 2010 Grundsteuer alt: 918,08 Euro – Grundsteuer neu: 397,32 Euro

Dieses Beispiel zeigt, dass eine Lösung, auch mit den gesplitteten Hebesätzen kaum möglich sein wird. Die stark individualisierte Ermittlung nach dem Bundesmodell lässt die Bildung von Gruppen nicht zu. Insoweit mag es in Gänze eine Aufkommensneutralität geben. Der Trugschluss ist, dass Aufkommensneutralität nichts mit der Höhe der Grundsteuer im Einzelfall zu tun hat. Hier lauern noch einige Überraschungen. Die Wohnnebenkosten werden durch die Neuberechnung der Grundsteuer weiter steigen.

Darüber hinaus werden gegen die Einführung der gesplitteten Hebesätze verfassungsrechtliche Bedenken ins Feld geführt. Unabhängig davon ist eins gewiss, nämlich dass die Grundsteuer wieder die Gerichte beschäftigen wird. Der BFH hat in einem AdV-Verfahren über die Grundsteuerwertfeststellung die Beschwerde des Finanzamtes gegen die vom FG gewährte AdV zurückgewiesen – BFH, 27.5.2024 – II B 78/23 (AdV). In Zentrum der Entscheidung der Vorinstanz steht die Überlegung, dass an das zentrale Tatbestandsmerkmal des Bodenrichtwerts im Bundesmodell, da dies typisierend für alle Grundstücksflächen innerhalb einer Bodenrichtwertzone gilt, ohne dass die grundstücksbezogenen Besonderheiten berücksichtigt werden, besonders hohe Anforderungen zu stellen sind, was die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens angeht. Das FG stellt die Ermittlung unter vollständige Kontrolle durch das Gericht. Dies soll für alle Tatbestandsmerkmale die pauschalierend typisierend, auf denen die Berechnung des Grundsteuerwertes beruht, gelten. Mal sehen wie es weitergeht.

Prof. Dr. iur. Michael Stahlschmidt lehrt an der FHDW Paderborn Steuerrecht, Rechnungswesen, Controlling und Compliance und ist Ressortleiter Steuerrecht des Betriebs-Berater und Chefredakteur Der Steuerberater.

 
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