R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
BM - Berater-Magazin
Header Pfeil
 
 
BB 2023, I
Hagel/Wiedmann 

Der Menschenrechtsbeauftragte – Das (noch) unbekannte Wesen der LkSG-Compliance

Abbildung 1

Abbildung 2

“Menschenrechtsbeauftragte – Eine Pflicht der Geschäftsleitung”

Wenn in den vergangenen Jahren von Menschenrechtsbeauftragten die Rede war, dann zumeist von den Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen (im Bundesministerium der Justiz – BMJ) oder für Menschenrechtspolitik (im Auswärtigen Amt). Seit Juli 2021 findet man den Menschenrechtsbeauftragten im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) und seit 1.1.2023 in manchem Unternehmen mit mindestens 3000 Beschäftigten. Im März 2023 fand der Menschenrechtsbeauftragte das Interesse des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), als dieses mehr als 70 größere Unternehmen anschrieb, um sich nach dem Menschenrechtsbeauftragten zu erkundigen. Trotz des gestiegenen Interesses bei Unternehmen und Behörden scheint der Menschenrechtsbeauftragte als Wesen unbekannt und ist von einigen Mythen umgeben.

Mythos 1: Er wird empfohlen, zwingend ist er nicht.

Das Gesetz scheint klar, wenn es in § 4 Abs. 3 LkSG fordert: “Das Unternehmen hat dafür zu sorgen, dass festgelegt ist, wer innerhalb des Unternehmens dafür zuständig ist, das Risikomanagement zu überwachen, etwa durch die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten.” Das liest sich in der Literatur dann so: “. . . nicht zwingend . . .”. Beim Unternehmer kommt an: “Brauchen tut man ihn nicht.” Wie so oft: Wer lesen kann, ist klar im Vorteil, oder wie der Jurist sagt: “Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung:” Man braucht ihn zwingend, nur muss man ihn nicht zwingend so (Menschenrechtsbeauftragter) nennen.

Mythos 2: Wenn wir ihn brauchen sollten, dann jedenfalls noch nicht jetzt!

Unternehmen meinen, die logische Abfolge der Sorgfaltspflichten muss sein, zuerst das Risikomanagementsystem aufzubauen, bevor jemand benannt werden muss, es zu überwachen. Also, zunächst Risiken analysieren, eventuell Präventionsmaßnahmen einleiten und Grundsatzerklärung abgeben, zudem, falls erforderlich, Abhilfemaßnahmen ergreifen, in jedem Fall ein Beschwerdesystem einrichten und alles kontinuierlich dokumentieren. Sodann kann mit der Überwachung durch den Menschenrechtsbeauftragten sinnvollerweise begonnen werden, so die Interpretation. Tatsächlich kennt das LkSG eine sequentielle Erfüllung der Sorgfaltspflichten aber lediglich hinsichtlich der Präventions- und Abhilfemaßnahmen, die erst nach Identifizierung eines Risikos (Präventionsmaßnahmen) bzw. nach der Feststellung einer unmittelbar bevorstehenden oder bereits eingetretenen Verletzung (Abhilfemaßnahmen) umgesetzt werden müssen. Die anderen Sorgfaltspflichten (Risikomanagement, Festlegung eines Zuständigen, Risikoanalyse, Beschwerdeverfahren und Dokumentation) sind hingegen mit Inkrafttreten des Gesetzes zu etablieren oder zu starten. Das gilt auch für die Benennung des Menschenrechtsbeauftragten. Konsequenterweise verschickte das BAFA bereits am 7.3.2023 Bescheide an “im Rahmen des risikobasierten Ansatzes” ausgewählte Unternehmen und bat unter Fristsetzung um Auskunft zur Bestellung eines Menschenrechtsbeauftragten, gern “ressourcenschonend per E-Mail”.

Mythos 3: Zusätzliches Headcount-Budget haben wir nicht, eine Ausbildung braucht er nicht: Dann macht das jemand nebenher.

Qualifikationsmerkmale des Menschenrechtsbeauftragten nennt das LkSG ebenso wenig wie eine funktionale Heimat. Welchen Aufwand die Überwachung des LkSG-Risikomanagements mit sich bringt und wie das konkrete Aufgabenprofil des Menschenrechtsbeauftragten aussehen soll, können Unternehmen dem knappen Gesetzestext nur schwer entnehmen. Das führt dazu, dass Pro-forma-Menschenrechtsbeauftragte benannt werden, denen die Zuständigkeit im Nebenjob buchstäblich übergestülpt wird, ohne ihnen eine Ausbildung zukommen zu lassen oder Ressourcen zur Verfügung zu stellen (Budget, Tools, Beratung). Das wäre allerdings nicht “compliant”. Die Geschäftsleitung trifft die Pflicht, einen geeigneten und kompetenten Menschenrechtsbeauftragten auszuwählen (und zu benennen) und ihn aus- und weiterzubilden (lassen). Hierauf hat auch bereits das BAFA als zuständige Behörde in seiner Handreichung zur Angemessenheit hingewiesen und ausgeführt, dass zur Sicherstellung der Erfüllung der Sorgfaltspflicht der Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten auch die Sicherstellung der notwendigen Expertise des Benannten gehört.

Mythos 4: Der Menschenrechtsbeauftragte ist auch zuständig für das Beschwerdeverfahren.

Es sei doch offensichtlich, dass die Person, die sich um Menschenrechte kümmert, auch für die entsprechenden Beschwerden zuständig sein müsste. Richtigerweise sollte es einen Beschwerdebeauftragten geben, der die menschenrechtsbezogenen Hinweise bearbeitet und untersucht. Dieser sollte auch entsprechend geschult sein, um die menschenrechtsspezifischen Verletzungen, insbesondere bei vulnerablen Gruppen, zu erkennen und einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Aber auch diese Aufgabe gehört zum Überwachungsbereich des Menschenrechtsbeauftragten, weswegen es sich naturgemäß ausschließt, dass er sich selbst überwacht.

Fazit:

Die Liste der Mythen ließe sich fortführen. Eines sollte jedoch klar sein: Die Festlegung der betriebsinternen Zuständigkeit für die Überwachung des LkSG-Risikomanagements ist eine eigene Sorgfaltspflicht unter dem LkSG. Ihre Erfüllung ist originäre und nicht delegierbare Aufgabe der Geschäftsleitung. Die Nichterfüllung ist bußgeldbewehrt und das BAFA ist schon aktiv kontrollierend. Statt sich in Ausreden zu flüchten, hat die Geschäftsleitung zu handeln: Menschenrechtsbeauftragten ernennen, aus- und fortbilden, mit den notwendigen Ressourcen ausstatten und sich regelmäßig informiert halten.

Dr. Ulrich Hagel, RA, (li), ist seit 1994 als Rechtsanwalt zugelassen. Seit über 25 Jahren ist er zudem Unternehmensjurist eines global agierenden Konzerns. Sein Schwerpunkt liegt in den Bereichen Dispute Resolution und Compliance. Zudem ist er Akademischer Direktor an der ESCP Business School in Berlin und Leiter des Arbeitskreises Compliance des Verbandes der Bahnindustrie in Deutschland (“VDB”).

Michael Wiedmann, RA, (re), ist seit 1992 als Rechtsanwalt zugelassen. Er berät Unternehmen beim Aufbau und Implementierung von Compliance Management Systemen mit einem Schwerpunkt auf dem LkSG. Zudem ist er Akademischer Direktor an der ESCP Business School in Berlin und Co-Leiter des Arbeitskreises Menschenrechte beim Deutschen Institut für Compliance (“DICO”).

 
stats