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BB 2019, I
Brammsen/Apel 

Das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) ist da – jetzt fängt die Arbeit erst an

Abbildung 1

Abbildung 2

Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist seit jeher janusköpfig: Der großen wirtschaftlichen Bedeutung geheimer Techniken und Informationen für Unternehmen, die der Konkurrenz unbekannt sind, steht das rechtliche Problem gegenüber, dass geheimes Wissen schwer zu bestimmen und zu schützen ist. Diese Janusköpfigkeit prägte die bisherige rechtliche Ausgestaltung des deutschen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisschutzes: Geregelt in den lauterkeitsstrafrechtlichen Tatbeständen der §§ 17–19 UWG, entfalteten sie zunehmend Bedeutung im zivilistischen Deliktsrecht (§§ 823 Abs. 2, 826 BGB; § 3a UWG).

Vor diesem Hintergrund wurden große Hoffnungen in die Harmonisierungsbemühungen des EU-Gesetzgebers zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gesetzt. Das Ergebnis war die Geschäftsgeheimnis-RL 2016/943/EU vom 8.6.2016. Diese hat den Schutz von Geschäftsgeheimnissen primär zivilrechtlich ausgestaltet und an sog. “echte” Immaterialgüterrechte angeglichen, jedoch kein absolutes Recht am Geschäftsgeheimnis zuerkannt und zusätzliche Geltungsschranken sowie Schutzausnahmen eingezogen (Art. 3 ff. Richtlinie). Kompetenziell bedingt hatte der EU-Gesetzgeber nicht den Mut, den Geschäftsgeheimnisschutz per Verordnung zu regeln. Am EU-typischen “Flickenteppich” von (hier: auf Mindestniveau) teilharmonisierten nationalen Regelungen wird also weiter geknüpft.

Dieses mutlose Vorgehen wurde seitens des deutschen Gesetzgebers noch übertroffen. Erst gut neun Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist (9.6.2018) verabschiedete der Bundestag nach langwierigen Diskussionen am 21.3.2019 das “Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung” (GeschGehG). Der Bundesrat verzichtete am 12.4.2019 darauf, den Vermittlungsausschuss anzurufen, sodass das GeschGehG nach erfolgter Ausfertigung am 25.4.2019 verkündet werden (BGBl. I 2019, 466) und am 26.4.2019 in Kraft treten konnte.

Damit endet jene Phase, in der die strafrechtlichen §§ 17 ff. UWG im zivilrechtlichen Kontext – ungeachtet bestehender grundrechtlicher Bedenken (Eigentum!) – europarechtskonform auszulegen waren (Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 37. Aufl. 2019, § 17, Rn. 3e; krit. Brammsen, wistra 2018, 449, 450 f.). Gleichwohl drohen gewichtige Rechtsverluste. Richtlinie (Art. 2 Nr. 1 lit. c) wie GeschGehG (§ 1 Abs. 1 lit. b) schützen Geschäftsgeheimnisse abweichend vom bisherigen deutschen Recht nur, wenn diese geheim, von kommerzieller Bedeutung und außerdem durch angemessene Schutzmaßnahmen technischer, organisatorischer oder rechtlicher Art (vgl. BT-Drs. 19/4724, S. 24) gesichert sind. Was angemessen ist, kann nur der Einzelfall zeigen. Aber nach welchen Maßstäben (Anregungen: Voigt/Herrmann/Grabenschröter, BB 2019, 142)? Ob Versuche, die Schutzvoraussetzung “kleinzuschreiben” (Harte-Bavendamm, in: FS Büscher, 2018, 311, 316 ff.), verfangen, bleibt abzuwarten. Unternehmen sollten jedenfalls den Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse systematisieren, konkretisieren, kontrollieren und dokumentieren. Überall aber lauern Fallstricke: Es ist z. B. fraglich, ob “zahnlose” Vertraulichkeitsvereinbarungen ohne Vertragsstrafebewehrung eine angemessene Schutzmaßnahme wären (Apel/Walling, DB 2019, 891, 895).

Auch an anderer Stelle droht Gefahr: Erstmals wird der Schutz von Hinweisgebern (“Whistleblower”) in Deutschland etabliert. § 5 Nr. 2 GeschGehG stellt die Erlangung, Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses tatbestandslos, wenn dies “zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung oder eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens [!]” erfolgt und “geeignet ist, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen”. Diese Freistellung ist sehr weitgehend, da jenseits jeglicher praktischen Konkordanz und Interessenabwägung “eignungszentriert” ggfs. sogar Hinweise aus Rache oder anderen, wenig edlen Motiven tragend. Auch das “Reverse Engineering”, das Ableiten von Geheimnissen aus dem Beobachten oder der Dekonstruktion eines Produkts (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG), wird rein “sachbezogen” grundsätzlich erlaubt. Vertraglich abweichende Regelungen sind zwar zulässig, nicht aber in AGB, da die innovationsfördernde Freiheit des “Reverse Engineering” Leitbild des GeschGehG ist (Apel/Walling, DB 2019, 891, 896; Leister, GRUR-Prax 2019, 175, 176).

Bei den Rechtsfolgen bekommt der Geheimnisinhaber das volle Arsenal immaterialgüterrechtlicher Ansprüche, insbesondere auf Unterlassung (§ 6 GeschGehG) und Schadensersatz (dreifache Schadensberechnung wie sonst auch, § 10 GeschGehG). Wie man diesen berechnet, weiß freilich immer noch niemand (vgl. aber Nestler/Böhm, GRUR-Prax 2018, 181).

Spannend sind die neuen Bestimmungen zum Geheimnisschutz im Zivilprozess (§§ 15 ff. GeschGehG). Auch wenn der Gesetzgeber sich noch nicht zu einem in camera-Verfahren durchringen konnte, sind diese ein erster Schritt in eine zu erwägende Richtung (krit. Druschel/Jauch, BB 2018, 1798). Zu hoffen bleibt auch, dass die Länder von der Konzentrationsermächtigung (§ 15 Abs. 3 GeschGehG) für “Geschäftsgeheimnissachen” (§ 16 Abs. 1 GeschGehG) Gebrauch machen werden.

Es zeigt sich: Das GeschGehG hält zahlreiche klärungsbedürftige Fragen bereit, die baldiger Abstimmung und Präzisierung bedürfen (Brammsen, BB 2018, 2446). Wie so oft, gilt auch hier: Mit dem Inkrafttreten eines neuen Gesetzes fängt die Arbeit erst an. Es ist genug für alle da.

PD Dr. Joerg Brammsen (li.) ist PPC und Privatdozent an der Universität Bayreuth. Seine Schwerpunkte liegen im Gesellschafts-, Straf- und Wirtschaftsrecht, insbesondere im Geheimnisschutz, Kapitalmarkt-, Werbe- und Wirtschaftsstrafrecht. Er ist Mitherausgeber des vss. im Dezember 2019 im dfv, Fachmedien Recht und Wirtschaft, erscheinenden Kommentars zum GeschGehG.

Dr. Simon Apel (re.) ist Rechtsanwalt im Bereich Gewerblicher Rechtsschutz, IT-Recht und Litigation bei SZA Schilling, Zutt & Anschütz, Mannheim, und Lehrbeauftragter an der Universität Mannheim. Er ist Mitherausgeber des vss. im Dezember 2019 im dfv, Fachmedien Recht und Wirtschaft, erscheinenden Kommentars zum GeschGehG.

 
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