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02.01.2006
: Die Entwicklung des österreichischen Außensteuerrechts im Jahr 2005

Das österreichische Steuerrecht und dabei vor allem das Außensteuerrecht unterlag im Jahr 2005 zahlreichen Änderungen. Auslöser war zum Teil die Osterweiterung der EU. Diese birgt für Österreich in besonderem Maße Chancen und Risiken. Vor dem Hintergrund des von einigen der neuen EU-Mitgliedstaaten betriebenen Steuerdumpings sollen die jüngsten Steueränderungen die internationale Wettbewerbfähigkeit Österreichs stärken. Die dazu umgesetzten Maßnahmen sind in jedem Fall geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen, nämlich neue Investitionen aus dem Ausland nach Österreich zu lenken und zugleich eine Abwanderung bestehender Unternehmensniederlassungen ins Ausland zu verhindern.

02.01.2006
: Steuerliche Fallstricke bei einer gewerblichen U.S. Investition

I. EinleitungDer Einstieg in den U.S. Markt, wie er sich in der Praxis häufig darstellt, wirft eine Reihe von U.S. steuerlichen Fragen auf. Ausgehend von diesen Fragen ergibt sich regelmäßig die Notwendigkeit, sich auch mit dem Thema der Rechtsformwahl zu beschäftigen; die Rechtsformwahl ist auch aus der Sicht des deutschen Steuerrechts von erheblicher Bedeutung. Die Besteuerungsfolgen sowohl in den USA als auch in Deutschland hängen maßgeblich davon ab, wie der Einstieg in den amerikanischen Markt gestaltet wird. Die richtige Weichenstellung zu Beginn der Aktivitäten in den USA kann interessante Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen.II. Entwicklung eines Investments in den USA - Betriebstättenfalle?Beim ersten Einstieg in den amerikanischen Markt werden regelmäßig noch keine Weichen für eine langfristige Steuerplanung gestellt. Begonnen wird zunächst mit einer Vertriebs- oder Montagetätigkeit in den USA, ohne dass eine Betriebsstätte begründet wird. Mit der Ausweitung desGeschäfts werden dann möglicherweise Vertreter engagiert, die zunächst unabhängig tätig sind, im weiteren Verlauf der erfolgreichen Geschäftsausweitung jedoch abhängig im Sinne des Steuerrechts werden. Irgendwann ist dann der Punkt erreicht, an dem steuerliche Anknüpfungspunkte in den USA geschaffen werden, die denen einer Betriebsstätte vergleichbar sind (active trade or business + U.S. effectively connected income). Selbst wenn dann noch keine Betriebsstätte im Sinne des DBA USA-Deutschland (1989) gegeben ist, sind infolge des in den USA allgemein geltenden Selbstveranlagungsverfahrens bereits Erklärungspflichten in den USA zu beachten. Die Nichteinhaltung dieser Pflichten kann bereits zu erheblichen Geldbußen führen. Darüber hinaus entstehen in der Anfangsphase typischerweise Verluste, deren Geltendmachung in späteren Jahren voraussetzt, dass sie auch in den Steuererklärungen enthalten sind. Bereits im Frühstadium des Einstiegs in den amerikanischen Markt ist daher die Abgabe von Steuererklärungen sinnvoll. Dies soll anhand des folgenden Beispiels verdeutlicht werden:Die A-GmbH beginnt den Vertrieb eigener Produkte in den USA im Jahr 01. Die Aktivitäten führen insgesamt zu einem Verlust von 50. Im Jahr 2002 wird der Vertrieb ausgeweitet, so dass nach U.S. Kriterien eine steuerliche Betriebsstätte in den USA entsteht. In diesem Jahr ist das Ergebnis ausgeglichen. Im Jahr 2003 werden die Anstrengungen im amerikanischen Markt ausgeweitet; auch nach den Kriterien des DBA USA-Deutschland (1989) wird eine Betriebsstätte begründet. Der Verlust im Jahr 2003 beträgt 400. Im Jahr 2004 wird erstmals eine U.S. Steuererklärung abgegeben. Die Übersicht zu den Ergebnissen ist wie folgt:Da die A-GmbH im Jahr 2001 noch keine U.S. Betriebsstätte nach nationalem Recht begründet, besteht keine U.S. Steuererklärungspflicht. Diese wird jedoch wegen der Begründung einer Betriebsstätte in den USA nach U.S. Steuerrecht im Jahr 2002 begründet, obwohl das Besteuerungsrecht nach dem DBA USA-Deutschland (1989) im Jahr 2002 noch immer bei Deutschland liegt. Bei Nichtabgabe der U.S. Steuererklärung zur Geltendmachung des DBA-Schutzes (treaty based return position) kann es insbesondere zur Festsetzung von erheblichen Geldbußen kommen (bis zu $ 10 000 pro fehlender Erklärung); die Erklärungsfrist beträgt maximal 18 Monate und beginnt mit dem Ende des Steuerjahres. Der Lauf der Festsetzungsfrist beginnt erst mit Abgabe der Erklärung. Die Ausführungen zum Jahr 2002 gelten erst recht auch für das Jahr 2003, in dem auch nach den Kriterien des DBA USA-Deutschland (1989) eine Betriebsstätte begründet wird - das Besteuerungsrecht mithin in den USA liegt. Die Nichtabgabe der U.S. Steuererklärung hat in diesem Jahr noch den zusätzlichen Nachteil, dass die steuerliche Berücksichtigung der Betriebsausgaben in den USA gefährdet wird. Statt eines steuerlichen Verlustes von 400 kann es im ungünstigsten Fall zu einer Besteuerung von 300 auf Bruttobasis kommen. Nur bei Abgabe einer Erklärung wird auch sichergestellt, dass der Verlust von 400 im Jahr 2003 als Verlustvortrag in späteren Jahren nutzbar ist. Die generelle Empfehlung ist, bereits im Frühstadium der U.S. Aktivitäten (im Beispiel also im Jahr 2001) eine Steuererklärung abzugeben (Protective Filing). Damit wird das Risiko einer Geldbuße sowie anderer Nachteile vermieden, ohne dass die nicht immer leicht zu klärende Frage einer Betriebsstättenbegründung nach U.S. Steuerrecht abschließend geklärt werden muss. Damit wird auch der Lauf der Festsetzungsfrist sichergestellt. Ansonsten behält der Internal Revenue Service (IRS) ein zeitlich unbegrenztes Besteuerungsrecht.Wenn die A-GmbH der beschriebenen Empfehlung entsprechend handelt, wird damit in dem Beispiel zwar die generelle steuerliche Nutzbarkeit des Verlustvortrages sichergestellt. Ein weiteres Problem kann sich dann jedoch daraus ergeben, dass die A-GmbH im Jahr 2006 beginnt, das inzwischen gewachsene U.S. Geschäft auf eigene rechtlich verselbstständigte Füße zu stellen; das könnte die Fortführung der Aktivitäten in einer gesonderten U.S. Gesellschaft bedeuten. Hier stellt sich dann die Frage, ob die Verlustvorträge auch auf der Ebene einer neuen rechtlichen Einheit nutzbar bleiben. Die steuerlichen Probleme, die diese Frage aufwirft, könnten vermieden werden, wenn bereits zu Beginn der Tätigkeit im Jahr 2001 die richtigen Weichen gestellt werden. Eine wichtige Weichenstellung ist dabei die Entscheidung zwischen einer Personengesellschaft und einer Körperschaft als operativer U.S. Einheit, wobei im Rahmen dieses Beitrages die Aspekte, die aus hybriden Strukturen resultieren, nicht erörtert werden sollen. Nicht eingegangen wird zudem auf Aspekte der Nachlassbesteuerung. In dieser Hinsicht sei nur darauf hingewiesen, dass die Einschaltung einer deutschen Kapitalgesellschaft bzw. einer deutschen Gesellschaft, die nach U.S. Steuerrecht als Kapitalgesellschaft behandelt wird, zur Vermeidung von U.S. Nachlasssteuern von Vorteil sein kann.III. Steuerliche Aspekte bei der Wahl der Rechtsform in den USA - Fremdfinanzierungsfalle?Die steuerlichen Folgen, die an die Rechtsform in den USA geknüpft sind, hängen teilweise auch davon ab, welche Rechtsform in Deutschland besteht. Die folgende Darstellung unterscheidet darum die Alternative, dass die 100 %-ige Beteiligung in den USA direkt durch eine deutsche GmbH gehalten wird, von der, dass die Beteiligung durch eine deutsche mitunternehmerische KG gehalten wird, bei der natürliche Personen Mitgesellschafter sind. Auf hybride Strukturen wird - wie bereits erwähnt - nicht eingegangen. Die deutsche GmbH wird folglich auch nach U.S. Steuerrecht als Kapitalgesellschaft behandelt und die deutsche KG als Personengesellschaft. Des Weiteren wird angenommen, dass die Gesellschafter der GmbH bzw. der KG allein in Deutschland ansässig und »nonresidents« in den USA sind. »Nonresident« in den USA bedeutet, dass keine unbeschränkte U.S. Steuerpflicht aufgrund eines Aufenthalts in den USA, einer U.S. Greencard oder einer U.S. Staatsbürgerschaft besteht.1. U.S. PersonengesellschaftWenn U.S. Gewinne auf der Ebene einer U.S. Personengesellschaft generiert werden, unterliegen diese einer Besteuerung mit einem Steuersatz von 15-35 % (Federal Income Tax). Hinzu kommt die State and Local Tax, die davonabhängig ist, in welchem Bundesstaat die Gewinne besteuert werden. In Deutschland werden die Gewinne mit Progressionsvorbehalt freigestellt (Art. 7 Abs. 1 i.V. m. Art. 23 Abs. 2 des DBA USA-Deutschland (1989)). Wenn die Beteiligung durch eine deutsche GmbH gehalten wird, wirkt sich der Progressionsvorbehalt nicht aus.Entnahmen aus der U.S. Personengesellschaft werden in den USA nicht besteuert, wenn die Beteiligung durch eine KG gehalten wird. Bei Beteiligung einer GmbH unterliegen die Entnahmen einer 5 % Quellensteuer (Branch Profit Tax). In Deutschland erfolgt keine Besteuerung.Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der U.S. Personengesellschaft werden in den USA besteuert. In Deutschland sind die Gewinne steuerfrei mit Progressionsvorbehalt (Art. 13 Abs. 3 i.V. m. Art. 23 Abs. 2 des DBA USA-Deutschland (1989)).Hinsichtlich der Finanzierung eines deutschen Gesellschafters in der Rechtsform der KG, der seine Beteiligung an der U.S. Personengesellschaft fremdfinanziert hat, ergibt sich, dass die Fremdfinanzierungsaufwendungen grundsätzlich weder in den USA noch in Deutschland steuerlich abzugsfähig sind. In Deutschland folgt die Nichtabzugsfähigkeit aus der Zuordnung der Aufwendungen zu den nach dem DBA steuerfreien Einnahmen (Sonderbetriebsausgaben). Ist der deutsche Gesellschafter eine GmbH, ist der Fremdfinanzierungsaufwand in Deutschland zwar ebenfalls nicht abzugsfähig; im Idealfall kann jedoch ein voller Zinsabzug bei der Besteuerung in den USA berücksichtigt werden.2. U.S. KapitalgesellschaftWenn U.S. Gewinne auf der Ebene einer U.S. Kapitalgesellschaft generiert werden, unterliegen diese ebenfalls einer Besteuerung mit einem Steuersatz von 15-35 % (Federal Tax). Hinzu kommt die State and Local Income Tax, die davon abhängig ist, in welchem Bundesstaat die Gewinne besteuert werden. In Deutschland werden die Gewinne steuerlich nicht erfasst.Dividenden der U.S. Kapitalgesellschaft unterliegen in den USA einer Quellensteuer von 15 %, wenn Gesellschafter eine KG ist, und von 5 %, wenn Gesellschafter eine GmbH ist. Bei den Gesellschaftern der KG unterliegen die Dividendeneinkünfte dem Halbeinkünfteverfahren, wobei die Quellensteuer anrechenbar ist. Gewerbesteuerlich greift auf der Ebene der KG das Schachtelprivileg (§§ 7 Satz 4, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG). Bei einer deutschen GmbH als Gesellschafter sind die Dividendeneinkünfte nach § 8 b Abs. 1 KStG steuerfrei. Nach § 8 b Abs. 5 KStG sind 5 % der Bezüge als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln. Gewerbesteuerlich ergibt sich eine entsprechende Freistellung des Ertrages durch §§ 7 Satz 1, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG.Gewinne aus der Veräußerung der Beteiligung an der U.S. Kapitalgesellschaft werden in den USA nach Art. 13 Abs. 5 des DBA USA-Deutschland (1989) grundsätzlich nicht besteuert (Ausnahme: U.S. Real Property Holding Corporation). In Deutschland unterliegt der Veräußerungsgewinn der Besteuerung nach dem Halbeinkünfteverfahren, wenn die Beteiligung durch eine KG gehalten wird (die hälftige Erfassung der Gewinne erfolgt nach § 7 Satz 4 GewStG auch für Zwecke der Gewerbesteuer der KG). Bei Beteiligung durch eine GmbH wird der Veräußerungsgewinn nach § 8 b Abs. 2 KStG steuerfrei gestellt. Nach § 8 b Abs. 3 KStG sind jedoch 5 % des Gewinns als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben zu behandeln. Gewerbesteuerlich ergibt sich wiederum eine entsprechende Freistellung des Ertrages nach § 7 Satz 1 GewStG.Hinsichtlich der Finanzierung des deutschen Gesellschafters (KG oder GmbH), der seine Beteiligung an der U.S. Kapitalgesellschaft fremdfinanziert hat, ergibt sich, dass die Fremdfinanzierungsaufwendungen in den USA grundsätzlich nicht steuerlich abzugsfähig sind. Bei einer Beteiligung durch eine deutsche KG wird der Fremdfinanzierungsaufwand bei der Einkommensermittlung im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens berücksichtigt (50 % Abzugsfähigkeit). Bei der Beteiligung durch eine deutsche GmbH sind die Fremdfinanzierungsaufwendungen körperschaftsteuerlich voll abzugsfähig. Gewerbesteuerlich sind Dauerschuldzinsen nur zu 50 % abzugsfähig (§ 8 Nr. 1 GewStG). Im Übrigen ist auch § 8 a KStG zu beachten.3. ZwischenergebnisBeim Vergleich der unterschiedlichen Gestaltungen zeigt sich der gravierendste Unterschied in der steuerlichen Beurteilung der Refinanzierung des U.S. Investments in Deutschland. Die Refinanzierung in Deutschland führt in allen dargestellten Varianten grundsätzlich nicht zu steuerlich abzugsfähigen Zinsen in den USA. Wenn sich eine deutsche Kapitalgesellschaft an einer U.S. Kapitalgesellschaft beteiligt, sind die Refinanzierungskosten in Deutschland jedoch nahezu vollständig abzugsfähig (nur zu 50 % für gewerbesteuerliche Zwecke). Damit kann der Finanzierungsaufwand in Deutschland nutzbar gemacht werden, wo der Steuersatz grundsätzlich höher ist als in den USA; der Vorteil dieser Gestaltung wird dadurch verstärkt, dass in der Anlaufphase in den USA ohnehin üblicherweise kein positives Einkommen erzielt wird - eine Finanzierung in den USA also allenfalls einen Verlustvortrag in den USA vergrößern würde, ohne unmittelbar steuerwirksam zu werden.IV. ZusammenfassungBei jeder geschäftlichen Aktivität in den USA sollte möglichst frühzeitig die Frage entschieden werden, in welcher Rechtsform das Geschäft betrieben werden soll. Im Wesentlichen geht es dabei um die Wahl zwischen einer U.S. Personengesellschaft (bzw. U.S. Betriebsstätte) oder einer U.S. Kapitalgesellschaft. Die steuerlichen Konsequenzen, die sich sowohl in den USA als auch in Deutschland ergeben, hängen von der Rechtsform ab. Dabei ist auch relevant, welche Rechtsform in Deutschland besteht. Die Wahl einer U.S. Kapitalgesellschaft als Tochtergesellschaft einer deutschen Kapitalgesellschaft kann interessante Möglichkeiten bei der steuerlich wirksamen Fremdfinanzierung in Deutschland eröffnen. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, das Einkommen in Deutschland durch entsprechenden Zinsaufwand zu reduzieren, obwohl die Dividendeneinnahmen weitgehend von der deutschen Steuer befreit sind. Im Einzelfall kann die Struktur möglicherweise durch die Wahl hybrider Strukturen weiter optimiert werden. Für Zwecke der U.S. Besteuerung sollte zudem bereits zu Beginn der Aktivität in den USA an die Abgabe von U.S. Steuererklärungen des deutschen Stammhauses zur Geltendmachung des DBA-Schutzes für eine etwaige U.S. Betriebsstätte gedacht werden. Selbst wenn Argumente dafür bestehen, dass eine Steuererklärungspflicht (noch) nicht besteht, kann es sinnvoll sein, gleichwohl Erklärungen abzugeben (Protective Filing).

02.01.2006
: Die Zuständigkeit US-amerikanischer und europäischer Gerichte zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer (Internet-)Entscheidungen

I. Die Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennung1Der Begriff der Anerkennung wird hier für den Rechtskomplex der Anerkennung und Vollstreckung verwendet, da die Vollstreckbarkeit die Anerkennung stets impliziert und voraussetzt. Sie wird auch als Bedingung der Vollstreckung (condition precedent) bezeichnet, siehe Jones, in: von Mehren, Enforcement of Foreign Country Judgments, 1974, S. 81. in Kalifornien1. Allgemeines zur US-amerikanischen ZuständigkeitHistorischer Ausgangspunkt US-amerikanischer Zuständigkeit war ein striktes Territorialitätsprinzip. Zuständigkeit konnte demnach nur gegenüber im Gerichtsstaat anwesenden Personen (jurisdiction in personam) oder Sachen (jurisdiction in rem) ausgeübt werden2Siehe das strikte Territorialitätsprinzip in der Entscheidung Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714 (1878).. Als das Reisen einfacher wurde und der internationale Handel zunahm, wurde ein striktes Territorialitätsprinzip zu eng, weshalb teilweise versucht wurde, diesem durch Fiktionen zu entsprechen3So wurden Unternehmen, die von anderen Staaten aus Handel mit einem US-Staat betrieben, als physisch dort präsent fingiert. Die Fiktion hat sich bis heute erhalten. Siehe z. B. den Zuständigkeitsbeschluss über die Siemens AG in der Causa Gletscherbahnbrand in Kaprun (In re Ski Train Fire, 230 F. Supp. 2d 376 (S.D.N.Y. 2002).. Manche US-Staaten erweiterten ihre Zuständigkeit ausdrücklich durch Gesetz. In der Entscheidung International Shoe v. Washington4International Shoe v. Washington, 326 U.S. 310 (1945): Der Schuhhändler International Shoe betrieb mit dem Staat Washington intensiven Handel von einem anderen US-Staat aus, weshalb Washington den gesetzlich vorgesehenen Arbeitslosenbeitrag erhob. International Shoe wendete fehlende Zuständigkeit wegen fehlender physischer Präsenz in Washington ein. Der U.S. Supreme Court bejahte die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Gerichtsbarkeit wegen der freiwillig auf den Gerichtsstaat abzielenden Tätigkeit. (In den USA entscheiden Gerichte - meist erstinstanzlichen Verwaltungsbehörden nachgeschaltet - auch in typischen Verwaltungsrechtsangelegenheiten.) ging der U.S. Supreme Court 1945 ausdrücklich vom Territorialitätsprinzip ab und bestätigte die Zulässigkeit einer Zuständigkeitsausübung auch gegenüber Personen außerhalb des Gerichtsstaates, soweit diese über einen ausreichenden Mindestkontakt zum Gerichtsstaat verfügen, welcher die Durchführung eines dortigen Prozesses als angemessen5Vgl zur Angemessenheit einer Klage gegenüber Ausländern auch Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court, 480 U.S. 102 (1987). und fair qualifizieren lässt6»due process requires only that in order to subject a defendant to a judgment in personam, if he be not present within the territory of the forum, he have certain minimum contacts with it such that the maintenance of the suit does not offend 'traditional notions of fair play and substantial justice'.« (International Shoe, 326 U.S. 310, 316).. Das Erfordernis eines ausreichenden Mindestkontaktes bildet auch heute noch die äußere Schranke US-amerikanischer Zuständigkeit und wird aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Prozesses (due process)7Die verfassungsrechtliche Grundlage des »fairen Prozesses« findet sich für Bundesgerichte im 5th Amendment (Zusatzartikel zur US-Verfassung), jene der Einzelstaatengerichte im weitgehend inhaltsgleichen - erst nach dem amerikanischen Bürgerkrieg als Grundrechtsschutz gegenüber den Einzelstaaten geschaffenen - 14th Amendment. Letzteres lautet: »Nor shall any state deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law«. Aus der Formulierung »any person« ergibt sich die Qualifikation der Due Process Clause als Menschenrecht, auf dass sich jede Person, unabhängig von Staatsbürgerschaft oder Herkunft, berufen kann. abgeleitet.Bei andauernden und intensiven Kontakten zum Gerichtsstaat besteht ein allgemeiner Gerichtsstand und sind dort sämtliche Klagen auch ohne Zusammenhang mit dem Gerichtsstaat möglich (general jurisdiction)8Die Bezeichnung general und specific jurisdiction geht auf von Mehren und Trautman zurück und wurde vom U.S. Supreme Court in der Entscheidung Helicopter Nacionales de Colombia v. Hall, 466 U.S. 408 (1984) übernommen.. Verfügt der Beklagte lediglich über einzelne Kontakte zum Gerichtsstaat,so bei Lieferung weniger Waren dorthin, sind dagegen lediglich Klagen mit dortigem Zusammenhang zulässig, so etwa wegen Mängel der in den Gerichtsstaat gelieferten Waren (specific jurisdiction).Neben dem verfassungsrechtlichen Erfordernis eines ausreichenden Mindestkontakts zum Gerichtsstaat sieht das Prozessrecht mancher US-Staaten weitere Zuständigkeitskriterien für Personen oder Unternehmen ohne (Wohn-)Sitz im Gerichtsstaat in den sog. long arm statutes vor9Siehe Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws, 3. Aufl. 2000, S. 313; Friedenthal/Kane/Miller, Civil Procedure, 3. Aufl. 1999, S. 141 f. - so z. B. jenes New Yorks10Siehe die in C.P.L.R. § 302 (Civil Practice Law and Rules) aufgezählten Zuständigkeitstatbestände.. Andere Staaten verweisen pauschal auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben, so die im Fall Yahoo! einschlägigen Zuständigkeitsvorschriften Kaliforniens11»A court of this state may excercise jurisdiction on any basis not inconsistent with the Constitution of this state or of the United States« (Cal.CodeCiv.Prc. § 410.10)..In den USA gibt es eine Zweigleisigkeit von Bundesgerichten und Gerichten der Einzelstaaten mit jeweils eigenem Prozessrecht. Während das Bundesprozessrecht ursprünglich am Territorialitätsprinzip festhielt, wenden Bundesgerichte heute durch einen Verweis im Bundesprozessrecht (Federal Rules of Civil Procedure)12Rule (4)(k)(1)(A) Fed.R.Civ.P. grundsätzlich13Durch eine Novelle von 1993 gibt es bei fehlender personal jurisdiction in sämtlichen US-Staaten heute eine subsidiäre Zuständigkeit der Bundesgerichte bis zur Schranke des 5th Amendment (ausreichender Minimalkontakt zu den USA insgesamt), siehe 4(k)(2) Fed.R.Civ.P. auch die Zuständigkeitsbestimmungen desjenigen US-Staates an, in dem das Gericht seinen Sitz hat14Näheres siehe auch Fuchs, RIW 2004, 41 ff..2. Die US-Berufungsentscheidung Yahoo!Nachdem ein französisches Gericht den US-Internetanbieter Yahoo! Inc.15Yahoo! Inc hat seinen Unternehmenssitz in Santa Clara, Kalifornien und bietet als Internet Service Provider Internetdienste wie Online-Versteigerungen oder Chatrooms an. verurteilt hatte, französische Internetnutzer wegen Verstoßes gegen französisches Recht16Das Anbieten und der Verkauf von Nazi-Objekten verstoßen gegen Art. R.645-1 des französischen Strafgesetzbuches (le nouveau code pénal). Eine deutsch/französische Synopse findet sich unter: http://www.jura.uni-sb.de/BIJUS/codepenal/. Obwohl die Grundlage der Entscheidung französisches Strafrecht darstellt, erfolgte die Entscheidung aufgrund einer privatrechtlichen (Verbands)Klage von Interessensverbänden zur Verhinderung von Rassismus und Antisemitismus. Dies zeigt, dass klassisch-nationale Grenzen zwischen Zivil- und Strafrecht im Cyberspace verwischen, inländische Strafrechtstatbestände im Ausland zivilrechtlich verfolgt werden können und umgekehrt, wodurch eine fächerübergreifende sowie interdisziplinäre Untersuchung wegen des faktisch-technischen Einflusses im Cyberspace besondere Wichtigkeit erlangt. Die Anerkennung solcher Entscheidungen wird teils bereits wegen Fehlens einer zivilrechtlicher Entscheidung verneint. Wegen des formalen Vorliegens einer zivilrechtlichen Entscheidung scheint eine Verweigerung der Anerkennung wegen Verstoßes zum Ordre Public jedoch zweckmäßiger (vgl. Gottwald, in: Münchener Kommentar zur ZPO, Bd. 1, 2. Aufl. 2000, § 328 ZPO Rdnr. 41 m. w. N). Siehe zur Wahrnehmung kollektiver Interessen durch zivilrechtliche Verbandsklagen und deren zivilrechtliche Anerkennungsfähigkeit in Deutschland Mäsch, ZEuP 2003, 375 ff. oder zum Einfluss der Architektur des Internets zur Verhaltenssteuerung Lessig, Code and Other Laws of Cyberspace, 1999. vom Zugang zu Webseiten zu sperren17Einstweilige Verfügung des Tribunal de Grande Instance de Paris (TGI) vom 22. 5. 2000, K&R 2000, 365, abrufbar unter http://www.forumin ternet.org/telechargement/documents/tgi-par20000522.pdf, bestätigt durch das TGI am 20. 11. 2000, MMR 2001, 309 (Ls.) mit Anmerkung Namgalies = K&R 2001, 63 (Ls.) mit Anmerkung Hartmann, abrufbar auch unter http://www.foruminternet.org/telechargement/documents/tgi-par20001120.pdf, in englischer Sprache unter http://www.gigalaw. com/library/france-yahoo-2000-11-20-machine.html. Die Zuständigkeit des französischen Gerichts gründet sich in Art. 46 der neuen französischen Zivilprozessordnung., auf denen Nazi-Objekte angeboten werden, brachte Yahoo! an seinem Unternehmenssitz in Kalifornien eine Klage auf Feststellung18Vor US-Bundesgerichten kann eine Feststellungsklage (declaratory relief) nach dem Declaratory Judgment Act erfolgen, wenn eine konkrete und nicht bloß hypothetische Meinungsverschiedenheit (actual controversy) über die Rechte und Pflichten von Parteien besteht (siehe 28 U.S.C.S. § 2201). Daneben bestehen sondergesetzliche Feststellungsklagen, so z. B. zur Feststellung der Rechtmäßigkeit der Löschung oder Übertragung einer Internetdomain durch ein außergerichtliches Streitbeilegungsverfahren entsprechend der Uniform Domain Name Dispute Resolution Policy (UDRP) nach dem US-Domain-Recht (ACPA). Daneben gibt es Feststellungsklagen nach dem Recht der Einzelstaaten, siehe z. B. Cal.CodeCiv.Prc. § 1060-1062.5, siehe auch den Uniform Declaratory Judgment Act als vorgeschlagenes Modellgesetz für die möglichst einheitliche Umsetzung in den Einzelstaaten, abrufbar unter http://www.law.upenn.edu/bll/ulc/fnact99/1920_69/udja22.pdf. der fehlenden Vollstreckbarkeit des französischen Urteils an seinem Unternehmenssitz in Kalifornien ein. Eine Berufung gegen das französische Urteil erfolgte nicht. Während das erstinstanzliche US-Gericht seine Zuständigkeit bejahte und die Unzulässigkeit der Vollstreckung in den USA wegen der damit verbundenen Beschränkung19Das französische Urteil ordnet eine Einschränkung des auf US-Territorium gesetzten Verhaltens von Yahoo! an, soweit dieses rechtswidrige Auswirkungen auf die französischen Territorien hat. der nach der US-Verfassung garantierten Meinungsfreiheit aussprach20Yahoo! Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme et L'Antisemitisme, 145 F. Supp. 2d 1168 (N.D. Cal. 2001) (Zuständigkeitsentscheidung erster Instanz); Yahoo!, Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme et L'Antisémitisme, 169 F. Supp. 2d 1181 (N.D. Cal. 2001) (materielle Entscheidung erster Instanz). In den USA nimmt der verfassungsrechtlich garantierte Schutz der Meinungsfreiheit einen mit anderen Staaten kaum vergleichbaren Stellenwert ein, der - im Gegensatz zu vielen anderen Staaten - höher bewertet wird als der Schutz der Privatsphäre oder der Schutz vor Diskriminierung. In Reno v. ACLU, 521 U.S. 844 (1997) bestätigte der U.S. Supreme Court, entgegen manch kritischer Stimmen, die unbeschränkte Anwendbarkeit der US-Meinungsfreiheit auch im Internet (siehe dazu auch Murphy, International Law and the Internet: An Ill-Suited Match Case Note on UEJF & LICRA v. Yahoo! Inc., 25 Hastings Int'l & Comp. L. Rev. 405, IV [2002]). Die Rechtsgrundlage der Meinungsfreiheit findet sich im 1. Zusatzartikel (1st Amendment) der US-Verfassung (U.S. Constitution), welcher lautet: »Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.«, führte das Berufungsgericht aus21Yahoo! Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme Et L'Antisémitisme, 379 F.3d 1120; 32 Media L. Rep. 2185 (9th Cir. 2004), im Internet abrufbar unter: http://caselaw.lp.findlaw.com/data2/circs/9th/0117424p.pdf., dass über die Frage der Anerkennung und Vollstreckung erst im Rahmen eines durch den Kläger22Kläger der anzuerkennenden französischen Entscheidung - und Beklagte des US-amerikanischen Feststellungsprozesses - waren französische Interessensverbände gegen Rassismus und Antisemitismus (UEJF und LICRA). Diesen wird zivilrechtlich ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Verletzung ihrer immateriellen Interessen am Schutz vor Rassismus gewährt. Die Rechtswidrigkeit folgt aus der Verletzung französischen Strafrechts, siehe auch Mäsch, ZEuP 2003, 375 ff. der anzuerkennenden Entscheidung tatsächlich eingeleiteten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens entschieden werden könne23Die Frage der Zuständigkeit wird vom Berufungsgericht vollinhaltlich (de novo) geprüft, siehe z. B. Yahoo! Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme Et L'Antisémitisme, 379 F.3d 1120 at 1123 (9th Cir. 2004).. Grund für die Verneinung der Zuständigkeit war der Umstand, dass ein allgemeiner Gerichtsstand (general jurisdiction) gegenüber den französischen Beklagten im Gerichtsstaat Kalifornien fehlte und ein eigener besonderer Gerichtsstand (specific jurisdiction) für die Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen verneint wurde.3. Die Folgen für US-InternetanbieterDie Entscheidung bringt für US-Internetanbieter eine unangenehme Rechtsunsicherheit über die Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Internetentscheidungen in den USA und ist deshalb nicht unproblematisch. So erging auch das Urteil mit einer abweichenden Meinung (dissenting opinion) von Richter Brunetti. Gerade bei Internetsachverhalten sind wegen der weltweiten Abrufbarkeit jeder ins Internet gestellten Information (Ubiquität) Klagen an beliebigen Orten im Ausland denkbar, an denen die jeweilige Information abgerufen werden kann24Siehe z. B. Lurger, in: Gruber, Die rechtliche Dimension des Internet, 2001, S. 69 ff.; Lurger, in: Mayer-Schönberger/Galla/Fallenböck, Das Recht der Domain Namen, 2001, S. 103 ff.; Pichler, in: Hoeren/Sieber, Handbuch Multimediarecht, Kapitel 31 S. 5 ff.; Roth, in: Gruber/Mader, Internet und e-commerce, 2000, S. 157 ff, Roth, in: Gruber/Mader, Privatrechtsfragen des e-commerce, 2003, S. 253 ff. jeweils m. w. N. - Nach Art. 5 Nr. 3 der Brüssel-I-VO ist das Gericht des Staates zuständig, in dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. Erfasst werden alle Eingriffe in rechtliche Interessen, auf ein Verschulden kommt es nicht an. Der Gerichtsstand kommt auch für den Bereich des Internet zur Anwendung (siehe z. B. Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, 2. Aufl. 2004, Art. 5 EuGVVO Rdnr. 115, 207; Leible, in: Rauscher, EuZPR, 2004, Art. 5 Brüssel I-VO Rdnr. 79). und vermag eine Internethandlung bei Widerspruch zur Rechtsordnung eines beliebigen Abrufstaates als dort verwirklichtes (Distanz-)Delikt qualifiziert werden25So qualifizierte auch das französische Gericht die Abrufbarkeit von Webseiten in Frankreich, auf denen Nazi-Objekte angeboten werden, als dort begangenes Delikt. Auch der Vorschlag für eine Rom-II-Verordnung zur Vereinheitlichung des IPR für außervertragliche Schuldverhältnisse verweist für den deliktischen Bereich auf die Anwendung der lex loci delicti commissi, konkret - nach Art. 3 - auf die Anwendung des Rechts des Staates, in dem der direkte Schaden eintritt oder einzutreten droht, was bei Schadensfolgen in mehreren Staaten die Anwendung sämtlicher berührter Rechtsordnungen impliziert (siehe die Erläuterungen zu Art. 3 des Vorschlags für eine Rom-II-VO, KOM [2003] 427 endg.).. Wegen der weit gehenden Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen in den USA besteht für US-Internetanbieter daher eine besondere Rechtsunsicherheit.4. Anerkennung ausländischer (Internet)Entscheidungen in den USAa) AllgemeinesWährend ausländische Entscheidungen in den USA ursprünglich nur nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit anerkannt und vollstreckt wurden26Siehe die Entscheidung Hilton v. Guyot, 159 U.S. 113, 16 S.Ct. 139, 40 L.Ed. 95 (1895). Die Entscheidung erging in abweichender Meinung von vier Richtern und wurde mit dem Argument kritisiert, ein Gericht solle seine eigenen Regeln nicht von jenen anderer Staaten abhängig machen. Die Frage der Gegenseitigkeit sei eine politische und sei durch Retorsion durch die Regierung wahrzunehmen, nicht durch die Gerichte. Ähnliche Argumente finden sich auch in der europäischen Literatur gegen das Erfordernis der Gegenseitigkeit, siehe z. B. Schack, IZVR, 3. Aufl. 2002, S. 375 Rdnr. 872 ff. (»Man schlägt den Esel und meint den Herrn.«). - Nach römischem Recht wurden ausländische Entscheidungen nach dem Grundsatz res judicata pro veritate accipitur (Just. D. 1, 5, 25) großzügig anerkannt, ebenfalls brachte die ideelle Rechtseinheit des christlichen Abendlandes und der Gedanke einer übergeordneten Rechtsordnung im Mittelalter eine großzügige Anerkennung von Entscheidungen nach dem Grundsatz unum imperium - unum jus. Erst mit dem aufkommenden Souveränitätsdenken der Neuzeit standen die Staaten ausländischen Entscheidungen mit Zurückhaltung gegenüber und wurde die Anerkennung zum Gegenstand völkervertraglicher Verhandlungen. Mittlerweile besteht eine internationale Tendenz, die Anerkennung ausländischer Entscheidungen wieder zu erleichtern (siehe auch Juenger, The Recognition of Money Judgments, in: Juenger, Selected Essays on the conflict of laws (2001) 281, 284; Matscher, in: FS Schima, 1969, S. 265, 268, Schack (Fn. 26), Rdnr. 786 f. u. a., werden diese heute in den meisten US-Staaten27Ein weiteres, ausdrücklich gesetzliches Erfordernis der Gegenseitigkeit besteht in sieben US-Staaten sowie nach dem Richterrecht weniger Staaten, siehe Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1191 Fn. 8. Siehe zu den Regelungen der einzelnen US-Staaten auch Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 1157 ff.; Czernich, WBl 1995, 10 ff.; Schütze, Deutsch-Amerikanische Urteilsanerkennung, 1992. wie Entscheidungen anderer US-Staaten28Die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anderer US-Staaten ist nach der Full Faith and Credit Clause nach Art. IV § 1 der U.S. Constitution verfassungsrechtlich verpflichtend, doch kann es - wie bei ausländischen Entscheidungen - unter engen Voraussetzungen zur Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung kommen. Diesfalls wird die ursprüngliche Entscheidung als nichtig (void) qualifiziert, siehe Restatement, (Second) Conflict of Laws, § 93 (1971). Restatements sind eine systematische Erfassung des »US-Rechts«, die von der American Law Association (ALR) - einer privaten Vereinigung von Professoren, Richtern und Anwälten - herausgegeben werden und wegen ihrer hohen Qualität trotz fehlender Formalbindung regelmäßig beachtet und zitiert werden; siehe zur Anerkennung von Entscheidungen zwischen US-Staaten auch Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1160 f. anerkannt und vollstreckt, ohne dass es auf das Vorhandensein eines völkerrechtlichen Abkommens oder das Vorliegen der Gegenseitigkeit ankäme29Siehe zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen in den USA allgemein Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1139 ff.; Lowenfeld/Silberman, in: Platto/Horton, Enforcement of Foreign Judgments Worldwide, 2. Aufl. 1993, S. 123 ff.; von Mehren, RabelsZ 1993, 454 ff.; Scoles/Aarnas, The Recongnition of Foreign Nation Judgments: California, Oregon and Washington, 57 Ore. L.R. 377 (1978); von Mehren/Patterson, Recognition and Enforcement of Foreign Country Judgments in the United States, 6 Law and Policy in Int'l Bus. 37 (1974); von Mehren (Fn. 1); Scoles, Interstate and International Distinction in Conflict of Laws in the United States, 54 Cal. L. Rev. 1599, 1606 (1966). Für eine Staatenübersicht siehe Lutz, Enforcement of Foreign Judgements, 27 Int'l Law 471 Part I und Part II (1993). Siehe in der deutschen Lit. auch Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze (Fn. 27), Nr. 1157 ff.; Czernich, WBl 1995, 10 ff.; Czernich,JBl 2002 613, 623 ff.; Rassmann, RIW 1996, 817 ff.; Schütze (Fn. 27) u. v. a. - Für die Vollstreckung von Geldforderungen steht in vielen US-Staaten der Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act (1962) in Kraft. Eine Auflistung der Staaten sowie möglicher Ausnahmen bei der Anerkennung findet sich u. a. bei Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1192. Siehe dazu auch Weinschenk, Die Anerkennung und Vollstreckung bundesdeutscher Urteile in den Vereinigten Staaten unter den »Foreign Country Money Judgment Recognition Acts« (1988); Annotation, Construction and Application of Uniform Foreign Money-Judgments Recognition Act, 100 A.L.R.3d 792 (1980) u.v.a. (für weitere Literatur-Nachweise siehe auch die gängige IZVR- und IPR-Literatur).. Gefordert wird lediglich das Vorliegen des von der US-Verfassung garantierten fairen Prozesses (due process) im Entscheidungsstaat. Verlangt wird dafür- die ausreichende Verständigung des Beklagten vom Prozess (notice)30Siehe dazu z. B. Koster v. Automark Industries, Inc., 640 F.2d 77, 81 n. 3 (7th Cir. 1981); siehe auch Restatement (Second) Conflict of Laws, § 104.,- die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs (opportunity to be heard)31Siehe dazu z. B. Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1209; Restatement (Second) Conflict of Laws, § 104. sowie- das Vorliegen der spiegelbildlichen Zuständigkeitsvorschriften des Anerkennungsstaates, wofür ein mit dem Kriterium eines fairen Prozesses (due process) vereinbarer Gerichtsstand verlangt wird (jurisdiction in the international sense)32 Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1205 f. m. w. N..Die Anerkennung erfolgt nicht automatisch, sondern durch Klage oder eingeschränkt durch Registrierung33So z. B. Bundesgerichtsentscheidungen anderer US-Staaten betreffend Geldleistungen oder Eigentum (28 U.S.C.S. § 1963), siehe auch Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1163 m. w. N. und ein - regelmäßig summarisches - Verfahren34Siehe z. B. Lowenfeld/Silberman, in: Platto/Horton (Fn. 29), S. 123 ff., 123 m. w. N.. Bei der Frage der Zuständigkeit im Cyberspace35Siehe zur Zuständigkeit US-amerikanischer Gerichte im Cyberspace auch Fuchs, RIW 2004, 41 ff. m. w. N. befindet sich noch vieles im Fluss, was die Rechtsunsicherheit über die Anerkennung ausländischer Internetentscheidungen weiter erhöht.b) US-amerikanische Anerkennungszuständigkeit im CyberspaceDie Anerkennung ausländischer Entscheidungen in den USA hängt nach dem Spiegelbildprinzip davon ab, ob das entscheidende Gericht auch nach US-Recht zuständig gewesen wäre (sog. Anerkennungszuständigkeit36Siehe zur Anerkennungszuständigkeit auch Schack (Fn. 26), S. 358 Rdnr. 829.). Gefordert wird hierfür lediglich ein mit dem Kriterium eines fairen Prozesses (due process) vereinbarer Gerichtsstand37Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1205 f. m. w. N. als äußere Schranke US-amerikanischer Zuständigkeit. Dafür kann die bereits vielfach ergangene Judikatur zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Gerichtsbarkeit im Cyberspace herangezogen werden. Die Erfüllung der teilweise weiter gehenden Zuständigkeitskriterien des long arm statutes des Anerkennungsstaates ist nicht erforderlich.Das bloße Betreiben einer Webpage, die im Gerichtsstaat abgerufen werden kann, wird als unzureichender Kontakt zur Begründung US-amerikanischer Gerichtsbarkeit qualifiziert38Siehe z. B. die Entscheidung Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com, Inc., 952 F. Supp. 1119 (W.D. Pa. 1997) oder in der allgemeinen Literatur zur personal jurisdiction im Cyberspace: Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, 4. Aufl. 2001, S. 230 f.; Symeonides/Perdue/Mehren, Conflict of Laws: American, Comparative, International, 1998, S. 894 ff. oder in der deutschen Lit. Pichler, in: Hoeren/Sieber (Fn. 24), Kapitel 31, S. 81 ff.; Rau, RIW 2000, 761 ff.; Thot, in: Kröger/Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, 2. Aufl. 2002, S. 849 ff. u. a.. Gefordert wird ein freiwilliges, auf den Gerichtsstaat abzielendes Verhalten (purposeful availment), das die Durchführung eines dortigen Prozesses als angemessen und fair qualifizieren lässt39Siehe die Entscheidung International Shoe (unter Punkt 1). und wodurch der Beklagte mit der Durchführung eines dortigen Prozesses vernünftigerweise rechnen musste40Siehe die U.S. Supreme Court Entscheidungen World Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 297 (1980) oder Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186 (1977).. Die Vorhersehbarkeit weltweiter Abrufbarkeit jeder ins Internet gestellten Information reicht dafür nicht aus41Siehe neben oben angeführter Lit. und Rspr. auch World Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 297 (1980): Der Kauf eines Autos in New York, mit dem in Oklahoma ein Unfall erlitten wurde, ist keine ausreichende Grundlage zur Begründung einer Gerichtsbarkeit Oklahomas, obwohl die Verwendung des Autos außerhalb New Yorks vorhersehbar war.. Betreibt der Beklagte dagegen nachweislich Geschäftstätigkeiten mit Personen im Gerichtsstaat (E-Commerce42Irrelevant ist, ob der Leistungsaustausch über traditionellem Weg erfolgt - so bei Post-Lieferung von Büchern - oder online - so bei »Lieferung« von Software über das Internet.), so ist dies ausreichende Grundlage, um die Anerkennungszuständigkeit zu bejahen43Zippo, 952 F. Supp. at 1124..Zwischen diesen beiden Endpunkten richtet sich die Zuständigkeit nach dem beweglichen System (Sliding-Scale Test) der oft zitierten, jedoch nur beschränkt aussagekräftigen44Es gibt eine bereits beachtliche Zahl von Entscheidungen zur US-Zuständigkeit im Cyberspace, welche die recht vage Aussage der Zippo-Entscheidung für verschiedene Sachverhaltskonstellationen weit präziser fassen, deren Darstellung im vorgegebenen Umfang jedoch nicht möglich ist. Zippo-Entscheidung45Zippo Manufacturing Co. v. Zippo Dot Com, Inc., 952 F. Supp. 1119 (W.D. Pa. 1997): Der Hersteller der berühmten Zippo-Feuerzeuge klagte in Pennsylvania einen Internet News Anbieter aus Kalifornien, der unter den Domains »zippo.com«, »zippo.net« und »zipponews.com« Nachrichten anbot, wegen Markenrechtsverletzung. Das Gericht bejahte seine Zuständigkeit, da sich 2 % der Kunden des Nachrichtenanbieters (3000 Personen) im Gerichtsstand befanden und die Klage mit der Geschäftstätigkeit im Zusammenhang stand. nach dem Grad der Kommerzialität und Interaktivität der Webpage46Zippo, 952 F. Supp. at 1124.. Regelmäßig übersehen wird, dass sich die Zippo-Entscheidung weitgehend auf den geschäftlich-vertraglichen Bereich beschränkt (doing oder transacting business47Unter doing business werden intensive Geschäftskontakte verstanden, welche die Durchführung sämtlicher Prozesse auch ohne Konnex zum Gerichtsstaat als angemessen und fair qualifizieren lassen (general jurisdiction). Bei Geschäftstätigkeiten in geringerem Ausmaß (transacting business) sind nur Klagen im Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit möglich (specific jurisdiction) - so auch im Zippo-Fall. Das Restatement (Second) of Conflict of Laws § 35 bezeichnet beide Formen als doing business, verlangt aber für Klagen ohne Zusammenhang ebenfalls besonders intensive Geschäftstätigkeiten, womit inhaltlich das gleiche Ergebnis erzielt wird.). Für den deliktischen Bereich ist dagegen vor allem der Erfolgsortgerichtsstand nach dem effects test48Siehe dazu die U.S. Supreme Court-Entscheidung Calder v. Jones, 465 U.S. 783 (1984): Ein kalifornischer Entertainer brachte in Kalifornien eine Defamierungsklage (libel action) gegen den Autor eines Artikels und den Herausgeber (editor) eines Magazins mit zugehörigem Unternehmenssitz in Florida ein. Der U.S. Supreme Court bejahte die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zuständigkeitsausübung wegen der intentional auf den Gerichtsstaat gerichteten Handlungen (Verfassen und Publizieren des Artikels), von denen die Beklagten wissen mussten, dass sie potenziell negative Auswirkungen (effects) auf den Kläger im Staat haben können, in dem dieser lebt und arbeitet, wodurch die Beklagten vernünftigerweise mit einem dortigen Prozess rechnen mussten. einschlägig, wonach eine Internethandlung in Widerspruch zum Recht des Gerichtsstaates ausreichende Grundlage zur Bejahung eines fairen Gerichtsstandes darstellen kann, ohne dass es darauf ankäme, dass die Webpage kommerziell oder interaktiv wäre49Siehe z. B. die Entscheidung Panavision Int'l, L.P. v. Toeppen, 141 F.3d 1316 (9th Cir. 1998): Dennis Toeppen registrierte eine Vielzahl von Domains, darunter auch »panavision.com« und »panavision.flex«, ohne die Internetadressen selbst zu verwenden, sondern um sie teuer an die eigentlich Berechtigten weiterzuverkaufen. Panavision klagte in der Folge wegen Markenrechtsverletzung. Das Gericht bejahte die Zuständigkeit, da Toeppen bewusst auf die Verletzung der Markenrechte des in Kalifornien ansässigen Klägers abzielte und die Zuständigkeitsausübung demnach nicht unvernünftig (unreasonable) sei..Eine ausgewogene und angemessene Beschränkung ausufernder Gerichtsbarkeit im Cyberspace erreicht das US-Recht dennoch durch das bereits erwähnte Erfordernis eines freiwillig auf den Gerichtsstaat abzielenden Verhaltens (purposeful availment), wodurch der Beklagte vernünftigerweise mit der Durchführung eines dortigen Prozesses rechnen musste. Gleiche Fairness-Kriterien sind für inländische Gerichtstände erforderlich, um mit einer diesbezüglichen Anerkennung in den USA rechnen zu können.Werden die Kriterien spiegelbildlich auf die anzuerkennende französische Entscheidung im Fall Yahoo! angewendet, so erfüllt Yahoo! für den geschäftlich-vertraglichen Zuständigkeitsbereich (doing oder transacting business) jedenfalls das Kriterium der Interaktivität, da über die Webpage von Yahoo! kommuniziert und bestellt werden kann. Nach überwiegender Rechtsprechung wird darüber hinaus der Nachweis konkreter Vertragsabschlüsse mit Einwohnern des Gerichtsstaates gefordert und könnte die Zuständigkeitswahrnehmung des französischen Gerichts im entgegengesetzten Fall als mit den US-Zuständigkeitsgrundsätzen unvereinbar qualifiziert werden und die Anerkennung der Entscheidung bereits aus diesem Grund scheitern.Nach manchen Entscheidungen ist bereits die bloße Möglichkeit eines Vertragsabschlusses ausreichende Grundlage zur Zuständigkeitsbegründung. Nach einigen besonders extensiven und problematischen50Würde das Kriterium eines bloß potenziellen Vertragsabschlusses zur Zuständigkeitsbegründung ernst genommen, könnte bei extensiver Interpretation die Zuständigkeit über weltweite Personen und Unternehmen mit telefonischer oder postalischer Erreichbarkeit ausgeübt werden. Gerichtsentscheidungenwird bereits die Angabe einer E-Mail-Adresse oder Telefonnummer als ausreichende Grundlage für die Bejahung eines möglichen Vertragsabschlusses und damit als Grundlage des Gerichtsstandes aus Geschäftstätigkeiten qualifiziert. Eine solche Zuständigkeitswahrnehmung muss jedenfalls dann als überschießend qualifiziert werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls nicht auf eine Vermarktungsabsicht im Gerichtsstaat geschlossen werden kann. Disclaimer können ein wichtiges Indiz für eine örtlich beschränkte Vermarktungsabsicht schaffen und die Gefahr ausländischer Prozesse erheblich minimieren. Letzteres gilt insbesondere auch für Gerichtsstandsklauseln, die in den USA weit gehend sogar gegenüber Verbrauchern als wirksam qualifiziert werden51Siehe Carnival Cruise Lines, Inc. v. Shutte, 499 U.S. 585, 111 S.Ct. 1522 (1991); siehe auch Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 466 ff.. Auch durch die Abfrage der Herkunft des Vertragspartners kann der Marktort einfach eingeschränkt werden - so vor allem bei Online-Lieferungen, bei denen der Ort des Abnehmers nicht offensichtlich ist. Falschangaben des Vertragspartners gehen im Bereich des Privatrechts zu seinen Lasten52Siehe z. B. auch Roth, in: Gruber/Mader (Fn. 24), S. 253, 286..Werden durch Internethandlungen öffentliche Interessen berührt, wie beispielsweise bei Online-Glücksspielen oder beim Verkauf von Nazi-Artikeln, die national vielfach beschränkt oder verboten sind, ist die bloße Frage nach der Herkunft keine sichere Grundlage zur lokalen Haftungsbeschränkung. Auch wenn sich das französische Gericht in seiner Anordnung mit einer solchen Herkunftsabfrage in Kombination mit der Auswertung der IP-Adressen der Nutzer begnügt hat. Empfehlenswert ist in sensiblen Bereichen mit möglichen Konflikten mit ausländischen öffentlichen Interessen stets die Beurteilung der Herkunft durch Auswertung von Kreditkarteninformationen und die Verwendung von Tracking-Software53Software zur Standortbestimmung des eine Webseite abrufenden Internetnutzers, um die Abrufbarkeit territorial beschränken zu können.. Bei beabsichtigtem weiteren Aktionsradius ist privatrechtlich der Abschluss von Gerichtsstands- und Rechtswahlvereinbarungen empfehlenswert, welche zumindest gegenüber Unternehmern in sehr vielen Staaten anerkannt werden.Weiter sind bei der Anerkennung im Fall Yahoo! die Kriterien des effects test zu prüfen. Zwar liegen konkret Auswirkungen auf französisches Territorium vor. Doch ist nach der Entscheidung International Shoe auch hier ein freiwilliges, auf den Gerichtsstaat abzielendes Verhalten erforderlich, das ebenfalls erst bei Vorliegen eines auf den französischen Markt abzielenden Angebotverhaltens bejaht werden sollte. Anderenfalls kann die Anerkennung der Entscheidung in den USA wiederum scheitern54So z. B. die Entscheidung Bensuan Restaurant Corp. v. King, 937 F.Supp. 295 (S.D.NY. 1996), affirmed 126 F.3d 25 (2nd Cir. 1997): Der Inhaber des berühmten New Yorker Jazz-Clubs »Blue Note« und Inhaber diesbezüglicher US-Markenrechte klagte gegen einen Inhaber eines gleichnamigen Kabaretts in Missouri, dessen Veranstaltungen über Internet beworben wurden; auf den Internetseiten wurde mittels disclaimer auf den fehlenden Zusammenhang mit dem New Yorker Club hingewiesen. Die Zuständigkeit scheiterte bereits am long arm statute New Yorks, das neben Auswirkungen im Gerichtsstaat auch wesentliche Einnahmen aus grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit verlangt. Obiter führte das Gericht aus, dass die Zuständigkeitswahrnehmung auch verfassungsrechtlich unzulässig sei, da die Handlungen des Klägers nicht speziell auf New York gerichtet waren. .Keine Anerkennung finden allgemein auch französische Urteile, deren Zuständigkeit lediglich auf der französischen Staatsbürgerschaft des Klägers beruht55Siehe z. B. Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1206 oder Silberman, The Impact of Jurisdictional Rules and Recognition Practice on International Business Transactions: The U.S. Regime, 26 Hous. J. Int'l L 327, 355 (2004).. Ebenso österreichische oder deutsche Entscheidungen aufgrund des Vermögensgerichtsstandes56Siehe in Österreich § 99 JN (Jurisdiktionsnorm) oder in Deutschland § 23 ZPO. Zur mangelnden Anerkennung und Vollstreckungsfähigkeit in den USA siehe die Literaturangaben der vorhergehenden Fußnote., soweit das im Inland gelegene Vermögen selbst Streitgegenstand ist und der Beklagte über keine zusätzlichen Kontakte zum Gerichtsstaat verfügt57Ein solch exorbitanter Gerichtsstand verstößt nach der Entscheidung Shaffer v. Heitner gegen das Kriterium eines fairen Prozesses, siehe 433 U.S. 186, 97 S.Ct. 2569, 53 L.Ed.2d 683 (1977).. So z. B. wenn Internetdomains als Grundlage eines inländischen Vermögensgerichtsstandes dienen, ohne dass die Domain selbst Streitgegenstand wäre58Der Sitz von Domains als nicht körperlicher Vermögensgegenstand kann nur fingiert werden, solche Fiktionen divergieren national (siehe Schack (Fn. 26), S. 415 Rdnr. 982). Domains werden dabei fiktiv mehrere Sitze zugewiesen, so fingiert allein das US-Domain Gesetz (ACPA) den Sitz von Domains zur Begründung des US-Vermögensgerichtsstandes (in rem jurisdiction) sowohl am Sitz des Domain-Registers (Registry), als auch am Sitz der diesbezüglichen Registrierungsstelle (Registrar), siehe dazu Fuchs, RIW 2004, 41 ff.; zur nicht abschließend geklärten Qualifikation von Domains siehe auch Koos, MMR 2004, 359 ff. oder in der engl. Lit. Naguyen, Cyberproperty and Judicial Dissonance: The Trouble with Domain Name Classification, 10 Geo. Mason L. Rev. 183 u. a. Wird die Registrierungsstelle auch bloß als Vertreter für das sich in den USA befindliche »com«-Register tätig, so hat sie doch faktischen Zugriff und Befugnis zur Änderung des diesbezüglichen Registereintrages und untersteht bei inländischem Sitz auch inländischer Hoheitsgewalt. Obwohl die USA wegen des Sitzes des »com«-Registers in den USA faktisch »das letzte Wort« über den diesbezüglichen Register-Eintrag sprechen und damit über eine Schlüsselstellung im Domain Name System verfügen, erkennen die USA grundsätzlich früher ergangene ausländische Entscheidungen sowie deren Präklusionswirkung für inhaltsgleiche Prozesse in den USA an, siehe Globalsantafe Corp. v. Globalsantafe, 250 F. Supp. 2d 610 (E.D. Va. 2003) m. w. N.. Bildet die Domain bei Domainnamensverletzungen dagegen selbst den Streitgegenstand, so müsste nach momentaner US-Rechtsprechung mit einer weitgehenden Anerkennung solcher Entscheidungen nach den oben genannten Grundsätzen gerechnet werden, soweit sich das zur Domain gehörige Register oder die zur Domain gehörige Registrierungsstelle im Gerichtsstaat befindet oder sonstige ausreichende Kontakte zum Gerichtsstaat bestehen. Blindes Vertrauen sollte auf ein solches Ergebnis jedoch keinesfalls gesetzt werden, da die weltweite Zuständigkeitswahrnehmung der USA über Internetdomains - entgegen einer äußerst problematischen und bisher kaum reflektierten US-Rechtsprechung - selbst als klarer Verstoß gegen das von der US-Verfassung geforderte Kriterium eines fairen Prozesses qualifiziert werden muss59Werden weltweite Domain-Inhaber ohne Kontakte zu den USA gezwungen, die Rechte an ihren Domains in den USA zu verteidigen und müssen sie widrigenfalls mit der Löschung oder Übertragung ihrer Domain durch Versäumnisurteil rechnen, kann von einem fairen Prozess nach obigen Grundsätzen nicht gesprochen werden. Siehe hierzu ausführlich Fuchs, RIW 2004, 41 ff.. Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen, die auf der Grundlage des Vermögensgerichtsstandes (in rem jurisdiction) ergangenen sind, wurde bisher kaum Gegenstand der Rechtsprechung, weshalb deren Anerkennung nicht abschließend geklärt ist60Siehe von Mehren/Patterson, in: von Mehren (Fn. 1), S. 28..c) Weitere Anerkennungsverweigerungsgründe in den USAZu einer Verweigerung der Anerkennung kann es weiter bei Widerspruch zu den Grundwertungen des Anerkennungsstaates (public policy = Ordre Public) kommen. Doch wirddieses Anerkennungshindernis - wie in den meisten Staaten61Siehe Juenger, The Recognition of Money Judgments, in: Juenger, Selected Essays on the conflict of laws (2001) 281, 303, auch erschienen in 36 Am. J. Comp. L1 (1988). - heute nur in außergewöhnlichen Fällen bejaht62Die Ausführungen des Restatement (Second) Conflict of Laws, § 117, cmt. c werden durch die moderne Praxis einschränkend wahrgenommen (siehe Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 1210). Siehe auch Lowenfeld/Silberman, in: Platto/Horton (Fn. 29), S. 123; Silberman, The Impact of Jurisdictional Rules and Recognition Practice on International Business Transactions: The U.S. Regime, 26 Hous. J. Int'l L 327, 357 (2004).. So vor allem bei Widerspruch zu verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten, wie bei Widerspruch zur verfassungsrechtlich garantierten Meinungsfreiheit, gemäß der erstinstanzlichen Entscheidung im Fall Yahoo!. Doch könnte das Anerkennungshindernis des Ordre Public im Internetkontext wegen des dortigen Aufeinandertreffens teils unterschiedlicher nationaler Interessen allgemein an Bedeutung gewinnen63So auch Silberman, 26 Hous. J. Int'l L 327, 359 (2004) mit beispielhaftem Verweis auf die Haftungseinschränkungen gegenüber Internet Providern in den USA (47 U.S.C.S. 230), die sich jedoch auch in vielen anderen Staaten finden..Zu einer Verweigerung der Anerkennung kann es darüber hinaus bei Vorliegen einer anderen, widersprechenden Entscheidung kommen, wobei nach der last shot rule regelmäßig die letzte Entscheidung anerkannt wird, was auf der Theorie fußt, dass diese über die Gültigkeit der ersten Entscheidung befindet64Entscheidungen, welche gegen das verfassungsrechtliche Kriterium eines fairen Prozesses verstoßen, werden - wegen der sonst bestehenden verfassungsrechtlich postulierten Pflicht zur Anerkennung von Entscheidungen anderer US-Staaten - als nichtig qualifiziert. Über das Vorliegen einer solchen Nichtigkeit spricht regelmäßig ein später mit dem Fall befasstes Gericht im Rahmen der Anerkennung der Entscheidung oder im Rahmen eines Res-judicata-Einwandes ab.. Ist dies offensichtlich nicht der Fall, kann auch das erste Urteil als verbindlich anerkannt werden65Siehe von Mehren/Patterson, in: von Mehren (Fn. 1), S. 50 m. w. N.. Weiter kann es zur Verweigerung der Anerkennung bei Vorliegen einer- nichtigen66Siehe im Detail Restatement (Second) Conflict of Laws, § 92; siehe auch Jones,in:von Mehren (Fn. 1), S. 81.,- bedingten67Restatement (Second) Conflict of Laws, § 101.,- nicht abschließenden oder- inhaltlich - vor allem der Höhe nach68Siehe Restatement (Second) Conflict of Laws, § 108. - nicht bestimmtenEntscheidung kommen. Ebenso bei- Urteilserschleichung (fraud)69Erfüllt bei listigem Abhalten vom Prozess (sog. extrinsic fraud). Als nicht ausreichend wird die Urteilserschleichung durch Meineid oder falsche Beweismittel qualifiziert (intrinsic fraud). Diese Umstände sind im Urteilsstaat zu bekämpfen, siehe z. B. von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 37 ff.,- bei der Anerkennung von Strafen, die nicht den Parteien, sondern öffentlichen Körperschaften zufließen70Siehe Busch, in: von Mehren (Fn. 1), S. 75 ff., - Erfüllung der Entscheidung (discharge)71Restatement (Second) Conflict of Laws, § 116.,- Vollstreckbarkeitsverjährung im Anerkennungsstaat72Siehe Restatement (Second) Conflict of Laws, § 118.,- Änderung der Entscheidung (reversal)73Restatement (Second) Conflict of Laws, § 121. sowie- nach dem Ermessen des allgemeinen Billigkeitsrechts74Restatement (Second) Conflict of Laws, § 115. (equitable relief) 75Siehe von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 49. Siehe zu alldem auch Restatement (Second) Conflict of Laws, § 93 ff..Die Vollstreckung richtet sich nach dem Recht der Einzelstaaten (local law)76Restatement (Second) Conflict of Laws, § 99; siehe auch von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 53.. Möglich sind die Pfändung und der Verkauf (attachment and sale) von beweglichen und unbeweglichen Sachen einschließlich der Forderungsexekution sowie Geld und Haftstrafen bei Missachtung gerichtlicher Anordnungen (contempt of court)77Siehe zur Vollstreckung von Urteilen in den USA z. B. Friedenthal/Kane/Miller (Fn. 9), S. 724..Der Haager Konventionsentwurf für ein weltweites Zuständigkeits-, Anerkennungs-, und Vollstreckungsübereinkommen ist wegen offenbar unüberwindbarer Differenzen der verschiedenen Staaten in seiner umfassenden Form vorerst gescheitert. Ein weit reichender Konsens wurde dagegen bereits für die Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung bei Gerichtsstandsvereinbarungen gefunden78Siehe dazu die Informationen der Hague Conference on Private International Law unter http://hcch.e-vision.nl/index_en.php?act=progress.listing&cat=4.. Daneben arbeitet das American Law Institut (ALI)79Im Internet unter http://www.ali.org. an einem Bundesgesetz (federal statute) für die einheitliche Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen80Siehe Silberman, 26 Hous. J. Int'l L 327, Fn 52 (2004) oder Silberman/Lowenfeld, A Different Challenge for the ALI: Herein of Foreign Country Judgments, an International Treaty and an American Statute, 75 Ind. L. J. 635, 635 (2000)., welches die momentane Rechtszersplitterung im Anerkennungsrecht der verschiedenen US-Staaten beseitigen könnte.5. Mögliche Kritik an der US-Berufungsentscheidung Yahoo!Das Interesse von Internetunternehmen wie Yahoo! an der Rechtssicherheit über die Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen in den USA ist evident, die Ablehnung der Zuständigkeit durch das Berufungsgericht überzeugt nicht. Ausreichend für die Bejahung der Zuständigkeit im Staat Kalifornien ist das vom U.S. Supreme Court postulierte Erfordernis eines ausreichenden Mindestkontakts des Beklagten zum Gerichtsstaat, welcher die Durchführung eines dortigen Prozesses als vorhersehbar und fair qualifizieren lässt81Siehe World Wide Volkswagen Corp. v. Woodson, 444 U.S. 286, 297 (1980) oder Shaffer v. Heitner, 433 U.S. 186 (1977).. Gefordert wird hierfür ein freiwilliges, auf den Gerichtsstaat abzielendes Verhalten (purposeful availment). Gerade diese Kriterien werden konkret erfüllt.So zielen die im US-Feststellungsverfahren beklagten französischen Interessensverbände intentional auf die Unterlassung bestimmter Handlungen im Gerichtsstaat ab und erwirkten ein diesbezügliches Unterlassungsurteil in Frankreich. Durch die allgemeine Anerkennung ausländischer Entscheidungen in den USA wurde damit eine unzumutbare Rechtsunsicherheit für die Internetplattform Yahoo! über ihre Rechte und Pflichten in Kalifornien geschaffen, wobei das französische Gericht ein Bußgeld in der Höhe von 100 000 Franc für jeden Tag der Nichtbeachtung nach Ablauf der dreimonatigen Leistungsfrist anordnete. Eine Vollstreckung des Urteils in Frankreich scheidet grundsätzlich aus82Yahoo! Inc. verfügt grundsätzlich über kein Vermögen in Frankreich. Eine Vollstreckung gegen die französische Niederlassung von Yahoo! scheidet nach der französischen Entscheidung aus, diese hatte bereits sämtliche Nazi-Artikel von seiner Webseite entfernt.. Die Vollsteckung der Entscheidung in den USA ist dagegen besonders nahe liegend und es wurde auf eine dortige Vollstreckung auch nicht verzichtet. Diefranzösischen Interessensverbände berufen sich im Rahmen ihres Unzuständigkeitseinwandes8312(b) Fed .R. Civ.P. lediglich auf die abstrakte Möglichkeit eines nicht in den USA erfolgenden Anerkennungs- und Vollstreckungsantrags, obwohl dieser besonders nahe liegt. Das Vorliegen eines ausreichenden Mindestkontakts im Sinne eines intentional auf den Gerichtsstaat abzielenden Verhaltens, das einen Prozess als angemessen und fair qualifizieren lässt, muss damit bejaht werden.Zwei der drei Richter verneinten die Zuständigkeit mit dem Argument, dass nach dem Erfolgsortgerichtsstand (effects test) allgemein die Verwirklichung eines Delikts im Gerichtsstaat gefordert wird, worunter das Verhalten der Beklagten nicht subsumiert werden könne. Nach der abweichenden Meinung von Richter Brunetti ist das Vorliegen eines Deliktes keine notwendige Voraussetzung für die Zuständigkeitswahrnehmung nach dem effects test. Der pauschale Verweis der kalifornischen Zivilprozessordnung auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben wäre jedenfalls ausreichende Grundlage gewesen, die Gerichtsbarkeit im konkreten Fall als angemessen und fair und mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar qualifizieren zu können. Eine Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen sollte in Staaten mit pauschalem Verweis auf die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsschranken jedenfalls stets dann bejaht werden, wenn ausländische Entscheidungen auf die Vornahme von Handlungen oder Unterlassungen im Gerichtsstaat gerichtet sind.Mittlerweile wurde von der Mehrheit der aktiven und nicht ausgeschlossenen Richter des neunten Berufungsbezirks entschieden, über die Berufung nochmals durch einen 11-köpfigen Senat zu entscheiden, was den Sprengstoff und die Kritisierbarkeit der Entscheidung zeigt und meiner Ansicht nach zu einer klaren Abänderung der Entscheidung im hier vorgeschlagenen Sinn führen wird84Siehe die Entscheidung Yahoo! Inc. v. La Ligue Contre Le Racisme Et L'Antisémitisme, 399 F.3d 1010 (9th Cir. 2005)..6. Rechtsunsicherheit bei Vollstreckung ausländischer ZwangsgelderBesonders problematisch erscheint die Rechtsunsicherheit über die Anerkennung ausländischer (Internet-)Entscheidungen bei Vollstreckung ausländischer Zwangsgelder wie bei Vollstreckung des - durch das französische Gericht angeordneten - Zwangsgeldes (astreinte) in der Höhe von 100 000 Franc für jeden Tag der Nichtbeachtung der Entscheidung im Fall Yahoo!. Bei der astreinte fließt das Zwangsgeld historisch bedingt nicht - wie allgemein üblich - dem Staat, sondern den Klägern zu85Das französische Recht kannte ursprünglich keine Durchsetzung von Handlungen und Unterlassungen, auch wenn die Klage auf Naturalerfüllung gerichtet war. Dem Schuldner stand es demnach frei, zu erfüllen oder Schadenersatz zu leisten. Gerade die angedrohte Schadenersatzverpflichtung wurde letztlich jedoch zum heutigen Naturalerfüllungszwang unter dem Begriff der astreinte, siehe z. B. Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld: Vergleich - Vereinheitlichung - Kollisionsrecht, 1992, S. 34 oder Klinker, Die astreinte im französischen Zivilrecht, 2002.. Sollen solche Zwangsgelder im Fall der Anerkennung rückwirkend als auf Geldleistung gerichtete Entscheidungen vollstreckt oder deren Anerkennung verweigert werden?86Die Anerkennung ausländischer Zwangsgelder wird literarisch nur wenig erörtert, siehe hierzu Remien (Fn. 85), S. 309.Während deutsch-autonomes Recht ausländische Zwangsgelder nicht anerkennt, sondern lediglich die in der Entscheidung angeordnete Handlung oder Unterlassung nach nationalem Exekutionsrecht vollstreckt87Siehe z. B. Schack (Fn. 26), S. 412 Rdnr. 974., werden Zwangsgelder innerhalb des EWR anerkannt und vollstreckt, soweit die Höhe des Zwangsgeldes in der Entscheidung endgültig festgelegt wurde88Art. 49 EuGVVO; 43 EuGVÜ/LGVÜ.. Die Anerkennung ausländischer Zwangsgelder in einer Staatengemeinschaft mit gemeinsamen Zuständigkeitsbestimmungen, weitgehend gleichen Grundwertungen und damit allgemein weitestgehender zwischenstaatlicher Anerkennung von Entscheidungen ist ein mögliches - wenn auch im Internetkontext nicht unproblematisches89Siehe auch die massive Kritik Schacks, der generell für eine Abschaffung der diesbezüglichen europäischen Normen plädiert, siehe Schack (Fn. 26), S. 414 Rdnr. 977; siehe dazu auch Abschnitt III. - Instrumentarium zur Erreichung einer möglichst umfassenden Urteilsfreizügigkeit. Die Anerkennung ausländischer Zwangsgelder außerhalb einer stark harmonisierten Staatengemeinschaft ist dagegen überaus problematisch.Die Vollstreckung von Zwangsgeldern in den USA scheint keineswegs ausgeschlossen. So ist auch das erstinstanzliche Gericht im Fall Yahoo! in seinen Ausführungen offenbar von der Vollstreckbarkeit solcher Zwangsgelder ausgegangen. Wesentliches Kriterium bei der Anerkennung ausländischer Zwangsgelder in den USA scheint die Abgrenzung zwischen grundsätzlich anerkennungsfähigen zivilrechtlichen Entscheidungen und außerhalb völkerrechtlicher Abkommen nicht anerkennungsfähiger straf- oder öffentlich-rechtlicher Entscheidungen zu sein. Als Kriterium der als schwierig bezeichneten Abgrenzung wird darauf abgestellt, ob das Zwangsgeld einer öffentlichen Körperschaft oder ähnlichen Einrichtungen oder aber privaten Parteien zufließt90Siehe z. B. Busch, in: von Mehren (Fn. 1), S. 76.. Ob eine solche Abgrenzung angesichts der eher historisch begründeten Differenzierung sinnvoll ist, scheint allerdings fraglich91Vgl auch Remien (Fn. 85), S. 319 mit Nachweis der Tendenz romanischer Regelungen Zwangs- und Ordnungsgelder den Parteien und nicht dem Staat zufließen zu lassen und diesbezüglicher teilweiser Reformen.. Dass private Personen - wie im Fall Yahoo! - öffentliche Interessen durchsetzen und quasi als »privater Staatsanwalt« agieren, hindert die Qualifizierung solcher Entscheidungen als Zivilrechtsentscheidungen danach nicht. Die Verfolgung öffentlicher Interessen durch private Kläger hat in den USA vielmehr - wie auch im Bereich des berüchtigten Strafschadenersatzes (punitive damages) - eine lange Tradition, wenn in jüngerer Zeit teils auch die Einziehung solcher Geldleistungen durch den Staat propagiert wird. Die Anerkennung ausländischer Zwangsgeldandrohungen in den USA scheint daher keinesfalls ausgeschlossen, wenn auch aus Sicht der Rechtssicherheit - speziell im Internetkontext - überaus problematisch.7. Globaler Justizkonflikt im CyberspaceZweckmäßiger als eine »harte« Kollision umfassend wahrgenommener nationaler Interessen und Souveränität wie im Fall Yahoo! ist eine freiwillige, maßvolle Reduktion der Zuständigkeit und Rechtsanwendung im Cyberspace, um einen globalen Justizkonflikt92Siehe zum Begriff des Justizkonflikts Habscheid (Hrsg.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985; siehe zu internationalen Kompetenzkonflikten auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht, 1996. und Cyberwar zuvermeiden93Schack weist zutreffend darauf hin, dass IZVR nicht als Mittel zur juristischen Kriegsführung dienen, sondern den internationalen Handels- und Rechtsverkehr erleichtern soll, Schack (Fn. 26), S. 432 Rdnr. 1033. Siehe als Beispiel bisheriger nationaler Interessenskollision etwa die extraterritoriale Anwendung US-amerikanischen Kartellrechts bei Vorliegen von US-Inlandsauswirkungen und deren Abwehr im Ausland durch Rückforderungsgesetze (clawback statutes), welche die Anerkennung solcher Kartellentscheidungen verweigern, soweit sie über einen bloßen Schadensausgleich hinausgehen und dem Betroffenen einen diesbezüglichen Rückforderungsanspruch gewähren, siehe hierzu z. B. Autenrieth, RIW 1983, 15 ff.; Schack (Fn. 26), S. 429 Rdnr. 1027 ff. u. v. a.. So sollte der Erfolgsortgerichtsstand im Bereich des Cyberspace teleologisch reduziert nur einschränkend wahrgenommen werden, soweit über die bloß inländische Abrufbarkeit einer Webpage eine spürbare inländische Interessenbeeinträchtigung analog dem im Wettbewerbsrecht geltenden Marktortprinzip vorliegt. Gleiches gilt für die Frage des anwendbaren Rechts.Im Fall Yahoo! scheint es zweckmäßig, die Zuständigkeit französischer Gerichte und die Anwendung französischer Verbotsnormen auf den Verkauf von Nazi-Objekten an französische Internetnutzer zu beschränken. Das Bewerben solcher Waren für Märkte außerhalb Frankreichs sollte dagegen als unzureichende Grundlage für die Bejahung französischer Zuständigkeit qualifiziert werden. Dies insbesondere im Hinblick auf die im Internet ohnehin nicht mögliche völlige Eliminierung der Abrufbarkeit solcher Objekte, vor allem gegenüber Anbietern mit Sitzen in Vollzugsoasen. Vorteile der mäßigen Einschränkung staatlicher Internetintervention94Der Cyberspace als völlig rechtsfreier Raum wird heute kaum noch gefordert, da eine Selbstregulierung des Internets nur sehr eingeschränkt, in ganz bestimmten Rechtsbereichen funktioniert, so z. B. im Rahmen außergerichtlicher Domain-Entscheidungen, welche von den Domain-Verwaltungsstellen umgehend außergerichtlich umgesetzt werden und eine sehr effektive Entlastung staatlicher Gerichte bewirken. wären eine erhöhte Rechtssicherheit und weitgehender Schutz von Internetnutzern vor ausufernden und kostenintensiven ausländischen Prozessen mit ohnehin häufig beschränkt möglicher Vollstreckbarkeit. Auch bei nationalem Schutz von Internetanbietern durch Verweigerung der Anerkennung ausländischer Entscheidungen im (Wohn-)Sitzstaat besteht die Gefahr einer Durchsetzung von Geldstrafen bis hin zum Freiheitsentzug im Rahmen späterer Auslandsaufenthalte95Siehe z. B. die Festnahme eines russischen Mathematikstudenten im Rahmen eines Konferenzaufenthaltes in Las Vegas, USA wegen Veröffentlichung von Algorithmen im Internet in Widerspruch zu US-amerikanischem Urheberrecht, siehe dazu z. B. Wildpaner, MR 2002, 383 ff. oder die im Anschluss ergangene US-Entscheidung United States of America v ELCOM.LTD 203 F.Supp. 2d 1111; 62 U.S.P.Q.2D (BNA) 1736; Copy. L. Rep. (CCH) P28,453 (N.D. Cal. 2002).. Gleiches gilt bei Vorhandensein vollstreckbaren Vermögens im Entscheidungsstaat oder einem Staat, in dem die ursprüngliche Entscheidung anerkannt und vollstreckt werden kann, wie weitestgehend innerhalb des EWR96Vgl auch die Entscheidungsanmerkung zur erstinstanzlichen US-Entscheidung im Fall Yahoo! von Mankowski, MMR 2002, 26, 29.. Die Bereitschaft von Staaten zur einschränkenden Ausübung hoheitlicher Befugnisse hängt letztlich vom Umfang der konkret im Inland beeinträchtigten Interessen ab. So wird ein friedliches Nebeneinander nationaler Markenrechte97Nach klassisch-territorialem Markenrecht hätten Inhaber gleicher Marken in verschiedenen Staaten ein Verwendungsmonopol im jeweiligen Staat und könnten beide die Verwendung der Bezeichnung im Internet wegen der jeweiligen Abrufbarkeit im territorialen Schutzbereich ihrer Marke untersagen, wodurch die Verwendung nationaler Marken im Internet vielfach rechtlich unmöglich würde. Wegen der Unerwünschtheit einer solchen Pattstellung und Blockade, wird die Zuständigkeit und Rechtsanwendung im Internet eingeschränkt oder nationale Vorschriften an die Besonderheiten des Internets angepasst und so ein friedliches Nebeneinander nationaler Marken garantiert, so z. B. nach dem US-amerikanischen Domain-Gesetz (ACPA). Siehe zur Kollision nationaler Kennzeichenrechte und zur Einschränkung von Zuständigkeit und anwendbarem Recht Lurger, in: Mayer-Schönberger/Galla/Fallenböck (Fn. 24), S. 103 ff. m. w. N. eher akzeptiert als Verstöße gegen Nazi-Verbotsvorschriften oder nationale Glücksspielverbote98Siehe zu den restriktiven Glücksspielverboten nach US-Recht z. B. Keller, The Game's the Same: Why Gambling in Cyberspace Violates Federal Law, 108 Yale L.J. 1569 (1999). oder Vorschriften gegen Kinder-Pornografie.Bei unvermeidbarem Aufeinanderprallen nationaler Interessen können territorial beschränkte Verbote und deren effektive Umsetzung durch Einschränkung der örtlichen Abrufbarkeit von Webseiten durch die Verwendung von Tracking-Software eine angemessene Beschränkung möglicher Rechtskollisionen bewirken99Vgl auch Lurger, in: Gruber (Fn. 24), S. 69, 100.. Doch sollte eine solche territoriale Entkoppelung nur sehr zurückhaltend zum Schutz besonders gewichtiger Interessen eingesetzt werden, soweit dies ein geeignetes und effektives Mittel zur Interessenswahrung darstellt. Anderenfalls könnten ausufernde ausländische Prozesse und extensiv nationale Rechtsanwendung zu einer überschießenden, freiwilligen Entkoppelung des Internets durch räumlich beschränkte Freigabe von Internetinformationen durch Internetnutzer führen, wodurch der globale Informationsfluss als große Errungenschaft des 20. Jahrhunderts - dem sich selbst restriktive Staaten wie China grundsätzlich geöffnet haben100Siehe dazu z. B. Wang, The Internet and E-Commerce in China: Regulations, Judicial Views, and Government Policies, The Computer & Internet Lawyer 2001, 12 ff. - wieder eingebüßt würde. Die Vereinbarkeit einer so weit reichenden Folge mit einer ernst genommenen Informations-Empfangsfreiheit - wie in Art. 10 EMRK101Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention). garantiert - ist keinesfalls unproblematisch.II. Die Rechtslage in anderen US-StaatenViele US-Staaten schränken die verfassungsrechtlich zulässige Zuständigkeitsausübung in den long arm statutes weiter ein, ohne die Feststellung der Anerkennung ausdrücklich zu erwähnen. Dennoch steht dies der Bejahung einer Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennung nicht zwingend entgegen. US-Bundesgerichte nehmen seit einer Zivilprozess-Novelle 1993 ihre Zuständigkeit gegenüber Personen ohne sonstigen Gerichtsstand in den USA bis zur Grenze der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit wahr102Siehe Fed. R. Civ. P. 4(k)(2): »If the exercise of jurisdiction is consistent with the Constitution and laws of the United States, serving a summons or filing a waiver of service is also effective, with respect to claims arising under federal law, to establish personal jurisdiction over the person of any defendant who is not subject to the jurisdiction of the courts of general jurisdiction of any state [Gerichtsbarkeit der Einzelstaaten nach den long-arm statutes].«. Erforderlich ist dafür jedoch, dass sich die Klage auf Bundesrecht stützt (claims arising under federal law).Bundesgerichte und die Gerichte der Einzelstaaten beurteilen die Frage der Anerkennung und Vollstreckung allgemein nach dem Recht der Einzelstaaten. Dennoch wurde vom U.S. Supreme Court nie wirklich geklärt, ob die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in die Kompetenz des Bundes oder jene der Einzelstaaten fällt103Siehe Restatement (Second) Conflict of Laws § 98, cmt. c; siehe auch von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 17.. So wird bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen die Bundeskompetenz zur Regelung ausländischer Beziehungen (foreign affairs) zumindest berührt104Vgl von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 17. und es gibt kaumZweifel, dass der Bundesgesetzgeber über die Kompetenz zur Schaffung bundeseinheitlicher Anerkennungsregeln verfügt105Von Mehren/Patterson,in:von Mehren(Fn. 1), S. 16 f.; Ausdruck dieser Ansicht sind auch die aktuellen Arbeiten an einem einheitlichen Bundesgesetz über die Anerkennung ausländischer Entscheidungen (siehe oben).. Von Mehren/Patterson raten allgemein, den Umstand, dass Anerkennungsrecht Bundesrecht darstellen könnte, stets im Auge zu behalten106Von Mehren/Patterson,in:von Mehren (Fn. 1), S. 18.. Gleiches gilt damit für die Anwendbarkeit der Zuständigkeitsbestimmung 4(k)(2) Fed. R. Civ. P.Darüber hinaus wurde - angesichts des Wortlauts sicherlich nicht unproblematisch - vertreten, dass die Zuständigkeitsbestimmung nicht nur auf Ansprüche aus Bundesrecht beschränkt seien. Die Bestimmung müsse nach dem Zweck zumindest auch für das überwiegend dem Bundesrecht zugeordnete Seerecht Anwendung finden107Siehe World Tanker Carriers Corp. v. M/V YA MAWLAYA, 99 F.3d 717, 720 (5th Cir. 1996); Western Equities, Ltd. v. Hanseatic Ltd., 956 F. Supp. 1232, 1235 (D.V.I. 1997). Siehe auch Scoles/Hay/Borchers/Symeonides (Fn. 9), S. 424.. Teilweise wurde von der Rechtsprechung obiter sogar ausgeführt, die Bestimmung sei auf sämtliche Klagen vor Bundesgerichten anwendbar108Siehe West Afr. Trading & Shipping Co. v. London Int'l Group, 968 F. Supp. 996, 999 (D.N.J. 1997): »this Court finds that Rule 4(k)(2) applies to all federal actions, not only those arising under federal question jurisdiction.«. Damit wäre die Bestimmung gegenüber Ausländern stets anwendbar109Die (sachliche) Zuständigkeit von Bundesgerichten gründet entweder auf der Anwendung von Bundesrecht (federal question cases) oder auf der unterschiedlichen Staatsangehörigkeit der Parteien (diversity of citizenship). Die Staatsbürgerschaft der Einzelstaaten orientiert sich dabei am Domizilprinzip.. Zumindest argumentierbar scheint auch, den bundesrechtlichen Feststellungsanspruch als Grundlage für die Anwendbarkeit der angeführten Zuständigkeitsnorm heranzuziehen, auch wenn der Feststellungsanspruch für sich keine eigenständige Zuständigkeitsnorm darstellt110Siehe Yahoo! Inc., 169 F. Supp. 2d 1181, 1187 (N.D. Cal. 2001)..Angesichts der Unsicherheit über die Qualifizierung der Anerkennung als Bundeskompetenz und der Unsicherheit über den genauen Anwendungsbereich von Rule 4(k)(2) Fed. R. Civ. P. bleibt die Entwicklung von Literatur und Rechtsprechung abzuwarten.Ausgeschlossen scheint die Bejahung einer Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer Entscheidungen in Staaten mit taxativer Aufzählung der Zuständigkeitstatbestände in den long arm statutes daher angesichts des massiven Feststellungsinteresses von Betroffenen keinesfalls. In Staaten mit Pauschalverweis der Zuständigkeitsvorschriften auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben ist die Wahrnehmung einer Feststellungszuständigkeit nach der hier vertretenen Auffassung jedenfalls möglich, soweit die anzuerkennende Entscheidung die Vornahme einer Handlung oder Unterlassung im Gerichtsstaat anordnet.III. Die Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennung in EuropaAuch im umgekehrten Fall eines inländischen Beklagten in einem ausländischen Internetprozess hat dieser ein massives Interesse an der Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit der Entscheidung im Inland, es wäre für den Beklagten völlig unzumutbar, endlos zu warten, bis der Kläger die Initiative zur Vollstreckung seiner Entscheidung ergreift111So bereits Geimer, JZ 1977, 145 (149); Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, S. 1107; Kropholler, EuZPR, 2. Aufl. 2002, Art. 33 EuGVO Rdnr. 7.. Denkbar wäre etwa die Verurteilung eines nach inländischem Recht genehmigten Online-Glücksspielanbieters wegen Verstoßes gegen weit reichende Glücksspielverbote in den USA112Siehe dazu z. B. Keller, The Game's the Same: Why Gambling in Cyberspace Violates Federal Law, 108 Yale L.J. 1569 (1999). oder

02.01.2006
: Frankreichs Insolvenzrechtsreform setzt auf Vorbeugung

Mit dem zum 1. 1. 2006 in Kraft tretenden "Gesetz zum Erhalt von Unternehmen" ("Loi de sauvegarde des entreprises") vom 26. 7. 2005 hat Frankreich jetzt nach 1967 und 1985 die dritte umfassende Reform seines Insolvenzrechtes durchgeführt. Das verabschiedete Gesetz, dessen Ausführungsverordnung zum Jahresende erwartet wird (seit Oktober 2005 liegt ein Vorentwurf vor, der insgesamt 338 Artikel umfasst), ist das Ergebnis einer über ein Jahr andauernden kontroversen Debatte in der Nationalversammlung und dem Senat, das letztendlich erst nach zahlreichen Änderungen im Vermittlungsausschuss zustande kam. Der anschließend von einer Gruppe von Abgeordneten, die Teile des Gesetzes aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz für verfassungswidrig hielten, angerufene Conseil Constitutionnel bestätigte schließlich mit Entscheidung v. 22. 7. 2005 die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes und machte somit endgültig den Weg zu seiner Umsetzung frei.

02.01.2006
: Delaware bestätigt Gründungstheorie und schützt Pseudo-Foreign Corporations

Im Mai dieses Jahres hat der Supreme Court of Delaware die Gründungstheorie des US-amerikanischen Gesellschaftskollisionsrechts eindrucksvoll bestätigt. Das Gericht entschied, eine in Delaware gegründete Gesellschaft unterliege ihrem Gründungsrecht und nicht ihrem kalifornischen Sitzrecht, auch wenn sie überwiegend in Kalifornien tätig sei. Der vorliegende Beitrag erläutert diese Entscheidung und ordnet sie in das geltende Recht ein. Abschließend folgen Anmerkungen zur Bedeutung des Urteils für den deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag.

02.01.2006
: Die Zuständigkeit US-amerikanischer und europäischer Gerichte zur Feststellung der Anerkennung und Vollstreckbarkeit ausländischer (Internet-)Entscheidungen

Ein französisches Gericht verurteilte die US-Internetplattform Yahoo! dazu, Webseiten für französische Internetnutzer zu sperren, auf denen Nazi-Objekte angeboten und versteigert werden. Darauf brachte Yahoo! an seinem Unternehmenssitz in Kalifornien eine Klage auf Feststellung der fehlenden Vollstreckbarkeit der Entscheidung in den USA wegen Widerspruchs zur dortigen Meinungsfreiheit ein. Während das erstinstanzliche US-Gericht seine Zuständigkeit bejahte und die Unzulässigkeit der Vollstreckung in den USA feststellte, führte das Berufungsgericht aus, dass über die Frage der Anerkennung und Vollstreckung erst im Rahmen eines tatsächlich eingeleiteten Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens entschieden werden könne. Internetnutzer werden wegen der weltweiten Abrufbarkeit jeder ins Internet gestellten Information potenziell mit weltweiten Gerichtsständen und der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen konfrontiert, weshalb der Frage der Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheidungen und einer diesbezüglichen Feststellungsmöglichkeit grundlegende Bedeutung zukommt. Die US-Entscheidung ist daher problematisch; die Zuständigkeit nach US-Recht hätte durchaus bejaht werden können und müssen. Auch innerhalb Europas ist das Interesse an der Feststellung der Anerkennung ausländischer Internetentscheidungen evident. Deren Zulässigkeit ist jedoch umstritten und soll im Folgenden untersucht werden.

02.01.2006
: Europäisches Arbeitsrecht 2004/2005

I. Betriebsübergang (Richtlinie 77/187/EWG)Im Vordergrund des letzten Berichts standen Entscheidungen zur Betriebsübergangsrichtlinie.3Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. 2. 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABlEG Nr. L 61 vom 5. 3. 1977, S. 26), geändert durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. 6. 1998 (ABlEG Nr. L 201 vom 17. 7. 1998, S. 88), neu kodifiziert durch die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. 3. 2001 (ABlEG Nr. L 82 vom 22. 3. 2001, S. 16). Während der EuGH mit seinem Urteil in der Rechtssache Abler/Sodexho im Jahr 2003 Aufsehen erregte, sind die im Berichtszeitraum 2004/20054Stand der Rechtsprechung ist Oktober 2005. ergangenen Entscheidungen - zumindest aus deutscher Sicht - weniger spektakulär.5EuGH, 20. 11. 2003 - Rs. C-340/01, Slg. 2003 I, 14023 = NJW 2004, 45 = NZA 2003, 1385 - Abler/Sodexho. Dazu Junker, RIW 2004, 409, 411 ff., jüngst Jochums, NJW 2005, 2580.1. Verstaatlichung - Rechtssache DelahayeAuf Vorlage der luxemburgischen Cour administrative sah sich der EuGH in einer Entscheidung vom 11. 11. 2004 mit der Frage konfrontiert, ob nach einem Unternehmensübergang einer juristischen Person des Privatrechts auf den Staat der Staat die Vergütung kürzen darf, um nationale Vorschriften für öffentliche Angestellte zu erfüllen.6EuGH, 11. 11. 2004 - Rs. C-425/02, NZA 2004, 1379 = EuZW 2004, 767 = AP Nr. 37 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 - Delahaye. Im Ausgangsverfahren übernahm der Staat zwar die bei dem privaten Unternehmen angestellten Arbeitnehmer, weigerte sich jedoch, die Vergütung in voller Höhe aufrechtzuerhalten. Die Klägerin, die dadurch gut ein Drittel ihres Monatsgehalts einbüßte, reklamierte einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG.Der EuGH erinnert zunächst an seine ständige Rechtsprechung, wonach die Übertragung einer wirtschaftlichen Tätigkeit einer juristischen Person des Privatrechts auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts grundsätzlich in den Anwendungsbereich der Betriebsübergangsrichtlinie fällt.7Vgl. nun Art. 1 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2001/23/EG. Sodann stellt er fest, dass nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zwar die Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsvertrag auf den Erwerber übergehen. Die Richtlinie ziele aber nur auf eine Teilharmonisierung. So schließe sie es im Fall eines Betriebsübergangs auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts nicht aus, dass nationale Rechtsvorschriften die Beendigung der privatrechtlichen Arbeitsverträge vorsehen.8EuGH, 11. 11. 2004 - Rs. C-425/02, NZA 2004, 1379 Rdnr. 32 - Delahaye unter Verweis auf EuGH, 26. 9. 2000 - Rs. C-175/99, Slg. 2000 I, 7755, 7796 Rdnr. 56 - Mayeur. Dazu Junker, RIW 2003, 698, 705. Nichts anderes könne gelten, wenn nationale Vorschriften für den öffentlichen Dienst die Kürzung der Vergütung der betroffenen Arbeitnehmer bedingen.2. Privatisierung - Rechtssache CeltecEinen umgekehrten Fall betraf die Rechtssache Celtec, entschieden am 26. 5. 2005.9EuGH, 26. 5. 2005 - Rs. C-478/03, NZA 2005, 681 = ZIP 2005, 1377 = EuZW 2005, 404 - Celtec. Hier ging es um die Privatisierung einer ehemals staatlich ausgeübten Tätigkeit. Der EuGH hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, welches der maßgebliche »Zeitpunkt des Betriebsübergangs« i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG ist. Problematisch war dies im britischen Ausgangsverfahren deshalb, weil sich die Privatisierung »etappenweise« vollzog. Die private Einrichtung führte zwar die Tätigkeit der staatlichen Behörden - Durchführung von Programmen für die Ausbildung Jugendlicher und Arbeitsloser - unter Nutzung der behördlichen Räumlichkeiten im Jahr 1990 fort, allerdings wurden die ehemaligen staatlichen Bediensteten unter Beibehaltung ihres Beamtenstatus zunächst nur abgeordnet. Erst 1993 schieden sie aus dem Beamtenverhältnis aus und wurden von der privaten Einrichtung angestellt. Dementsprechend divergierten die Einschätzungen der nationalen Gerichte: Einige Gerichte legten den Begriff des Übergangszeitpunkts in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie im Sinne eines »Übergangszeitraums« aus, der erst mit Übergang der Arbeitsverhältnisse 1993 endete. Dagegen wurde vorgebracht, der Übergangszeitpunkt lasse sich nur punktuell bestimmen. Maßgeblich sei dabei der Zeitpunkt der Inbesitznahme des übertragenen Unternehmens durch den Erwerber, im Ausgangsfall also die Aufnahme der Tätigkeit im Jahr 1990.10Zitiert in den Schlussanträgen des Generalanwalts Poiares Maduro vom 27. 1. 2005 - Rs. C-478/03, Rdnr. 44 ff.Dem folgt im Ansatz der EuGH. Einen »Übergangszeitraum« lehnt der Gerichtshof unter Hinweis auf den Wortlautdes Art. 3 Abs. 1 (»Zeitpunkt« des Übergangs) sowie aus Gründen der Rechtssicherheit ab. Zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts führt der Gerichtshof aus, »dass mit ihm der Zeitpunkt gemeint ist, zu dem die Inhaberschaft, mit der die Verantwortung für den Betrieb der betreffenden Einheit verbunden ist, vom Veräußerer auf den Erwerber übergeht«.11EuGH, 26. 5. 2005 - Rs. C-478/03, NZA 2005, 681, 682 Rdnr. 36 - Celtec. Zu demselben Zeitpunkt erfolge nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie notwendigerweise auch der Übergang der Arbeitsverhältnisse, unabhängig davon, welche Einzelheiten die am Übergang Beteiligten hierzu vereinbart hätten.II. Gleichbehandlung (Richtlinien 76/207/EWG, 75/117/EWG; Art. 141 EG)Wie auch in den Jahren zuvor war ein Schwerpunkt der EuGH-Rechtsprechung die Gleichbehandlung von Männern und Frauen. Maßgebliche Rechtsquellen sind die Richtlinien 76/207/EWG12Richtlinie des Rates vom 9. 2. 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABlEG Nr. L 39 vom 14. 2. 1976, S. 40). und 75/117/EWG13Richtlinie des Rates vom 10. 2. 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABlEG Nr. L 45 vom 19. 2. 1975, S. 19). sowie primärrechtlich Art. 141 EG. Zu einer Ausdehnung des Diskriminierungsverbots führte zudem die Richtlinie 2002/73/EG zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG, die jedoch aufgrund ihrer Umsetzungsfrist bis zum 5. 10. 2005 bei den hier zu besprechenden Entscheidungen vom EuGH noch nicht zu berücksichtigen war.14Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG (ABlEG Nr. L 269 vom 15. 10. 2002, S. 15). Dazu bereits Hadeler, NZA 2003, 77; Junker, RIW 2003, 698, 703; Rust, NZA 2003, 72; s. auch Schiek, NZA 2004, 873. Von den gut 15 Urteilen im Berichtszeitraum können hier nur einige referiert werden.15Zu allen im Jahr 2004 ergangenen Urteilen mit Vorgriff auf das Jahr 2005 s. Winter, Jahrbuch des Arbeitsrechts 42 (2005), 51, 72 ff.1. Diskriminierung im Zusammenhang mit der Schwangerschaft - Rechtssache SassDie vom EuGH am 18. 11. 2004 entschiedene Rechtssache Sass beruhte auf einer Vorlage des BAG.16EuGH, 18. 11. 2004 - Rs. C-284/02, NZA 2005, 399 = EuZW 2005, 119 - Sass, aufgrund der Vorlage des BAG, 21. 3. 2002 - 6 AZR 108/01 (A), BAGE 101, 21 = NZA 2003, 112 = BB 2003, 154 = AP Nr. 2 zu § 23 a BAT-O m. Anm. Schiek. Die Klägerin war seit 1982 bei der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam als Produktionsleiterin beschäftigt. Nach der Wiedervereinigung ging das Arbeitsverhältnis auf das Land Brandenburg über. Noch zu Zeiten der DDR hatte die Klägerin im Anschluss an ihre Schwangerschaft nach den damals geltenden Vorschriften (§ 244 AGB-DDR) sog. Wochenurlaub von 20 Wochen genommen. Anlässlich der Umgruppierung in eine höhere Lohngruppe aufgrund 15-jähriger Bewährungszeit rechnete das Land Brandenburg jedoch nur acht Wochen des Wochenurlaubs auf die Bewährungszeit an, da § 23 a Nr. 4 S. 3 BAT-O nur die Anrechnung der Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz - acht Wochen - vorsah. Die Klägerin hingegen verlangte Anrechnung des gesamten Wochenurlaubs.Der Gerichtshof befindet zunächst, dass nicht Art. 141 EG einschlägig sei. Gegenstand des Rechtsstreits sei vielmehr die Frage, inwieweit Unterbrechungszeiten durch den Wochenurlaub dennoch auf die für eine Umgruppierung in eine höhere Lohngruppe erforderliche Bewährungszeit anzurechnen sind. Es gehe also um die Bedingungen des Zugangs zu einer höheren Stufe der beruflichen Rangordnung i. S. d. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG.17EuGH, 18. 11. 2004 - Rs. C-284/02, NZA 2005, 399, 400 Rdnr. 29 ff. - Sass. Anders Schiek, AP Nr. 2 zu § 23 a BAT-O, Bl. 5, 8. Hinsichtlich dieser Bedingungen dürfe die Inanspruchnahme eines Mutterschaftsurlaubs als Sonderrecht für Frauen i. S. d. Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie aber nicht zu Nachteilen führen.18EuGH, 18. 11. 2004 - Rs. C-284/02, NZA 2005, 399, 400 Rdnr. 33, 34 - Sass; EuGH, 18. 3. 2004 - Rs. C-342/01, NZA 2004, 535, 537 Rdnr. 37 - Merino Gómez. Für das Vorliegen einer Diskriminierung kommt es somit wesentlich darauf an, ob der Wochenurlaub nach dem Recht der ehemaligen DDR nach seinem Zweck - wie die Schutzfristen des MuSchG - einen Mutterschaftsurlaub darstellte. An einer solchen Feststellung sieht sich der EuGH mangels Befugnis zur Auslegung nationalen Rechts gehindert und verweist an das BAG zurück. Ihm gibt er mit auf den Weg, dass weder die Art und Weise der Vergütung während des Wochenurlaubs noch dessen zwingender Charakter eine Rolle spielen dürfe.19EuGH, 18. 11. 2004 - Rs. C-284/02, NZA 2005, 399, 401 Rdnr. 50 ff. - Sass. Differenzierend noch das BAG im Vorlagebeschluss, BAGE 101, 21, 28 f.2. Diskriminierung und Rentenalter - Rechtssache HlozekIm Ausgangsverfahren der Rechtssache Hlozek vor dem österreichischen OGH ging es um die Frage, ob ein Sozialplan die Zahlung eines sog. Überbrückungsgelds zwischen Entlassung und Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente (in Österreich: Alterspension) von einem unterschiedlichen Alter für Männer (55 Jahre) und Frauen (50 Jahre) abhängig machen darf.20EuGH, 9. 12. 2004 - Rs. C-19/02, BB 2005, 273 = BetrAV 2005, 187 = ZESAR 2005, 335 m. Anm. Resch - Hlozek Der damals 54-jährige Kläger sah sich dadurch wegen seines Geschlechts diskriminiert, da eine Frau gleichen Alters Anspruch auf Überbrückungsgeld gehabt hätte.Der EuGH betont in der Entscheidung vom 9. 12. 2004 unter Verweis auf seine ständige Rechtsprechung zunächst, dass es sich bei der Überbrückungszahlung um »Entgelt« im Sinne des Art. 141 EG bzw. Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG handle.21EuGH, 9. 12. 2004 - Rs. C-19/02, BB 2005, 273, 275 Rdnr. 37 - Hlozek, unter Hinweis auf EuGH, 17. 5. 1990 - Rs. C-262/88, Slg. 1990 I, 1889 - Barber; EuGH, 27. 6. 1990 - Rs. C-33/89, Slg. 1990 I, 2591 - Kowalska; EuGH, 9. 2. 1999 - Rs. C-167/97, Slg. 1999 I, 623 - Seymour-Smith und Perez. Dazu auch Urlesberger, ZAS 2005, 124 ff. Voraussetzung für das Vorliegen einer Diskriminierung sei jedoch, dass sich die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer identischen oder vergleichbaren Lage befänden.22EuGH, 9. 12. 2004 - Rs. C-19/02, BB 2005, 273, 276 Rdnr. 48, 49 - Hlozek, unter Verweis auf EuGH, 9. 11. 1993 - Rs. C-132/92, Slg. 1993 I, 5579, 5604 Rdnr. 17 - Birds Eye Walls; EuGH, 13. 2. 1996 - Rs. C-342/93, Slg. 1996 I, 475, 499 f. Rdnr. 16-18 - Gillespie; EuGH, 16. 9. 1999 - Rs. C-218/98, Slg. 1999 I, 5723, 5747 Rdnr. 16 - Abdoulaye u. a. Das verneint der EuGH. Dabei legt er die Einschätzung der Sozialpartner im Ausgangsverfahren zugrunde, wonach das Risiko dauerhafter Arbeitslosigkeit mit zunehmender Nähe zum Renteneintrittsalter ansteige und das Überbrückungsgeld genau dieser Tatsache Rechnung tragen sollte. Da Frauen nach damaligem österreichischen Recht aber bereits mit 55 Jahren einen Anspruch auf vorzeitige Alterspension geltend machen konnten, Männer hingegen erst mit 60 Jahren, seienmännliche Arbeitnehmer im Alter zwischen 50 und 54 Jahren aufgrund der größeren Entfernung zum Rentenalter weniger vom Risiko der Arbeitslosigkeit bedroht als gleichaltrige Arbeitnehmerinnen.In diesem Zusammenhang ist noch auf die Entscheidung vom 21. 7. 2005 in der Rechtssache Vergani einzugehen.23EuGH, 21. 7. 2005 - Rs. C-207/04, JZ 2005, 472* (Ls.) - Vergani. Dort ging es um einen Vorteil bei der Versteuerung von Abfindungen, welcher - orientiert am Renteneintrittsalter - nach italienischem Recht Frauen bereits ab Vollendung des 50. Lebensjahres zugute kam, Männern hingegen erst ab Vollendung des 55. Lebensjahres. Anders als in der Rechtssache Hlozek war nicht der Anwendungsbereich des Art. 141 EG bzw. der Richtlinie 75/117/EWG eröffnet, da es sich bei der steuerlichen Vergünstigung um keine Leistung des Arbeitgebers handelte. Der EuGH ordnete den Steuervorteil aber als »Entlassungsbedingung« i. S. d. Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG ein und bejahte im Ergebnis eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.24EuGH, 21. 7. 2005 - Rs. C-207/04, Rdnr. 30 ff. - Vergani.3. Diskriminierung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmerinnena) Rechtssache Elsner-LakebergIn dieser Rechtssache schien auf den ersten Blick keine Ungleichbehandlung vorzuliegen:25EuGH, 27. 5. 2004 - Rs. C-285/02, NZA 2004, 783 = EuZW 2004, 476 = AP Nr. 10 zu Art. 141 EG = ZTR 2004, 498 - Elsner-Lakeberg. Die in Rede stehenden Rechtsvorschriften über die Vergütung von beamteten Lehrkräften im Land Nordrhein-Westfalen sahen vor, dass Überstunden sowohl für vollzeitbeschäftigte als auch für teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte erst vergütet werden, wenn die Mehrarbeit drei Unterrichtsstunden im Monat überschreitet.26Einschlägig waren § 78 a NWBG i.V. m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung vom 13. 3. 1992 über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte in der Fassung vom 3. 12. 1998. Die Klägerin, eine teilzeitbeschäftigte Studienrätin, sah darin gleichwohl eine mittelbare Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts i. S. d. Art. 141 EG bzw. der Richtlinie 75/117/EWG.Der EuGH gibt ihr mit Urteil vom 27. 5. 2004 nach einem Vorabentscheidungsersuchen des VG Minden im Ansatz Recht. Eine ungleiche Behandlung liegt nach Ansicht des EuGH gerade darin, dass die Vergütungsvorschriften unterschiedslos für vollbeschäftigte wie auch teilzeitbeschäftigte Lehrkräfte gelten. Prozentual gesehen müsse nämlich eine vollzeitbeschäftigte Lehrkraft (98 Unterrichtsstunden pro Monat) rund 3 % Mehrarbeit leisten, um diese vergütet zu bekommen. Hingegen müsse eine teilzeitbeschäftigte Lehrkraft (60 Unterrichtsstunden pro Monat) zur Überschreitung der geforderten drei Unterrichtsstunden und damit zur Vergütung der Überstunden rund 5 % Mehrarbeit leisten.27EuGH, 27. 5. 2004 - Rs. C-285/02, NZA 2004, 783, 784 Rdnr. 17 - Elsner-Lakeberg. Zur Feststellung der übrigen Voraussetzungen einer mittelbaren Diskriminierung - Ungleichbehandlung betrifft erheblich mehr Frauen als Männer, keine Rechtfertigung - verweist der EuGH an das vorlegende Gericht.b) Rechtssache WippelUm die Rechtmäßigkeit einer »Beschäftigung nach Bedarf« ging es in der Rechtssache Wippel.28EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-313/02, NZA 2004, 1325 = EuZW 2004, 724 = DB 2004, 2325 m. Besprechungsaufsatz Nicolai (DB 2004, 2812) = AP Nr. 1 zu EWG-Richtlinie Nr. 97/81 - Wippel. Die Klägerin des österreichischen Ausgangsverfahrens schloss mit ihrem Arbeitgeber einen »Rahmendienstvertrag über Beschäftigung nach Bedarf«, wonach Ausmaß und Ausgestaltung der Arbeitszeit von Fall zu Fall einvernehmlich zwischen den Parteien festgelegt werden sollten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Arbeitgeber je nach anfallender Arbeit (»Bedarf«) die Dienste der Klägerin anfordern konnte, Letztere aber auch berechtigt war, einen angebotenen Arbeitseinsatz ohne Rechtfertigung abzulehnen. Der Vorteil einer solchen Vertragsgestaltung für den Arbeitgeber lag vor allem in der Ersparnis von Urlaubsentgelten und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, wenn er die Klägerin über längere Zeit nicht einsetzte.29Weiterführend J. Preiss, AuR 2003, 281, 283 f. Diese sah sich dadurch im Vergleich zu Vollzeitarbeitnehmern diskriminiert.Der im Vorabentscheidungsverfahren angerufene EuGH prüft in seiner Entscheidung vom 12. 10. 2004 zum einen die Vereinbarkeit mit der Teilzeitrichtlinie 97/81/EG, in deren Anhang ein Diskriminierungsverbot von Teilzeitbeschäftigten gegenüber Vollzeitbeschäftigten normiert ist (§ 4 Nr. 1).30Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit vom 6. 6. 1997 zwischen UNICE, CEEP und EGB, die der Richtlinie 97/81/EG des Rates vom 15. 12. 1997 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit (ABlEG Nr. L 14 vom 20. 1. 1998, S. 9) als Anhang beigefügt ist. Zum anderen erwägt er eine mittelbare Diskriminierung von Frauen i. S. der Artt. 2 Abs. 1 und 5 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG. Beide Diskriminierungsverbote - so der Gerichtshof - fänden aber nur auf Personen Anwendung, die sich in der gleichen Lage befinden.31EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-313/02, NZA 2004, 1325, 1329 Rdnr. 56 - Wippel. Damit erübrigt sich für den EuGH eine weitere Prüfung: Die Klägerin könne aufgrund der »Beschäftigung nach Bedarf« die ihr angebotene Arbeit grundlos ablehnen. Vollzeitarbeitnehmer wie auch andere Teilzeitbeschäftigte des Betriebs mit fest vereinbarter Arbeitszeit dagegen hätten ein solches Recht nicht, sondern seien während der gesamten vereinbarten Arbeitszeit zur Leistungserbringung verpflichtet. Daher befanden sich nach Ansicht des EuGH die zu vergleichenden Gruppen in verschiedenen Situationen, was eine Diskriminierung sowohl in Bezug auf die Richtlinie 97/81/EG als auch die Richtlinie 76/207/EWG bereits im Ansatz ausschloss.32EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-313/02, NZA 2004, 1325, 1329 f. Rdnr. 59 ff. - Wippel.Die Entscheidung des EuGH bezieht sich nur auf solche Gestaltungsformen, in denen keine Leistungspflicht des nach Bedarf angeforderten Arbeitnehmers besteht und er daher einzelne Arbeitseinsätze ablehnen kann.33Derartige Gestaltungsformen finden sich häufig bei studentischen Aushilfsarbeitsverhältnissen (sog. Pool-Lösung). Zur Zulässigkeit solcher »Pool-Lösungen« Hunold, NZA 2003, 896. Nicht entschieden wurde über Konstellationen, in denen sich der Arbeitnehmer entsprechend dem Arbeitsanfall zur Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet, wie im Fall der sog. Arbeit auf Abruf nach § 12 TzBfG.34Zur Arbeit auf Abruf s. Meinel/Heyn/Herms, TzBfG, 2. Aufl. 2004, § 12 Rdnr. 1 ff.; Preis, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5. Aufl. 2005, § 12 TzBfG Rdnr. 1 ff.; Rolfs, TzBfG, 2002, § 12 Rdnr. 1 ff.; Hunold, NZA 2003, 896, 898 f. Da in derartigen Fällen ein Ablehnungsrecht hinsichtlich des jeweiligen Einsatzes bei Einhaltung der Ankündigungsfristen nach § 12 Abs. 2 TzBfG nicht besteht, sind Abrufarbeitnehmer in diesem Sinne mit Arbeitnehmern mit fester Lage der Arbeitszeit vergleichbar. Ob unter diesen Umständen eine unzulässige (mittelbare) Diskriminierung vorliegt, ist weiterhin offen.35Gegen eine unzulässige (mittelbare) Diskriminierung Nicolai, DB 2004, 2812, 2813 f.4. Art. 141 EG und Outsourcing - Rechtssache AllonbyGegenstand der am 13. 4. 2004 entschiedenen Rechtssache Allonby war vor allem die Frage, ob im Rahmen der Entgeltgleichheit nach Art. 141 EG Vergleichspersonen herangezogen werden dürfen, die infolge eines Outsourcings bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt sind.36EuGH, 13. 1. 2004 - Rs. C-256/01, NZA 2004, 201 = EuZW 2004, 210 m. Anm. Evtimov = SAE 2004, 317 m. Anm. Nicolai = RIW 2004, 454 = AP Nr. 7 zu Art. 141 EG - Allonby. Dazu auch Colneric, in: FS Wißmann, 2005, S. 535 ff. Aus englischer Sicht Fredman, Industrial Law Journal 2004, 281. Mit dieser Problematik sah sich der EuGH nach der Rechtssache Lawrence im Jahr 2002 nun bereits zum zweiten Mal - auf Vorlage eines britischen Gerichts - konfrontiert.37EuGH, 17. 9. 2002 - Rs. C-320/00, Slg. 2002 I, 7325 = BB 2002, 2126 m. Anm. Schlachter - Lawrence. S. dazu auch Colneric, in: FS Wißmann, 2005, S. 535 ff.; Junker, RIW 2003, 698, 709. Die Klägerin war als Dozentin beim Accrington & Rossendale College (im Folgenden: College) teilzeitbeschäftigt. Aus Kostengründen kündigte das College die Verträge der Teilzeit-Dozenten bzw. verlängerte sie nicht mehr und ließ sich für die Lehrtätigkeit dieselben Dozenten als selbstständige Dienstleister über eine spezielle Agentur vermitteln. Um weiter für das College unterrichten zu können, war die Klägerin gezwungen, mit der Agentur zusammenzuarbeiten. Dies hatte zur Folge, dass die Vergütung für die nunmehr in Vermittlung beim College erbrachten Lehrtätigkeiten geringer war als bei weiterhin beim College arbeitsvertraglich beschäftigten - männlichen - Dozenten. Zudem wurde die Klägerin nicht mehr in das staatliche Betriebsrentensystem für Lehrpersonal einbezogen, welches auf Dozenten beschränkt ist, die aufgrund Arbeitsvertrags tätig sind.Der EuGH sah sich aufgrund der Vorlage veranlasst, erstmals zum Arbeitnehmerbegriff i. S. des Art. 141 EG Stellung zu nehmen. Arbeitnehmer im Sinne der Vorschrift sei, »wer während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält«.38EuGH, 13. 1. 2004 - Rs. C-256/01, NZA 2004, 201, 204 Rdnr. 67 - Allonby, unter Rückgriff auf seine Rechtsprechung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 39 EG (vormals Art. 48 EGV). Das gelte unabhängig von der Art des vereinbarten Rechtsverhältnisses zwischen den Vertragsparteien. Damit stand der Anwendbarkeit von Art. 141 EG auf den vorliegenden Fall nicht schon entgegen, dass die Klägerin nach nationalem Recht formal Selbstständige war. Wie in der Rechtssache Lawrence betonte der EuGH dann aber, die Unterschiede im Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit müssten sich auf dieselbe Quelle zurückführen lassen.39EuGH, 13. 1. 2004 - Rs. C-256/01, NZA 2004, 201, 203 Rdnr. 46 - Allonby. An einer solchen einheitlichen Quelle fehlte es im Fall jedoch aufgrund der Bezahlung der Klägerin durch die Agentur einerseits und der Entlohnung der arbeitsvertraglich beschäftigten männlichen Dozenten durch das College andererseits. Hinsichtlich des Ausschlusses aus dem durch Verordnung geregelten Betriebsrentensystem aufgrund fehlenden Arbeitsvertrags dagegen existierte eine einheitliche Quelle in Gestalt des Staats, sodass hier eine mittelbare Diskriminierung in Betracht kam.40EuGH, 13. 1. 2004 - Rs. C-256/01, NZA 2004, 201, 205 Rdnr. 79 - Allonby.5. Diskriminierung durch Schutzvorschriften - Kommission/ÖsterreichEine interessante Fragestellung lag dem Urteil vom 1. 2. 2005 zugrunde:41EuGH, 1. 2. 2005 - Rs. C-203/03, EuGRZ 2005, 124 - Kommission/Republik Österreich. Das österreichische Recht verbot durch Verordnungen die Beschäftigung von Frauen generell bei Taucharbeiten und mit bestimmten Ausnahmen bei Arbeiten in Druckluft sowie bei Arbeiten im untertägigen Bergbau. Die Kommission sah darin eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts hinsichtlich des Zugangs zu Beschäftigungen und Arbeitsplätzen i. S. des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 76/207/EWG. Die österreichische Regierung berief sich auf Art. 2 Abs. 3, wonach die Richtlinie Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, nicht entgegensteht. Sie machte geltend, in den genanten Arbeitsbereichen bestehe für Frauen ein höheres Gesundheitsrisiko als für Männer.Der EuGH lässt sich von dieser Argumentation nicht beeindrucken: Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie erlaube keine Ungleichbehandlungen zum Schutz vor Gefahren, die Männer und Frauen gleichermaßen betreffen.42EuGH, 1. 2. 2005 - Rs. C-203/03, EuGRZ 2005, 124, 128 Rdnr. 45 - Kommission/Republik Österreich. Den Verboten im Bereich des untertägigen Bergbaus und bei Taucharbeiten war jedoch gemeinsam, dass sie Frauen auch in solchen Fällen von der Beschäftigung ausschlossen, in denen keine schwere körperliche Belastung gegeben ist. Die Vorschriften gingen damit über das hinaus, was zum Schutz der Frauen i. S. des Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie erforderlich ist.43EuGH, 1. 2. 2005 - Rs. C-203/03, EuGRZ 2005, 124, 128, 130 Rdnr. 49, 71 - Kommission/Republik Österreich. Da sich Österreich allerdings völkervertraglich zur Einführung eines Verbots im untertägigen Bergbau verpflichtet hatte und diesen Vertrag zur Zeit nicht kündigen konnte, lehnte der EuGH im Hinblick auf Art. 307 EG eine Vertragsverletzung ab, Rdnr. 57-65. Auf dem Gebiet der Druckluftarbeiten waren Frauen dagegen nur bei erhöhter körperlicher Beanspruchung ausgeschlossen. Allerdings konnte Österreich lediglich darlegen, dass die körperliche Eignung von Frauen in diesem Bereich im Durchschnitt schlechter ist als die von Männern, nicht aber in jedem Fall. Der EuGH befindet, dass eine individuelle Beurteilung notwendig sei, um den Anforderungen von Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie gerecht zu werden.44EuGH, 1. 2. 2005 - Rs. C-203/03, EuGRZ 2005, 124, 130 Rdnr. 74 - Kommission/Republik Österreich.III. Arbeitszeit (Richtlinie 93/104/EG)Fragen der Arbeitszeitgestaltung haben den EuGH in den Jahren 2000 und 2003 in zwei grundlegenden Entscheidungen beschäftigt: Das Urteil Simap stellte fest, dass Bereitschaftsdienst von Ärzten in spanischen Krankenhäusern als Arbeitszeit i. S. des Art. 2 Nr. 1 der Arbeitszeitrichtlinie45Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. 11. 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABlEG Nr. L 307 vom 13. 12. 1993, S. 18) geändert durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 6. 2000 (ABlEG Nr. L 195 vom 1. 8. 2000, S. 41), neu kodifiziert durch die Richtlinie 2003/88/EG des Parlaments und des Rates vom 4. 11. 2003 (ABlEG Nr. L 299 vom 18. 11. 2003, S. 9). anzusehen und damit in die nach Art. 6 der Richtlinie zulässige Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden einzubeziehen ist.46EuGH, 3. 10. 2000 - Rs. C-303/98, Slg. 2000 I, 7963 = NZA 2000, 1227 = SAE 2002, 232 m. Anm. Weber - Simap. Dazu Junker, RIW 2003, 698, 709. Im Jahr 2003 entschied der EuGH in der Rechtssache Jaeger dann explizit in Bezug auf das deutsche Recht, dass Bereitschaftsdienst auch dann als Arbeitszeit i. S. der Richtlinie anzusehen ist, wenn sich der Arbeitnehmer in Zeiten, in denen er nicht in Anspruch genommen wird, an derArbeitsstelle ausruhen kann.47EuGH, 9. 9. 2003 - Rs. C-151/02, Slg. 2003 I, 8389 = NZA 2003, 1019 = NJW 2003, 2971 - Jaeger. Zur Frage der Vergütung von Bereitschaftsdienst s. BAG, 28. 1. 2004 - 5 AZR 530/02, BAGE 109, 254 = NZA 2004, 656. Die Entscheidung sorgte in Deutschland für Unruhe, da nach zu diesem Zeitpunkt geltender Gesetzeslage Bereitschaftsdienst von der Arbeitszeit ausgenommen war.48Siehe nur Abele,BB 2004, 555; Boerner/Boerner, ZESAR 2004, 48; Braun,RiA 2003, 283; Franzen,BB 2003, 2070; Körner,NJW 2003, 3606; Schliemann, FA 2003, 290; Wank,ZRP 2003, 414; Wurmnest,DB 2003, 2069. Fast auf den Tag genau vier Jahre nach der Simap-Entscheidung war ein Urteil des EuGH zu diesem Themenkomplex erneut geeignet, die Gemüter zu erhitzen:1. Rechtssache Pfeiffer Nachdem in den beiden Urteilen Simap und Jaeger die Einordnung des Bereitschaftsdiensts in Krankenhäusern geklärt war, ging es in der am 5. 10. 2004 entschiedenen Rechtssache Pfeiffer um die Arbeitszeitgestaltung von Rettungsassistenten.49EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54 = BB 2004, 2353 m. Anm. Meinel = NZA 2004, 1145 = DB 2004, 2270 = NJW 2004, 3547 = ZIP 2004, 2342 = SAE 2005, 23 m. Anm. Konzen = ZESAR 2005, 83 m. Anm. Abig = AP Nr. 12 zu EWG-Richtlinie Nr. 93/104 - Pfeiffer. Dem Verfahren lagen die Klagen einer Reihe von Rettungsassistenten zugrunde, die beim Deutschen Roten Kreuz beschäftigt waren. Auf ihre Arbeitsverhältnisse war kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) anzuwenden. Dieser sah vor, dass die wöchentliche Arbeitszeit ohne Ausgleich u. a. bis auf 54 Stunden verlängert werden konnte, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden täglich fiel (§ 14 Abs. 2 lit. b DRK-TV).50Bei der Arbeitsbereitschaft wird vom Arbeitnehmer »wache Achtsamkeit« gefordert, während derer er ggf. von sich aus tätig werden muss, s. Wank, in: Erfurter Kommentar (Fn. 34), § 2 ArbZG Rdnr. 40. Eine solche Regelung ermöglichte § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG in der bis Ende 2003 geltenden Fassung. Die wöchentliche Arbeitszeit der Kläger betrug aufgrund dessen im Durchschnitt 49 Stunden. Vor dem ArbG Lörrach machten sie geltend, eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit über 48 Stunden hinaus sei mit der Richtlinie 93/104/EG unvereinbar, da Letztere in Art. 6 nur eine Höchstarbeitszeit von 48 Stunden vorsehe. Das ArbG legte daraufhin am 26. 9. 2001 dem EuGH drei Fragen zur Vorabentscheidung vor.51ArbG Lörrach, 26. 9. 2001 - 5 Ca 145/01, PflR 2003, 71 = AuR 2002, 114 (Kurzwiedergabe).1. Die erste Frage betraf die Anwendbarkeit der Richtlinie auf Rettungsassistenten. So sind »Katastrophenschutzdienste« mittelbar vom Anwendungsbereich der Richtlinie 93/204/EG ausgeschlossen. Der EuGH betont, dass Zweck des Ausschlusses solcher Tätigkeiten der flexible Einsatz von Rettungskräften in Katastrophensituationen sei, welcher sich einer Arbeitszeitplanung entziehe. Das aber sei bei Rettungsassistenten nicht der Fall: Auch wenn es beim Rettungsdienst um die Bewältigung nicht vorhersehbarer Ereignisse gehe, seien die damit verbundenen Tätigkeiten arbeitszeittechnisch im Voraus planbar.52EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 58 Rdnr. 57 - Pfeiffer. Darüber hinaus handle es sich nicht um Tätigkeiten des »Straßenverkehrs«, auf die die Richtlinie 93/104/EG nach Art. 1 Abs. 3 keine Anwendung findet; denn Hauptzweck der Rettungstätigkeit sei die medizinische Versorgung von Kranken oder Verletzten, nicht deren Transport.53EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 59 Rdnr. 70 - Pfeiffer.2. Die zweite Vorlagefrage zielte auf die Auslegung von Art. 18 Abs. 1 lit. b (i) der Richtlinie 93/104/EG. Danach kann die wöchentliche Höchstarbeitszeit mit Einverständnis des Arbeitnehmers auf mehr als 48 Stunden ausgedehnt werden. Die Frage war, ob für solch ein Einverständnis die arbeitsvertragliche Bezugnahme auf den entsprechenden Tarifvertrag genügt. Der EuGH verneint dies. Erforderlich sei vielmehr eine »ausdrückliche und freie« Zustimmung. Diese Voraussetzung erfülle eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nicht, da keineswegs sicher sei, »dass der betroffene Arbeitnehmer beim Abschluss eines solchen Vertrags von den Beschränkungen der ihm durch die Richtlinie 93/104 eingeräumten Rechte wusste«.54EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 60 Rdnr. 85 - Pfeiffer.3. In Fortentwicklung seiner Rechtsprechung in den Rechtssachen Simap und Jaeger zählte der EuGH sodann auch Arbeitsbereitschaft zur Arbeitszeit.55EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 60 Rdnr. 94 f. - Pfeiffer. Damit stand fest, dass die durch § 7 Abs. 1 Nr. 1 lit. a ArbZG eröffnete Möglichkeit, die wöchentliche Arbeitszeit bei regelmäßiger Arbeitsbereitschaft ohne Ausgleich über 48 Stunden auszudehnen, mit der in Art. 6 der Richtlinie festgelegten Wochenhöchstarbeitszeit von 48 Stunden unvereinbar war. Das ArbG Lörrach wollte nun mit der dritten Vorlagefrage wissen, ob Art. 6 der Richtlinie auch zwischen privaten Arbeitgebern und Arbeitnehmern unmittelbar anwendbar ist (sog. horizontale Direktwirkung). In eine solche Richtung deuteten die Schlussanträge des Generalanwalts, was bereits im Vorfeld zu Spekulationen führte.56Abele, BB 2004, 555: »Bereitschaftsdienst, nächste Runde - kommt die horizontale Direktwirkung von Richtlinien?«. Der EuGH hingegen betont im Einklang mit seiner bisherigen Rechtsprechung, eine Richtlinie könne keine unmittelbaren Verpflichtungen für Privatpersonen begründen; allerdings seien die nationalen Gerichte gehalten, »das innerstaatliche Recht ... soweit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks dieser Richtlinie auszulegen, um das in ihr festgelegte Ziel zu erreichen und so Art. 249 III EG nachzukommen« (sog. richtlinienkonforme Auslegung).57EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 61 f. Rdnr. 108,113 - Pfeiffer. Dafür macht der EuGH - und das ist neu - konkrete Vorgaben: Vor allem verlangt er, dass das nationale Gericht bei Widersprüchen zwischen einer nationalen Norm und einer Richtlinienvorschrift dieselben Methoden anwendet, nach denen Konflikte zwischen zwei innerstaatlichen Normen aufzulösen sind.58EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 62 Rdnr. 116 - Pfeiffer. Zu methodischen Möglichkeiten s. Kamanabrou, EzA Richtlinie 93/104 EG-Vertrag 1999 Nr. 1, 21, 26 ff.; Riesenhuber/Domröse, RIW 2005, 47, 51 m. w. N. Das Gericht müsse weiter »unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts alles tun ... was in seiner Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der Richtlinie ... zu gewährleisten ...«.59EuGH, 5. 10. 2004 - verb. Rs. C-397/01 - 403/01, RIW 2005, 54, 62 Rdnr. 118 - Pfeiffer.Die maßgeblichen Folgen der Entscheidungen liegen nicht im Arbeitszeitrecht. Der Gesetzgeber hatte das ArbZG zwischenzeitlich korrigiert.60Art. 4 b des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24. 12. 2003, BGBl. 2003 I, 3002, 3005 f., s. Kamanabrou, EzA Richtlinie 93/104 EG-Vertrag 1999 Nr. 1, 21, 22; Konzen, ZfA 2005, 189, 197; ausführlich Schliemann, NZA 2004, 513, 515 ff. Europarechtswidrig dürfte aber die Übergangsregelung des § 25 ArbZG sein, s. nur Bauer/Krieger, BB 2004, 549, 550 f.; Matthiessen/Shea, DB 2005, 106 ff. Für Aufsehen haben vielmehr dieAusführungen des Gerichtshofs zur richtlinienkonformen Auslegung gesorgt61S. aus der Literatur noch Abig, ZESAR 2005, 93; Frenz, DVBl. 2005, 40; Litschen, ZTR 2004, 619; Matthiessen/Shea, DB 2005, 106; Meinel, BB 2004, 2359; Riesenhuber/Domröse, RIW 2005, 47; Winter, Jahrbuch des Arbeitsrechts 42 (2005), 51, 53 ff.:Thüsing sieht durch die konkreten Vorgaben des EuGH den Spielraum der nationalen Gerichte zurückgedrängt. Er begrüßt zwar die Zurückhaltung des EuGH gegenüber den Schlussanträgen des Generalanwalts, kritisiert aber, dass dadurch die Grenzen zwischen horizontaler Wirkung und richtlinienkonformer Auslegung weiter verwischt würden.62Thüsing, ZIP 2004, 2301, 2305. Allerdings bleibe abzuwarten, ob infolge des Urteils eine Rechtsprechungsänderung des EuGH auch in Zukunft zu erwarten sei oder ob es sich um einen aufgrund seiner Besonderheiten so entschiedenen Einzelfall handle.63Thüsing/Heßeler, EWiR 2004, 1147, 1148.Konzen bemängelt die durch das Urteil erzeugte Unsicherheit über die Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung. Er warnt jedoch vor einem »vorauseilendem Gehorsam« der nationalen Gerichte: »Wenn das nationale Recht keinen Auslegungsspielraum enthält, gibt es für eine richtlinienkonforme Auslegung keine Legitimation. Wer sich allein am Richtlinienzweck orientiert, akzeptiert verdeckt die unmittelbare Anwendung von Richtlinien auf Privatrechtsverhältnisse, die auch das Pfeiffer-Urteil noch verwirft.«64Konzen, SAE 2005, 33, 36.Auch Schlachter betont, dass das Gemeinschaftsrecht die Bindung der nationalen Gerichte an ihre gesetzliche Zuständigkeit akzeptiert. Sie seien auch nach der Entscheidung des EuGH gemeinschaftsrechtlich nicht gezwungen, eine Norm für unwirksam oder unanwendbar zu erklären, wenn ihnen das nationale Recht diese Befugnis nicht einräumt (vgl. Art. 100 Abs. 1 GG). Allerdings würden die nationalen Gerichte darauf verpflichtet, ihre vorhandenen Kompetenzen zur Auslegung und Rechtsfortbildung in vollem Umfang zu nutzen, um richtlinienkonforme Ergebnisse zu erzielen: »Ob dies nun im Wege der Analogie, der teleologischen Extension oder Reduktion, oder nur im Wege der Rechtsfortbildung möglich wäre, ist unerheblich; ... eine Anwendung richtlinienwidrigen Rechts durch die Gerichte soll weitestgehend ausgeschlossen, also allenfalls als ultima ratio noch hinnehmbar sein.«65Schlachter, RdA 2005, 115, 120.Kamanabrou weist darauf hin, dass die Grenze der richtlinienkonformen Auslegung der Wortlaut der Norm bzw. der Wille des nationalen Gesetzgebers sei. Habe der Gesetzgeber eine nicht richtlinienkonforme Regelung getroffen, könne dieser Konflikt nicht dadurch überspielt werden, dass dem Gesetz ein anderer als der beabsichtigte Inhalt zugeschrieben wird.66Kamanabrou, EzA Richtlinie 93/104 EG-Vertrag 1999 Nr. 1, 21, 25. Auch nach eingehender Prüfung nationaler Methoden der Rechtsfortbildung kommt sie zu dem Ergebnis, dass sich eine nicht richtlinienkonform auslegbare europarechtswidrige Norm durch die Gerichte in den allermeisten Fällen nicht einschränken lässt. Eine eigene Rechtsfortbildungskategorie für Fälle des Richtlinienverstoßes verlange der EuGH nicht.67Kamanabrou, EzA Richtlinie 93/104 EG-Vertrag 1999 Nr. 1, 21, 28.Zuletzt sah sich auch das BAG mit der Klage eines Rettungsassistenten eines DRK-Kreisverbands gegen die von seinem Arbeitgeber angeordnete Verlängerung der Arbeitszeit auf 49 Stunden pro Woche konfrontiert.68BAG, 9. 3. 2005 - 5 AZR 385/02, NZA 2005, 1016 (Ls.) = AuR 2005, 152 (Kurzwiedergabe). Nach Auffassung der Richter konnte der Arbeitgeber aber nicht nachweisen, dass in die tägliche Arbeitszeit regelmäßig eine Arbeitsbereitschaft von durchschnittlich mindestens drei Stunden fiel. Daher lagen bereits die tarifvertraglichen Voraussetzungen für die Arbeitszeitverlängerung im Streitfall nicht vor. Das BAG konnte die Frage der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht dadurch dahinstehen lassen.2. Rechtssache Personalrat der Feuerwehr HamburgIn der Rechtssache Personalrat der Feuerwehr Hamburg wollte das BVerwG mit einer Vorlage vom 17. 12. 2003 wissen, ob Tätigkeiten von Einsatzkräften einer staatlichen Feuerwehr unter den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/104/EG fallen.69BVerwG, 17. 12. 2003 - 6 P 7.03, ZTR 2004, 215 = BVerwGE 119, 363. Die Frage stellte sich deshalb, weil eine Dienstvereinbarung für die Feuerwehr Hamburg eine Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit einschließlich Bereitschaftsdienst von durchschnittlich 48 auf 50 Stunden wöchentlich vorsah. Nachdem die Einigungsstelle die Zustimmung des Personalrats ersetzte, kündigte Letzterer die Dienstvereinbarung und machte - aufgrund ihrer Nachwirkung - einen Verstoß gegen die Richtlinie 93/104/EG geltend, deren Art. 6 nur eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden im Durchschnitt erlaube.Der EuGH war der Auffassung, die Beantwortung der Frage ergebe sich aus seiner bisherigen Rechtsprechung und entschied am 14. 7. 2005 durch mit Gründen versehenen Beschluss.70EuGH (Beschluss), 14. 7. 2005 - Rs. C-52/04, NZA 2005, 921 = NVwZ 2005, 1049 - Personalrat der Feuerwehr Hamburg. Unter Verweis auf die Rechtssache Pfeiffer (dazu soeben) betonte er, dass sich der Ausschluss von Tätigkeiten des »Katastrophenschutzdienstes« aus dem Anwendungsbereich der Arbeitszeitrichtlinie nur auf »bestimmte spezifische Tätigkeiten« bei diesen Diensten beziehe, deren Besonderheiten der Anwendung der Richtlinienvorschriften zwingend entgegenstünden. Das gelte namentlich für außergewöhnliche Ereignisse wie Naturkatastrophen, Attentate oder schwere Unglücksfälle. Für unter gewöhnlichen Umständen ausgeübte Tätigkeiten eines staatlichen Einsatzdienstes der Feuerwehr dagegen greife die Ausnahme - ebenso wie bei Rettungsassistenten - grundsätzlich nicht, sodass die Arbeitszeitrichtlinie anwendbar sei.71EuGH (Beschluss), 14. 7. 2005 - Rs. C-52/04, NZA 2005, 921, 923 Rdnr. 57 - Personalrat der Feuerwehr Hamburg. Anders noch BAG, 29. 5. 2002 - 5 AZR 370/01, ZTR 2002, 544, 545 f. Damit darf auch bei Feuerwehrdiensten unter gewöhnlichen Umständen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit einschließlich Bereitschaftsdienst von 48 Stunden nicht überschritten werden.IV. Zahlungsunfähigkeit (Richtlinie 80/987/EWG)Fragen zur Auslegung der Insolvenzrichtlinie 80/987/EWG72Richtlinie des Rates vom 20. 10. 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABlEG Nr. L 283 vom 28. 10. 1980, S. 23), geändert durch die Richtlinie 2002/74/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 9. 2002 (ABlEG Nr. L 270 vom 8. 10. 2002, S. 10) umzusetzen in nationales Recht bis zum 8. 10. 2005. Zu den Änderungen s. auch Junker, RIW 2003, 698, 699 f. beschäftigten den EuGH in den Jahren 2004-2005 lediglich in zwei Fällen.1. Verb. Rechtssachen Barsotti u. a., Castellani, VenturiMit einer komplizierten Fragestellung musste sich der EuGH in seiner Entscheidung vom 4. 3. 2004 auf Vorlage der italienischen Corte suprema di cassazione befassen.73EuGH, 4. 3. 2004 - Rs. C-19, 50, 84/01, NZA 2004, 425 = ZIP 2004, 867 = EuZW 2004, 306 = NZI 2004, 334 = AP Nr. 10 zu EWG-Richtlinie Nr. 80/987 - Barsotti u. a. Nach Art. 4 Abs. 3 UA 1 der Richtlinie 80/987/EWG können die Mitgliedstaaten für die Zahlungen des Garantiefonds eine Höchstgrenze festlegen. Die Garantieeinrichtung ist dann nur zur Leistung bis zu diesem Höchstbetrag verpflichtet, selbst wenn der Entgeltausfall des Arbeitnehmers innerhalb des Garantiezeitraums eigentlich höher gewesen wäre. Erbringt der Arbeitgeber für den Garantiezeitraum noch mit befreiender Wirkung (teilweise) Leistungen, muss sich der Arbeitnehmer diese von seinem Gesamtanspruch gegen den Garantiefonds abziehen lassen, da insoweit die Entgeltansprüche nicht unerfüllt geblieben sind. Die Frage im Ausgangverfahren war nun - abstrakt formuliert -, ob vom Arbeitgeber erbrachte Leistungen für den Garantiezeitraum daneben auch den von der Garantieeinrichtung zu zahlenden Höchstbetrag mindern dürfen.Mit dem Hinweis, dass die soziale Zweckbestimmung der Richtlinie die Gewährung eines Mindestschutzes für Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei, verneinte der EuGH die Minderung eines national vorgesehenen Höchstbetrags. Die Mitgliedstaaten dürften zwar für die Garantie nicht erfüllter Ansprüche eine Höchstgrenze festlegen, müssten dann aber bis zu dieser Höchstgrenze die Befriedigung aller in Rede stehenden nicht erfüllten Ansprüche gewährleisten. Würden Entgeltzahlungen während des Garantiezeitraums dagegen auch von dem Höchstbetrag abgezogen, wäre der durch die Richtlinie gewährleistete Mindestschutz unmittelbar beeinträchtigt.74EuGH, 4. 3. 2004 - Rs. C-19, 50, 84/01, NZA 2004, 425, 426 Rdnr. 35 ff. - Barsotti u. a.Die Bedeutung der Entscheidung lässt sich anhand eines Beispiels mit Bezug auf das deutsche Recht verdeutlichen75Nach Moll/Henke, EWiR 2004, 775, 776.: Für die Berechnung des Insolvenzgelds ist nach § 185 Abs. 1 SGB III höchstens das monatliche Bruttoarbeitsentgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze (§ 341 Abs. 4 SGB III) zugrunde zu legen (momentan 5200 Euro).76Niesel/Roeder, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 185 Rdnr. 2. Verdient ein Arbeitnehmer 10 150 Euro und erbringt der Arbeitgeber nur eine Teilzahlung von 3000 Euro, so beträgt der Entgeltausfall 7150 Euro. Da sich der Insolvenzgeldanspruch jedoch nur unter Zugrundelegung des auf 5200 Euro begrenzten Bruttoarbeitsentgelts errechnet, bekommt der Arbeitnehmer ohnehin nicht seinen vollen Entgeltausfall ersetzt. Nach der Rechtsprechung des EuGH darf nun die Teilzahlung von 3000 Euro nicht auch noch auf den so ermittelten Höchstbetrag angerechnet werden.2. Rechtssache Olaso ValeroAuf Vorlage eines spanischen Gerichts hatte sich der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. 12. 2004 mit zwei Fragen zu befassen: Zum einen ging es darum, ob es sich bei gesetzlich vorgesehenen Entschädigungen wegen rechtswidriger Kündigung, zu deren Zahlung sich ein Arbeitgeber im Rahmen eines Güteverfahrens verpflichtet, um Arbeitsentgelt i. S. der Richtlinie 80/987/EWG handelt. Das Problem stellte sich im Ausgangsfall deshalb, weil der Arbeitgeber die geschuldete Entschädigung nicht zahlte und später für zahlungsunfähig erklärt wurde. Der Kläger verlangte nun vom nationalen Garantiefonds Zahlung der Entschädigung. Da jedoch das spanische Recht eine Zahlungspflicht des Garantiefonds in Bezug auf Kündigungsentschädigungen ausschloss, wenn sie nicht durch Urteil oder Verwaltungsentscheidung zugesprochen wurden, musste sich der EuGH zum anderen damit befassen, ob einem daraus folgenden Ausschluss von in Güteverfahren zugesprochenen Entschädigungen das Gemeinschaftsrecht entgegensteht.77EuGH, 16. 12. 2004 - Rs. C-520/03, NZA 2005, 215 = EuZW 2005, 113 = NZI 2005, 175 = NJW 2005, 2058 (Ls.) - Olaso Valero.Der EuGH hatte - da die Umsetzungsfrist der Änderungsrichtlinie 2002/74/EG erst am 8. 10. 2005 ablief - noch auf Grundlage der ursprünglichen Fassung der Richtlinie 80/987/EWG zu entscheiden. Auf die erste Frage antwortet der Gerichtshof, es richte sich nach spanischem Recht, ob eine Kündigungsentschädigung als Arbeitsentgelt anzusehen ist. Denn Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 80/987/EWG verweise hinsichtlich des Begriffs »Arbeitsentgelt« auf das nationale Recht.78EuGH, 16. 12. 2004 - Rs. C-520/03, NZA 2005, 215, 216 Rdnr. 31, 33 - Olaso Valero. Unter Hinweis auf den bereits in der Rechtssache Caballero zugrunde gelegten allgemeinen Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung erklärt der EuGH sodann zur zweiten Frage, dass ein Ausschluss der Zahlungspflicht des Garantiefonds bei im Güteverfahren zugesprochenen Ansprüchen die betroffenen Arbeitnehmer ungerechtfertigt benachteilige.79EuGH, 16. 12. 2004 - Rs. C-520/03, NZA 2005, 215, 216 Rdnr. 34 ff. - Olaso Valero unter Verweis auf EuGH, 12. 12. 2002 - Rs. C-442/00, Slg. 2002 I, 11915, 11941 f. Rdnr. 29-34 - Caballero.Im Anwendungsbereich der Änderungsrichtlinie 2002/74/EG hätte sich das Problem der rechtlichen Einordnung der Kündigungsentschädigungen nicht gestellt: Nach dem geänderten Art. 3 Abs. 1 haben die Garantieeinrichtungen die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche aus Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen sicherzustellen, »einschließlich, sofern dies nach ihrem innerstaatlichen Recht vorgesehen ist, einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses«. Für das deutsche Recht folgt daraus, dass gesetzlich vorgesehene Abfindungsansprüche anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses seit dem 8. 10. 2005 grundsätzlich vom Insolvenzgeld (§ 183 SGB III) umfasst sein müssen. In Erwägung gezogen wird dies momentan für den Abfindungsanspruch nach § 1 a KSchG.80Peters-Lange/Gagel, NZA 2005, 740, 743 f. § 184 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, der Abfindungen bislang generell vom Insolvenzgeld ausschließt, müsste dann entsprechend angepasst werden.81Peters-Lange/Gagel, NZA 2005, 740, 744.V. Massenentlassungen (Richtlinie 98/59/EG)Mit Streitigkeiten zur Massenentlassungsrichtlinie82Richtlinie 75/129/EWG des Rates vom 17. 2. 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (ABlEG Nr. L 48 vom 22. 2. 1975, S. 29), geändert durch die Richtlinie 92/56/EWG vom 24. 6. 1992 (ABlEG Nr. L 245 vom 26. 8. 1992, S. 3), neu kodifiziert durch die Richtlinie 98/59/EG vom 20. 7. 1998 (ABlEG Nr. L 225 vom 12. 8. 1998, S. 16). musste sich der EuGH seit ihrem Erlass vergleichsweise selten befassen.83Vgl. die Aufzählung bei Alber, in: FS Wißmann, 2005, S. 507. Anfang des Jahres 2005 allerdings griff der Gerichtshof auf ihrer Grundlage tief in das deutsche Rechtsverständnis ein und rief wie mit keiner anderen Entscheidung in diesem Jahr eine Flut von Reaktionen hervor:1. Rechtssache JunkFrau Irmtraut Junk war bei der AWO Gemeinnützige Pflegegesellschaft Südwest mbH (»AWO«) als Pflegehelferin beschäftigt. Am 5. 2. 2002 wurde über die AWO das vorläufige Insolvenzverfahren, am 1. 5. 2002 schließlich das endgültige Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter kündigte mit einem Frau Junk am 29. 6. 2002 zugegangenen Schreiben ihr Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 30. 9. 2002. Auch die Arbeitsverhältnisse der restlichen zu diesem Zeitpunkt bei der AWO noch beschäftigten 171 Arbeitnehmer kündigte der Insolvenzverwalter aus denselben Gründen zum 30. 9. 2002. Zuvor hatte er den Betriebsrat hinsichtlich der geplanten Entlassungen unterrichtet sowie einen Interessenausgleich und einen Sozialplan vereinbart. Allerdings erfolgte die nach § 17 Abs. 1 und 3 KSchG erforderliche Anzeige der Entlassungen beim (damals noch) Arbeitsamt erst am 27. 8. 2002, d. h. knapp zwei Monate nach Kündigungserklärung und ca. einen Monat vor Ablauf der Kündigungsfrist.Dieses Vorgehen entsprach der bis dahin überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur: »Entlassung« i. S. d. § 17 Abs. 1 KSchG war nicht schon die »Kündigung«, sondern erst »die mit ihr beabsichtigte tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses«, also das Ausscheiden aus dem Betrieb.84BAG, 13. 4. 2000 - 2 AZR 215/99, NZA 2001, 144, 145 = AP Nr. 13 zu § 17 KSchG 1969 sowie bereits BAG, 3. 10. 1963 - 2 AZR 160/63, DB 1963, 1776; Ascheid/Preis/Schmidt, 2. Aufl. 2004, § 17 KSchG Rdnr. 26; Ascheid, in: Erfurter Kommentar (Fn. 34), § 17 KSchG Rdnr. 12; Weigand, in: KR, 7. Aufl. 2004, § 17 KSchG Rdnr. 32 jeweils m. w. N. Nach vorherrschendem Verständnis genügte daher die Erstattung der Anzeige an die Agentur für Arbeit bis zum Ablauf der Kündigungsfrist als Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb. An dieser Auslegung des Begriffs der »Entlassung« hatte das ArbG Berlin in dem von Frau Junk angestrengten Verfahren Zweifel. Da der Begriff (auch) auf die Richtlinie 98/59/EG zurückzuführen ist, wollte das Gericht vom EuGH wissen, ob »unter 'Entlassung' ... die Kündigung als der erste Akt zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu verstehen ist, oder ... 'Entlassung' die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ablauf der Kündigungsfrist [meint]«.85ArbG Berlin, 30. 4. 2003 - 36 Ca 19726/02, ZIP 2003, 1265 = EWiR 2003, 1133 (v. Hoyningen-Huene).Der EuGH bejaht mit Urteil vom 27. 1. 2005 die erste Alternative.86EuGH, 27. 1. 2005 - Rs. C-188/03, NZA 2005, 213 = ZIP 2005, 230 = BB 2005, 331 = DB 2005, 453 - Junk. »Entlassung« i. S. d. Artt. 2-4 der Richtlinie sei nicht erst die tatsächliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern bereits die Kündigungserklärung. Die Richtlinie spreche in Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 1 jeweils von »beabsichtigten« Entlassungen. Dies könne nur einen Fall betreffen, in dem noch keine Entscheidung getroffen, d. h. die Kündigung noch nicht erklärt wurde.87EuGH, 27. 1. 2005 - Rs. C-188/03, NZA 2005, 213, 214 Rdnr. 36 - Junk. Konsequenterweise dürfe die Kündigung erst nach der in Art. 3 Abs. 1 vorgesehenen Anzeige an die zuständige Behörde erklärt werden. Auch die Konsultation der Arbeitnehmervertreter nach Art. 2 Abs. 1 müsse bereits abgeschlossen sein, da sonst die praktische Wirksamkeit dieser Verpflichtung - deren Zweck es gerade sei, Entlassungen zu vermeiden - beeinträchtigt würde.88EuGH, 27. 1. 2005 - Rs. C-188/03, NZA 2005, 213, 214 Rdnr. 42 ff. - Junk.Praktisch relevant wird die Auslegung des EuGH in zweierlei Hinsicht: Zum einen kann es für das Vorliegen von »Massenentlassungen«89Um Missverständnisse zu vermeiden, sollte in Zukunft von »Massenkündigungen« gesprochen werden. i. S. der §§ 17 ff. KSchG nicht mehr darauf ankommen, ob innerhalb des 30-Tage-Zeitraums die Kündigungsfristen ablaufen, sondern entscheidend ist nur noch, ob die Anzahl der erklärten Kündigungen die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreichen würde. Die Anzahl anzeigepflichtiger »Entlassungen« dürfte sich damit erhöhen, da unterschiedlich lange Kündigungsfristen nun nicht mehr zu einem Unterschreiten der Schwellenwerte führen können.90Bauer/Krieger/Powietzka,DB 2005, 445, 446; Grimm/Brock, EWiR 2005, 213, 214.Zum anderen müssen sowohl die Anzeige an die Agentur für Arbeit nach § 17 Abs. 1 KSchG als auch die Konsultation des Betriebsrats nach § 17 Abs. 2 KSchG91Die Verbindung des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG mit dem Interessenausgleichs- und Sozialplanverfahren nach §§ 111 ff. BetrVG wird weiterhin zulässig sein, s. Nicolai, NZA 2005, 206, 207. Für sogar zwingend halten dies Ferme/Lipinski, ZIP 2005, 593, 600. erfolgen bzw. abgeschlossen sein, bevor die Kündigung ausgesprochen wird.92Aus Gründen der Rechtssicherheit ist nicht erst auf den Zugang der Kündigungserklärung abzustellen, dazu Bauer/Krieger/Powietzka,DB 2005, 445, 446. Streit herrscht allerdings darüber, ob die §§ 17 ff. KSchG bereits in ihrer jetzigen Fassung im Sinne der EuGH-Entscheidung richtlinienkonform auslegbar sind.93Dass das Urteil unmittelbar keine Wirkung erzeugt, folgt aus der fehlenden Anwendbarkeit von EG-Richtlinien zwischen Privaten, vgl. Art. 249 Abs. 3 EG. Das hat der EuGH in der Rechtssache Pfeiffer bestätigt (dazu o. IV 1). Im öffentlichen Dienst gilt die Richtlinie nach Art. 1 Abs. 2 lit. b nicht. Dies wird zum Teil mit Hinweis auf die Systematik der §§ 17 ff. KSchG und ihren eindeutigen Wortlaut verneint.94ArbG Lörrach, 24. 3. 2005 - 2 Ca 496/04, NZA 2005, 584, 585; ArbG Krefeld, 14. 4. 2005 - 1 Ca 3731/04, DB 2005, 892, 892 ff.; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 445, 446; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 1006; Ferme/Lipinski, ZIP 2005, 593, 594 ff.; Grimm/Brock, EWiR 2005, 213, 213 f.; Thüsing, BB 2005, Heft 16 S. I; Wolf, AuA 2005, 340, 341. S. auch BAG, 18. 9. 2003 - 2 AZR 79/02, NZA 2004, 375, 381 f. Dem Begriff der »Entlassung« könne aufgrund langjähriger Rechtsprechung und Gesetzeshistorie nicht die Bedeutung von »Kündigung(serklärung)« beigemessen werden. Das ArbG Berlin hat demgegenüber eine richtlinienkonforme Auslegung bejaht.95ArbG Berlin, 1. 3. 2005 - 36 Ca 19726/02, NZA 2005, 585, 586; ebenso ArbG Bochum, 17. 3. 2005 - 3 Ca 307, DB 2005, 1064, 1064 f., dem folgend ArbG Osnabrück, 8. 6. 2005 - 4 Ca 546/04, NZA-RR 2005, 475, 476. Aus der Literatur bejahend auch Appel, DB 2005, 1002, 1002 f.; Dornbusch/Wolff, BB 2005, 885, 886; Osnabrügge, NJW 2005, 1093, 1093 f.; Riesenhuber/Domröse, NZA 2005, 568, 568 f.; tendenziell auch Nicolai, NZA 2005, 206. Auch die Bundesagentur für Arbeit hat in einer Verwaltungsanweisung die Arbeitsagenturen angehalten, dem EuGH-Urteil zu entsprechen.96Verwaltungsanweisung vom 15. 4. 2005, AuR 2005, 224.Ein klärendes Wort des BAG steht bislang noch aus.97Die Entscheidung vom 24. 2. 2005 - 2 AZR 207/04, DB 2005, 1576 = NZA 2005, 766 = ZIP 2005, 1330 sorgte für mehr Verwirrung als für Klärung, da das BAG den Streitpunkt höchstens streifte. Dazu Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 1570. Auch in einem Urteil vom 16. 6. 2005 - 6 AZR 451/04, DB 2005, 2141 (Ls.) konnte das BAG die Frage offenlassen, da die Anzeige gänzlich unterblieben ist. Die Instanzrechtsprechung hat überwiegend zumindest für (Alt-)Fälle, in denen Kündigungen noch vor dem 27. 1. 2005 erfolgt sind, trotz der EuGH-Entscheidung die Arbeitgeber in ihrem Vertrauen auf die bisher ständige Rechtsprechung des BAG und die entsprechenden Merkblätter der BA geschützt.98LAG Köln, 25. 2. 2005 - 11 Sa 767/04, NZA-RR 2005, 470, 472 f.; LAG Hessen, 20. 4. 2005 - 6 Sa 2279/04, NZA-RR 2005, 522, 523; LAG Berlin, 27. 4. 2005 - 17 Sa 2646/04, NZA-RR 2005, 412, 412 f.; LAG Köln, 10. 5. 2005 - 1 Sa 1510/04, BB 2005, 1860; ArbG Lörrach, 24. 3. 2005 - 2 Ca 496/04, NZA 2005, 584, 585; ArbG Krefeld, 14. 4. 2005 - 1 Ca 3731/04, DB 2005, 892, 894. Dafür aus dem Schrifttum auch Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 445, 449; Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 1006, 1007; Ferme/Lipinski, ZIP 2005, 593, 599; Thüsing, BB 2005, Heft 16, S. I; Wolf, AuA 2005, 340, 341. A. A. ArbG Berlin, 1. 3. 2005 - 36 Ca 19726/02, NZA 2005, 585, 586; ArbG Bochum, 17. 3. 2005 - 3 Ca 307, DB 2005, 1064, 1065 sowie Appel, DB 2005, 1002, 1005; Osnabrügge, NJW 2005, 1093, 1094. Jedoch dürfte der Streit auch bei nach dem27. 1. 2005 ausgesprochenen Kündigungen nicht allzu oft den Ausschlag geben, da ein Großteil der Arbeitgeber - Empfehlungen aus den Reihen der Anwaltschaft folgend - das Verfahren aus Gründen der Vorsicht sowohl nach bisheriger Rechtslage als auch entsprechend der EuGH-Entscheidung durchgeführt haben wird.99»Doppelgleisig« zu verfahren raten Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 445, 448; Ferme/Lipinski, ZIP 2005, 593, 599 f.; Grimm/Brock, EWiR 2005, 213, 214. S. auch das Rundschreiben der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände IV/24/05 vom 18. 4. 2005.2. Kommission/PortugalNicht unerwähnt bleiben soll abschließend die Entscheidung des EuGH vom 12. 10. 2004 in einem Vertragsverletzungsverfahren der Kommission gegen Portugal.100EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-55/02, NZA 2004, 1265 = EuZW 2004, 721 - Kommission/Portugiesische Republik. Ihr lag eine spezifische portugiesische Regelung zugrunde, nach welcher vom Willen des Arbeitgebers unabhängige Beendigungen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes (z. B. bei Tod des Arbeitgebers) nicht als Entlassungen angesehen werden und damit nicht dem Massenentlassungsverfahren unterworfen sind. Der Gerichtshof befand, dass bei einem Ausschluss derartiger Beendigungstatbestände der durch die Richtlinie bezweckte Schutz der Arbeitnehmer nur teilweise erreicht würde und gab der Klage statt. Bemerkenswert ist, dass der EuGH hier - nur dreieinhalb Monate vor der Junk-Entscheidung - den Begriff der Entlassung noch als »jede vom Arbeitnehmer nicht gewollte, also ohne seine Zustimmung erfolgte, Beendigung des Arbeitsverhältnisses« definierte.101EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-55/02, NZA 2004, 1265, 1267 Rdnr. 50 - Kommission/Portugiesische Republik.VI. Arbeitnehmerentsendung (Richtlinie 96/71/EG; Art. 49 EG)Das Recht der Arbeitnehmerentsendung spielte im Berichtszeitraum in drei Entscheidungen des EuGH eine Rolle. Dabei befand sich nach den Urteilen Finalarte und Portugaia Constru¢o es ein weiteres Mal auch das deutsche Arbeitnehmer-Entsendegesetz102Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen vom 26. 2. 1996 (BGBl. 1996 I, 227), zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. 7. 2004 (BGBl. 2004 I, 1842). S. auch den Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 11. 5. 2005, BR-Drucks. 362/05, der eine Ausdehnung des AEntG auf alle Branchen vorsieht. (AEntG) auf dem europäischen Prüfstand.103EuGH, 25. 10. 2001 - Rs. C-49/98 u. a., Slg. 2001 I, 7831 = NZA 2001, 1299 = BB 2001, 2427 = DB 2001, 2723 m. Anm. Koenigs = RIW 2002, 392 = SAE 2002, 77 m. Anm. M.Fuchs - Finalarte; EuGH, 24. 1. 2002 - Rs. C-164/99, Slg. 2002 I, 787 = NZA 2002, 207 = BB 2002, 624 m. Anm. Bayreuther = DB 2002, 430 m. Anm. Koenigs = RIW 2002, 795 = SAE 2003, 32 m. Anm. Singer/Büsing - Portugaia Constru¢o es. S. dazu Junker, RIW 2003, 698, 706 f. Anders als in den vorangegangenen Urteilen konnte der EuGH diesmal jedoch die Richtlinie 96/71/EG104Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABlEG Nr. L 18 vom 27. 1. 1997, S. 1). (Entsenderichtlinie) - welche den Schutz der entsandten Arbeitnehmer gewährleisten soll - in seine Entscheidung einbeziehen.1. Rechtssache Wolff & MüllerIm vom EuGH zu entscheidenden Fall hatte das deutsche Bauunternehmen Wolff & Müller mit Sitz in Stuttgart einen portugiesischen Bauunternehmer mit Beton- und Stahlarbeiten auf einer Baustelle in Berlin beauftragt. Das portugiesische Unternehmen war entsprechend den zugrunde liegenden Bautarifverträgen und Rechtsverordnungen nach § 1 Abs. 3 a AEntG zur Zahlung des tariflichen Mindestlohns verpflichtet. Als der portugiesische Arbeitgeber mit den Lohnzahlungen in Rückstand geriet, machte ein dort beschäftigter Maurer die Lohnrückstände gegenüber seinem Arbeitgeber sowie gem. § 1 a AEntG gegen Wolff & Müller gerichtlich geltend. Nach § 1 a AEntG haftet ein Bauunternehmer (sog. Generalunternehmer), der einen Subunternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, für den von Letzterem zu zahlenden Mindestlohn in Höhe des Nettolohns wie ein Bürge, der auf die Einrede der Vorausklage verzichtet hat (sog. Nettolohnhaftung). Das in letzter Instanz mit der Sache befasste BAG hegte Zweifel an der Vereinbarkeit dieser Regelung mit der Dienstleistungsfreiheit i. S. des Art. 49 EG und bat den EuGH um Vorabentscheidung.105BAG, 6. 11. 2002 - 5 AZR 617/01 (A), BAGE 103, 240, 259 ff. = NZA 2003, 490 = SAE 2003, 181 m. Anm. Franzen.Die Entscheidung des EuGH vom 12. 10. 2004 räumt zunächst alle Zweifel hinsichtlich der Vereinbarkeit der Entsenderichtlinie mit Art. 49 EG aus.106Für primärrechtswidrig hielten die Richtlinie u. a. Beisiegel/Mosbacher/Lepante, JZ 1996, 668, 671; Rieble/Lessner, ZfA 2002, 29, 49. Der Gerichtshof stellt fest, dass »nicht unbedingt ein Widerspruch zwischen dem Ziel des Schutzes eines fairen Wettbewerbs auf der einen Seite und dem Ziel der Sicherstellung des Arbeitnehmerschutzes auf der anderen Seite [besteht]«.107EuGH, 12. 10. 2004 - C-60/03, NZA 2004, 1211, 1213 Rdnr. 42 = RIW 2005, 622 - Wolff & Müller. Dieser Befund war abzusehen, s. Junker, JZ 2005, 481, 484 m. w. N. Unter Rückgriff auf Art. 5 der Entsenderichtlinie betont der EuGH sodann, dass die Mitgliedstaaten für die entsandten Arbeitnehmer geeignete Verfahren zur Durchsetzung ihres Mindestlohnanspruchs zur Verfügung stellen müssten, bei deren Ausgestaltung jedoch Art. 49 EG zu beachten sei.108Damit hat sich auch die zum Teil aufgeworfene Frage erledigt, ob die Entsenderichtlinie als sekundärrechtliche Konkretisierung der Dienstleistungsfreiheit nicht einen Rückgriff auf Art. 49 EG ausschließt, dazu Rieble/Lessner, ZfA 2002, 29, 49 f. m. w. N. Der EuGH schließt nicht aus, dass das Verfahren nach § 1 a AEntG die Dienstleitungsfreiheit beeinträchtigen kann. Jedenfalls aber sei eine Beeinträchtigung durch »zwingende Gründe des Allgemeininteresses« in Form des Arbeitnehmerschutzes gerechtfertigt, denn § 1 a AEntG verschaffe den entsandten Arbeitnehmern einen zusätzlichen Schuldner und damit einen Vorteil. Dass der deutsche Gesetzgeber mit Schaffung des § 1 a AEntG vorrangig gar nicht den Schutz der Arbeitnehmer im Sinn hatte, sondern den Schutz der nationalen Bauwirtschaft109Vgl. BAG, 6. 11. 2002 - 5 AZR 617/01 (A), BAGE 103, 240, 263., stört den EuGH nicht: Unter Berufung auf die Rechtssache Portugaia Constru¢o es betont er, dass es entscheidend darauf ankomme, ob die betreffende Regelung bei objektiver Betrachtung den Schutz der entsandten Arbeitnehmer fördert.110EuGH, 12. 10. 2004 - Rs. C-60/03, NZA 2004, 1211, 1213 Rdnr. 38, 40 - Wolff & Müller. So bereits EuGH, 25. 10. 2001 - Rs. C-49/98 u. a., Slg. 2001 I, 7831, 7901 Rdnr. 41 - Finalarte. Wolff & Müller brachte schließlich noch vor, die Bürgenhaftung sei unverhältnismäßig. Hierfür verwies der EuGH auf das BAG, welches daraufhin mit Urteil vom 12. 1. 2005 die Verhältnismäßigkeit bejahte, da die Haftungsrisiken für die Bauunternehmen eher beherrschbarseien, als das Risiko für den entsandten Arbeitnehmer, mit seinen Lohnforderungen auszufallen.111BAG, 12. 1. 2005 - 5 AZR 617/01, NZA 2005, 627, 634 = DB 2005, 1061.2. Kommission/Bundesrepublik DeutschlandMit Urteil vom 14. 4. 2005 hat der EuGH im Rahmen eines von der Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens erneut auf Grundlage der Entsenderichtlinie entschieden. Gegenstand war ein über § 1 Abs. 1 AEntG auf ausländische Arbeitgeber anzuwendender allgemeinverbindlicher Tarifvertrag über Mindestlöhne im Baugewerbe aus dem Jahr 2000. Danach werden sämtliche Zuschläge und Zulagen, die ein ausländischer Arbeitgeber an seine nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer zahlt, mit Ausnahme des sog. Bauzuschlags112Darunter ist ein besonderer Ausgleich für die Belastungen infolge ständiger Baustellenwechsel und schlechter Witterung zu verstehen, Peter, IBR 2005, 349. nicht als Bestandteil des Mindestlohns angesehen. Eine solche Nichtberücksichtigung, so die Kommission, führe für ausländische Arbeitgeber aber zu höheren Lohnkosten als für deutsche Arbeitgeber; denn ein Arbeitgeber, der in seinem Herkunftsland neben dem normalen Stundenlohn zur Zahlung weiterer Lohnbestandteile verpflichtet ist, müsste in Deutschland zusätzlich zu dem unter Umständen höheren Mindeststundenlohn auch diese aufgrund der Verpflichtung in seinem Herkunftsland bestehenden weiteren Lohnbestandteile zahlen. Ein derartiges Aufzwingen der nationalen Lohnstruktur stelle einen Verstoß gegen Art. 3 der Richtlinie 96/71/EG dar und verstoße zudem gegen Art. 49 EG.Der EuGH folgt der Ansicht der Kommission nur zum Teil. Es stelle einen Verstoß gegen die Entsenderichtlinie dar, wenn sämtliche Zuschläge und Zulagen, die ein ausländischer Arbeitgeber tatsächlich an seine entsandten Arbeitnehmer zahlt, bei der Berechnung des deutschen Mindestlohns unberücksichtigt bleiben.113EuGH, 14. 4. 2005 - Rs. C-341/02, NZA 2005, 573, 574 f. Rdnr. 41, 30 ff. - Kommission/Bundesrepublik Deutschland. Nicht Bestandteil des Mindestlohns seien jedoch zu Recht Qualitätsprämien und Schmutz-, Erschwernis oder Gefahrenzulagen, denn derartige Zulagen sollen die unter besonder